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Deine Gefühle. Du hättest nicht geduldet, daß Deiner Schwe-ster Beleidigungen zugefügt werden. Ich war schon ganz ver-zweifelt, aber was konnte ich machen? Außerdem kannte ich damals ja selber noch nicht die volle Wahrheit ... Die Haupt-schwierigkeit bestand darin, daß Dunjetschka, als sie im vorigen Jahr als Gouvernante in dieses Haus kam, ganze hundert Rubel im voraus genommen hatte, unter der Be-dingung, daß ihr dieser Vorschuß in monatlichen Teilbeträ-gen von ihrem Gehalt abgezogen würde. So konnte sie den Posten nicht aufgeben, ehe diese Schuld beglichen war. Die Summe – jetzt kann ich Dir das alles berichten, mein teurer Rodja – hatte sie hauptsächlich deshalb entliehen, um Dir die sechzig Rubel schicken zu können, die Du zu jener Zeit so notwendig brauchtest und die Du im vergangenen Jahr von uns auch erhalten hast. Wir haben Dich damals hinter-gangen und Dir geschrieben, die sechzig Rubel stammten von dem Geld, das Dunjetschka sich erspart habe; das stimmte aber nicht, und heute teile ich Dir die ganze Wahrheit mit, weil sich jetzt plötzlich alles durch Gottes Fügung zum Bes-seren gewendet hat, und damit Du weißt, wie sehr Dunja Dich liebt und welch kostbares Herz sie hat. Herr Swidri-gailow war anfangs wirklich sehr grob zu ihr, behandelte sie äußerst unhöflich und verspottete sie bei Tisch ... aber ich will nicht auf alle diese beschämenden Einzelheiten eingehen, um Dich nicht unnütz aufzuregen; denn jetzt ist ja alles über-standen. Kurz und gut, das Leben war trotz dem gütigen und vornehmen Wesen Marfa Petrownas, der Gemahlin des Herrn Swidrigailow, und aller übrigen Hausgenossen für Dunja sehr beschwerlich, besonders wenn Herr Swidrigailow, wie er es vom Regiment her gewohnt war, unter dem Einfluß des Bacchus stand. Aber was stellte sich zuletzt heraus? Denk Dir nur, dieser Wahnwitzige empfand schon lange eine lei-denschaftliche Zuneigung für Dunja, verbarg sie aber unter dem Mantel der Grobheit und Geringschätzung. Vielleicht schämte und entsetzte er sich, wenn er sah, daß er, ein schon bejahrter Mann und Familienvater, so leichtsinnige Hoffnun-gen hegte, und war darum unwillkürlich auf Dunja böse. Oder vielleicht wollte er hinter der Grobheit seines Tones und hin-

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ter seinen Spottreden nur die Wahrheit vor den anderen ver-heimlichen. Doch schließlich hielt er es nicht mehr aus und wagte es, Dunja unverblümt einen abscheulichen Antrag zu machen. Er versprach ihr die schönsten Geschenke, und ins-besondere sagte er, er werde alles hier zurücklassen und mit ihr in ein anderes Dorf oder sogar ins Ausland fahren. Du kannst Dir vorstellen, was sie da gelitten hat! Es war un-möglich, die Stellung sofort aufzugeben, nicht nur der Schuld wegen, sondern auch aus Mitleid mit Marfa Petrowna, die plötzlich hätte Verdacht schöpfen können; so hätte Dunja nur Streit in die Familie gebracht. Und auch für Dunjetschka wäre es ein großer Skandal gewesen; so einfach wäre es nicht abgegangen. Noch verschiedene andere Gründe sprachen da-für, so daß Dunja unter sechs Wochen keineswegs damit rech-nen konnte, aus diesem entsetzlichen Haus fortzukommen. Du kennst Dunja ja, Du weißt, wie klug sie ist und welch festen Charakter sie hat. Dunjetschka kann viel ertragen und bringt im Notfall sogar so viel Seelengröße auf, daß sie ihre Festigkeit nicht verliert. Nicht einmal mir hat sie von all dem geschrieben, um mich nicht zu betrüben, und dabei schrieben wir einander oft.

Der Knoten löste sich ganz unerwartet. Marfa Petrowna belauschte einmal unversehens im Garten ihren Mann, der Dunjetschka gerade anflehte, und sie faßte das falsch auf und gab die Schuld Dunjetschka: sie habe es hierauf abge-sehen. Es kam an Ort und Stelle, im Garten, zu einer entsetz-lichen Szene – Marfa Petrowna schlug Dunja sogar; sie wollte nichts hören und tobte eine ganze Stunde lang und gab schließlich Befehl, Dunja augenblicklich zu mir in die Stadt zurückzuschaffen, in einem einfachen Bauernwagen, auf den man alle ihre Sachen warf, die Wäsche, die Kleider, alles, wie es sich traf, nichts zusammengelegt und alles unverpackt. Zu alledem kam noch ein Platzregen, und Dunja mußte, beleidigt und beschimpft, auf dem offenen Bauernkarren ganze sieb-zehn Werst weit fahren. Denk jetzt selbst: was hätte ich Dir als Antwort auf Deinen Brief schreiben können, den ich vor zwei Monaten bekommen habe? Hätte ich auch hierüber schreiben können? Ich war verzweifelt; Dir die Wahrheit zu

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schreiben wagte ich nicht, weil Du sehr unglücklich, beleidigt und empört gewesen wärst, und was hättest Du tun können? Du hättest Dich höchstens noch zugrunde gerichtet, und dann hatte es mir Dunjetschka auch verboten; und den Brief mit Unsinn über allerhand andere Dinge anzufüllen, wenn mir solcher Kummer auf der Seele lastete – das vermochte ich nicht. Einen ganzen Monat lang klatschte man bei uns in der Stadt über diese Geschichte, und es kam schließlich so weit, daß wir nicht einmal mehr gemeinsam in die Kirche gehen konnten, so geringschätzig blickten die Leute uns an; sie tuschelten und redeten sogar ganz laut in unserer Gegen-wart. Alle Bekannten zogen sich von uns zurück; ja, man grüßte uns nicht einmal mehr, und ich erfuhr aus sicherer Quelle, daß uns die Ladengehilfen und einige Kanzlisten eine ganz niederträchtige Beleidigung zugedacht hatten. Sie hat-ten nämlich vor, das Tor unseres Hauses mit Teer zu be-schmieren, und die Hauswirte verlangten daher, daß wir aus der Wohnung auszögen. Die Ursache von alledem war Marfa Petrowna, die bereits in sämtlichen Familien Dunja beschul-digt und mit Schmutz beworfen hatte. Sie kennt hier alle Welt. In diesem Monat fuhr sie jeden Augenblick in die Stadt, und da sie ein wenig geschwätzig ist und gern über ihre Familien-angelegenheiten spricht und sich besonders gerne bei allen und jedem über ihren Mann beklagt, was sehr wenig hübsch ist, verbreitete sie die ganze Geschichte in kurzer Zeit nicht nur in der Stadt, sondern in unserem ganzen Kreis. Ich wurde krank, Dunjetschka aber war stärker als ich; ach, wenn Du nur gesehen hättest, wie sie alles ertrug und mich noch tröstete und ermutigte! Sie ist ein Engel! Aber dank der Gnade Gottes sind nun unsere Qualen zu Ende: Herr Swi-drigailow kam zur Besinnung. Er bereute, was geschehen war, und hatte wahrscheinlich Mitleid mit Dunja; so bewies er seiner Gemahlin klar und offenkundig Dunjetschkas volle Unschuld, indem er ihr einen Brief gab, den ihm Dunja, noch ehe Marfa Petrowna die beiden im Garten ertappt hatte, zu schreiben und zu übergeben genötigt war, um seine priva-ten Erklärungen und die geheimen Zusammenkünfte abzu-lehnen, auf denen er bestand; einen Brief, der nach der Abreise

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Dunjetsdikas in Herrn Swidrigailows Händen geblieben war. In diesem Brief machte sie ihm mit stürmischer, heftiger Ent-rüstung Vorwürfe, gerade wegen seines unedlen Betragens gegen Marfa Petrowna; sie hielt ihm vor, daß er Familien-vater sei, und schließlich, wie abscheulich er handle, wenn er ein ohnedies schon unglückliches Mädchen quäle und un-glücklich mache. Mit einem Wort, mein lieber Rodja, dieser Brief war so edel und rührend geschrieben, daß ich schluch-zen mußte, als ich ihn las; und bis heute kann ich ihn nicht ohne Tränen wieder lesen. Außerdem rechtfertigten schließ-lich auch noch die Zeugenaussagen der Dienerschaft Dunja, die weit mehr gesehen hatten und wußten, als Herr Swidri-gailow selber ahnte, wie dies ja immer zu sein pflegt. Marfa Petrowna war völlig niedergeschlagen und ,aufs neue zer-schmettert', wie sie uns selber bekannte, doch dann über-zeugte sie sich vollauf von Dunjetschkas Unschuld, und schon am nächsten Tag, einem Sonntag, fuhr sie geradewegs in die Kirche, wo sie auf den Knien und unter Tränen die Gottes-mutter bat, sie möge ihr die Kraft geben, die neue Prüfung zu ertragen und ihre Pflicht zu tun. Von der Kirche fuhr sie, ohne zu irgend jemandem anders zu gehen, unverzüglich zu uns, erzählte uns alles, weinte bitterlich, umarmte Dunja in tiefer Reue und beschwor sie, ihr zu vergeben. Am gleichen Vormittag noch begab sie sich, ohne im geringsten zu zaudern, gleich von uns aus in alle Häuser der Stadt, und überall rehabilitierte sie in den für Dunjetschka schmeichelhaftesten Ausdrücken und unter vielen Tränen Dunjas Unschuld und die Vornehmheit ihrer Gefühle und ihres Verhaltens. Nicht genug damit, zeigte sie den Brief herum, den Dunja eigen-händig an Herrn Swidrigailow geschrieben hatte, und las ihn vor und erlaubte sogar – was mir schon übertrieben vor-kommt –, daß davon Abschriften gemacht wurden. So mußte sie einige Tage lang alle Leute in der Stadt der Reihe nach aufsuchen; denn manche waren beleidigt, daß andere ihnen vorgezogen worden waren. Deshalb wurde eine regelrechte Reihenfolge festgesetzt. In jedem Hause wartete man nun schon im voraus, und alle wußten, daß an diesem oder jenem Tage Marfa Petrowna da oder dort den Brief vorlesen