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denken; er konnte seine Gedanken nicht konzentrieren, er konnte nur fühlen. An die Stelle der Dialektik war das Leben getreten, und in seinem Bewußtsein mußte er etwas völlig Neues erarbeiten.

Unter seinem Kissen lag das Evangelium. Mechanisch nahm er es zur Hand. Dieses Buch gehörte Sonja; es war dasselbe, aus dem sie ihm die Erzählung von der Erweckung des Lazarus vorgelesen hatte. Zu Beginn seiner Verbannung hatte er ge-glaubt, sie werde ihn mit der Religion quälen, über das Evangelium mit ihm sprechen und ihm das Buch aufdrängen wollen. Doch zu seinem größten Erstaunen redete sie kein einziges Mal davon und schlug ihm auch kein einziges Mal vor, ihm das Evangelium zu geben. Er selbst hatte sie darum gebeten, kurz bevor er krank wurde, und sie hatte es ihm schweigend gebracht. Bisher hatte er es noch nicht geöffnet.

Er schlug es auch jetzt nicht auf, doch ging ihm der Gedanke durch den Kopf: Müssen ihre Überzeugungen denn jetzt nicht auch die meinen sein? Ihre Gefühle wenigstens, ihre Bestrebungen? ...

Auch sie war den ganzen Tag über sehr erregt, und in der Nacht hatte sie sogar einen Rückfall in ihre Krankheit. Aber sie fühlte sich so glücklich, so unerwartet glücklich, daß sie vor ihrem Glück beinahe erschrak. Sieben Jahre, nur sieben Jahre! ... Als ihr Glück begann, waren sie beide in manchen Augenblicken bereit, diese sieben Jahre für sieben Tage anzu-sehen. Er wußte noch nicht, daß ihm das neue Leben nicht geschenkt wurde, sondern daß er es teuer würde erkaufen müssen, daß er später mit einer großen Tat dafür würde zu zahlen haben ...

Doch hier beginnt schon eine neue Geschichte – die Ge-schichte der allmählichen Erneuerung eines Menschen, die Geschichte seiner allmählichen Wiedergeburt, seines allmäh-lichen Übergangs aus einer Welt in die andere, die Ge-schichte seiner Bekanntschaft mit einer neuen, ihm bisher völlig unbekannten Wirklichkeit. Das könnte das Thema für eine neue Erzählung sein – doch unsere Erzählung ist hier zu Ende.

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ANHANG

PERSONENVERZEICHNIS

Im Russischen besteht der volle Name aus 1. dem Vor- bzw. Taufnamen, 2. dem Vatersnamen (kenntlich am Suffix –itsch/ -owitsch bzw. bei Frauen –owna) und 3. dem FAMILIENNAMEN. Die offizielle Anrede geschieht mit Vor- und Vatersnamen (also z. B. Rodion Romanowitsch RASKOLNIKOW = Rodion, Sohn des Roman RASKOLNIKOW). In dem Roman werden manche Perso-nen hauptsächlich mit dem Nachnamen angeredet, andere nur mit dem Vornamen, einige nur mit Vor- und Vatersnamen, ohne daß der Nachname erwähnt wird.

Raskolnikow = Rodion Romanowitsch RASKOLNIKOW (auch Rodja, Rodjenka, Rodka genannt), ehemaliger Student der Rechte

Dunja = Awdotja Romanowna RASKOLNIKOWA (auch Dun-jetschka genannt), seine Schwester

die Mutter = Pulcheria Alexandrowna RASKOLNIKOWA

Marmeladow = Semjon Sacharowitsch MARMELADOW, Titular-rat

Katerina Iwanowna = Katerina Iwanowna MARMELADOWA (auch Jekaterina Iwanowna), seine zweite Frau

Sonja = Sofja Semjonowna MARMELADOWA (auch Sonja, Son-jetschka genannt), Tochter Marmeladows aus erster Ehe

Polenka = Polina Michailowna (auch Polja, Polenka, Pol-jetschka genannt), sowie

Lida (Lidotschka) und

Kolja – Kinder Katerina Iwanownas aus erster Ehe

die Alte = Aljona Iwanowna, Pfandleiherin, Kollegienregistra-torswitwe Lisaweta = Lisaweta Iwanowna, ihre Schwester

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Nikodim Fomitsch = Revierinspektor

Ilja Petrowitsch = sein Stellvertreter (auch Leutnant Schießpul-ver genannt)

Alexander Grigorjewitsch = Alexander Grigorjewitsch SAME-TOW, Schriftführer im Polizeirevier

Porfirij Petrowitsch = Untersuchungsrichter

Rasumichin – Dmitrij Prokofjitsch RASUMICHIN, ehemaliger Student, Raskolnikows Freund Luschin = Pjotr Petrowitsch LUSCHIN, Rechtsanwalt Swidrigailow = Arkadij Iwanowitsch SWIDRIGAILOW, Gutsbe-sitzer

Marfa Petrowna = Marfa Petrowna SWIDRIGAILOWA, seine Frau Lebesjatnikow = Andrej Semjonytsch LEBESJATNIKOW

Sarnizyna — Praskowja Pawlowna SARNIZYNA (auch Paschenka genannt), Hauswirtin Raskolnikows

Nastasja = Nastastja Petrowna (auch Nastasjuschka), ihre Dienstmagd

Amalja Iwanowna = Amalja Iwanowna (Ludwigowna) LIPPE-WECHSEL, Hauswirtin der Familie Marmeladow, Luschins und Lebesjatnikows.

Kapernaumow = KAPERNAUMOW, Schneider, Hauswirt Sonja Marmeladowas

Luisa Iwanowna = Luisa Iwanowna (auch Lawisa genannt), Inhaberin eines »anständigen Hauses«, eines Amüsierlokals.

Sosimow = SOSIMOW, Arzt

Wachruschin = Afanasij Iwanowitsch WACHRUSCHIN, Kauf-mann

Nikolaj = Nikolaj DEMENTJEW, (auch Nikola, Nikolaschka genannt), Anstreicher

Dmitrij = (Mitka), Anstreicher

Duschkin = Afanasij Pawlytsch DUSCHKIN, Schankwirt

Petrjakow, Student

Koch

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RASKOLNIKOWS PETERSBURG

A.-Brücke (Tutschkow Most, vgl. auch T.-Brücke) A.-Prospekt (Obuchowskij Prospekt – heute Moskowskij Pro-spekt) Ägyptische Brücke (Egipetskij Most)

Heumarkt (Sennaja Ploschtschad, heute Ploschtschad Mira)

Isaaks-Kathedrale

Jelagin-Insel Jusupow-Garten

K.-Boulevard (Konnogwardejskij Boulevard – heute Boulevard

Profsojusow) K.-Brücke (Kokuschkin Most)

K.-Gasse (Konnyj Pereulok – heute Pereulok Griwzowa) Kanal (Jekaterinen-Kanal – heute Gribojedow-Kanal) Krestowskij Insel

Marsfeld (Marsowoje Pole)

Mestschanskaja uliza (heute Graschdanskaja Uliza)

Mitrofan-Friedbof

N.-Straße Jekateringofskij Prospekt – heute Prospekt Rims-kogo-Korsakowa) N.-Straße (Sjeschinskaja Uliza, Petersburger Seite) Newskij Prospekt Nikolaj-Brücke (heute Most Lejtenanta Schmidta)

Peskij-Viertel

Peter-Insel (Petrowskij Ostrow)

Petrowskij-Park (Petrowskij Sad)

S.-Gasse (Stoljarnyj Pereulok – Uliza Prschewalskogo) Sommergarten (Letnij Sad)

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T.-Brücke (Tutschkow Most)

W.-Prospekt (Wosnessenskij Prospekt – heute Prospekt Majo-rowa) Wassilij-Insel (Wassilijewskij Ostrow) Winterpalais

X.-Prospekt (Bolschoj Prospekt, Petersburger Seite)

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ANMERKUNGEN

7 S.-Gasse: Stoljarnyj-Gasse K.-Brücke: Kokuschkin-Brücke

9 Heumarkt: in den sechziger Jahren des 19. Jhs. war hier das Handelszentrum der Stadt (heute ist dort der zentrale Busbahn-hof und die Metrostation Ploschtschad Mira); die Umgebung des Heumarktes war ein typisches Großstadt-Armenviertel vol-ler Kneipen und kleiner Imbißstuben.

mit dem detitschen Hut: d. h. einem Hut des damals bekannten Petersburger Hutmachers Zimmermann, wie ihn Dostojewski) selbst auch trug (vgl. auch S. 676). 10 mit der einen Front auf einen Kanal, mit der anderen auf die N.-Straße ging: Jekaterinen-Kanal (heute Gribojedow-Kanal), Je-kateringofskij-Prospekt (heute Prospekt Rimskogo-Korsa-kowa).

in den Heubarken auf der Newa: In den sechziger Jahren waren das in Petersburg Nachtquartiere für Bettler und Obdachlose.

mit dem gelben Ausweis: der Ausweis, den die Prostituierten von der Polizei erhielten.

alles Geheime wird offenbar: Anspielung auf Matth. 10, 26 (»Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde«).

Ecce homo: so spricht Pilatus über den dornengekrönten Chri-stus zu den Hohenpriestern (Johannes 19,5).

mit einem Schal getanzt: ein Privileg, das den Zöglingen solch vornehmer Institute nur bei besonderen Leistungen verliehen wurde.