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aus gekränktem Gefühl, ins Bett legen. Als ich sie heiratete, war sie Witwe, und es waren drei Kinder da, eines kleiner als das andere. Sie hatte ihren ersten Mann, einen Infanterie-offizier, aus Liebe geheiratet und war mit ihm aus dem El-ternhaus geflohen. Sie liebte ihn grenzenlos, doch er ergab sich dem Kartenspiel und kam vor Gericht, und dann starb er. Während der letzten Jahre prügelte er sie oft; und ob-gleich sie ihm nicht verzieh, was mir aus Dokumenten authen-tisch bekannt ist, gedenkt sie seiner bis heute noch mit Tränen und hält ihn mir als Beispiel vor, und ich bin froh darüber, ich bin froh, denn so meint sie, wenigstens in vergangenen Zeiten einmal glücklich gewesen zu sein ... Sie blieb also nach seinem Tod mit drei kleinen Kindern zurück in einem abgelegenen, von jeder Kultur abgeschnittenen Winkel, wo auch ich damals wohnte, und sie lebte in so hoffnungsloser Ar-mut, daß ich, obgleich ich im Leben die verschiedensten Dinge gesehen habe, nicht einmal imstande bin, es zu beschreiben. Keiner ihrer Verwandten wollte etwas von ihr wissen. Und sie war ebenfalls stolz, unbändig stolz ... Und da, mein lieber Herr, griff ich ein; ich war gleichfalls Witwer, mit einer vierzehnjährigen Tochter aus erster Ehe ... ich konnte ein solches Leid einfach nicht mit ansehen. Wie weit ihre Armut ging, mögen Sie daran erkennen, daß sie, eine gebil-dete und gut erzogene Frau aus bekannter Familie, einwil-ligte, mich zu heiraten! Aber sie heiratete mich! Weinend und schluchzend und händeringend heiratete sie mich! Denn sie konnte sonst nirgends hin. Verstehen Sie, verstehen Sie, lieber Herr, was es bedeutet, wenn jemand nirgends mehr hin kann? Nein! Das verstehen Sie noch nicht ... Und ein gan-zes Jahr erfüllte ich meine Pflicht, ehrenhaft und getreulich, und ohne das da anzurühren ...« Er stieß mit dem Finger gegen die Schnapsflasche. »Denn ich habe Gefühl. Aber auch damit konnte ich es ihr nicht recht machen. Und dann verlor ich meine Stellung, allerdings nicht durch meine Schuld, son-dern weil der Beamtenstatus geändert wurde, und da begann ich zu trinken! ... Anderthalb Jahre wird es schon her sein, daß wir schließlich nach vielen Irrfahrten und zahlreichen Kümmernissen hierher in unsere prächtige, mit vielen Denk-

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malern geschmückte Hauptstadt kamen. Und hier erhielt ich eine Stellung ... Ich erhielt sie und verlor sie wieder. Ver-stehen Sie, mein Herr? jetzt verlor ich meine Stellung aber durch eigene Schuld, denn diese Leidenschaft hatte mich schon erfaßt ... Wir hausen in einem Loch bei der Wirtin Amalja Fjodorowna Lippewechsel – aber wovon wir leben und womit wir bezahlen, das weiß ich nicht. Dort wohnen außer uns noch viele andere Leute ... Es ist ein ganz abscheuliches Sodom, mein Herr ... Hm! ... Ja ... Indes wuchs nun das Töchterchen heran, das ich aus erster Ehe hatte, und was meine Tochter von ihrer Stiefmutter ausstehen mußte, als sie heranwuchs – darüber will ich schweigen. Denn obgleich die großmütigsten Gefühle Katerina Iwanowna beseelen, ist sie doch eine hitzige, reizbare Dame und kann tüchtig schel-ten ... Aber wozu sich daran erinnern! Sie können sich ja vorstellen, daß Sonja keine Erziehung genossen hat. Vor vier Jahren versuchte ich ihr Geographie und Weltgeschichte bei-zubringen, aber da ich in diesen Fächern selber nicht allzu gut beschlagen bin und außerdem keine anständigen Lehr-bücher zur Hand waren, denn die Bücher, die ich besessen habe ... Nun, sie waren eben nicht mehr da, diese Bücher ... Und so hatte denn der ganze Unterricht ein Ende. Wir sind bei Kyros von Persien stehengeblieben. Als sie dann in ein reiferes Alter kam, las sie einige Bücher romantischen Inhalts, und kürzlich geriet ihr durch Vermittlung des Herrn Le-besjatnikow noch ein Buch in die Hände, die .Physiologie' von Lewis – kennen Sie es vielleicht? Sie las es mit großem In-teresse und las uns sogar Bruchstücke daraus vor; und das ist nun ihre ganze Bildung. Jetzt wende ich mich ganz von selbst mit der privaten Frage an Sie, mein lieber Herr: kann denn nach Ihrer Ansicht ein armes, aber ehrliches Mädchen mit ehr-licher Arbeit viel verdienen? ... Keine fünfzehn Kopeken am Tag verdient sie, mein Herr, wenn sie ehrbar ist und keine besondere Begabung hat, und auch da muß sie den ganzen Tag arbeiten und darf die Hände nicht einen Augen-blick in den Schoß legen! Und der Staatsrat Klopstock zum Beispiel, Iwan Iwanowitsch – haben Sie den Namen viel-leicht schon gehört? –, hat dabei noch nicht einmal das

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Geld für das Nähen von einem halben Dutzend holländischer Hemden bezahlt, sondern meine Tochter sogar unter Belei-digungen weggeschickt, indem er mit den Füßen stampfte und ihr unanständige Schimpfworte zurief, unter dem Vor-wand, die Hemdkragen wären nicht nach dem richtigen Maß genäht und säßen schief. Und zu Hause hungern die Kinder ... Und Katerina Iwanowna geht händeringend im Zim-mer auf und ab, und auf ihren Wangen treten rote Flecke hervor – was bei dieser Krankheit immer geschieht. ,Da lebst du Schmarotzerin bei uns, ißt und trinkst und genießt die Wärme, und wozu ißt und trinkst du hier, wenn selbst die Kinder oft drei Tage lang kein Stück Brot sehen?' Ich lag damals ... nun ja, Sie wissen! . . . ich lag betrunken da und hörte meine Sonja erwidern – sie ist sehr friedlich und hat eine so sanfte Stimme ... sie hat blondes Haar und immer ein blasses, mageres Gesichtchen –: ,Sagen Sie, Katerina Iwa-nowna, soll ich denn wirklich ein solches Leben anfangen?' Denn Darja Franzowna, eine schlechte und der Polizei zur Genüge bekannte Person, hatte sich schon dreimal durch die Hauswirtin nach ihr erkundigt. ,Warum nicht?' antwortete Katerina Iwanowna höhnisch. ,Wofür willst du dich bewah-ren? Als ob das wunder welche Kostbarkeit wäre!' Aber geben Sie ihr keine Schuld, geben Sie ihr keine Schuld, mein lieber Herr, geben Sie ihr keine Schuld! Das hat sie nicht bei klarem Verstand gesagt, sondern in der Erregung infolge ihrer Krank-heit und gereizt durch das Weinen der Kinder, die nichts gegessen hatten, und es war mehr der Beleidigung halber ge-sagt als im wörtlichen Sinn so gemeint ... Denn Katerina Iwanowna hat eben einen solchen Charakter, und sobald die Kinder zu weinen anfangen, und wäre es auch nur aus Hunger, prügelt sie sie sofort. Und da sah ich, daß So-njetschka aufstand – es war gegen sechs Uhr –, ihr Kopf-tuch und den Mantel mit der Kapuze nahm und die Woh-nung verließ. Gegen neun Uhr kam sie wieder. Sie kam, ging geradewegs auf Katerina Iwanowna zu und legte ihr schwei-gend dreißig Silberrubel auf den Tisch. Dabei sprach sie kein Sterbenswörtchen; sie blickte überhaupt nicht auf, son-dern nahm nur unseren großen grünen Wollplaid – wir

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haben gemeinsam so einen Plaid aus Wolle –, verhüllte damit Gesicht und Kopf und legte sich aufs Bett, das Gesicht zur Wand gekehrt; nur ihre Schultern und ihr Körper zitterten unaufhörlich... Und ich lag noch immer in dem gleichen Zu-stand da ... Und da sah ich, junger Mann, da sah ich später, wie Katerina Iwanowna, ebenfalls ohne ein Wort zu spre-chen, zu dem Bett Sonjetschkas ging und den ganzen Abend vor ihr auf den Knien lag, ihre Füße küßte und nicht auf-stehen wollte; und dann schliefen beide gemeinsam so ein, indem sie einander in den Armen hielten ... beide ... beide ... Ja, mein Herr ... und ich ... ich lag betrunken da.«

Marmeladow schwieg, als ob ihm die Stimme versagte. Dann schenkte er sich hastig ein, trank sein Glas auf einen Zug leer und ächzte.

»Seitdem, mein Herr«, sprach er nach einigem Schweigen weiter, »seitdem war infolge eines unangenehmen Zwischen-falls und auf Grund von Anzeigen übelwollender Personen – an denen besonders Darja Franzowna beteiligt war, an-geblich weil wir es an der gebührenden Hochachtung fehlen ließen –, seitdem war meine Tochter, Sofja Semjonowna, genötigt, sich einen gelben Ausweis geben zu lassen, und konnte aus diesem Grunde nicht mehr bei uns bleiben. Denn weder die Hauswirtin, Amalja Fjodorowna – und sie selber hat dabei doch Darja Franzowna unterstützt! –, noch auch Herr Lebesjatnikow wollten das zulassen ... hm! ... Denn Sonjas wegen passierte diese Geschichte mit Katerina Iwanow na. Zuerst stellte er selber Sonjetschka nach, plötz-lich aber kamen ihm Flausen in den Kopf. ,Wie soll ich, ein so gebildeter Mensch, mit einer solchen Person in ein und derselben Wohnung leben?' Katerina Iwanowna aber wollte ihm das nicht durchgehen lassen und mischte sich ein ... Nun, und so geschah es ... Und jetzt kommt Sonjetschka zumeist in der Dämmerung zu uns und unterstützt Katerina Iwanow-na und greift ihr nach Kräften mit Geld unter die Arme ... Sie lebt in der Wohnung des Schneiders Kapernaumow, wo sie ein Zimmer gemietet hat. Kapernaumow ist lahm und ein Stotterer, und seine ganze vielköpfige Familie stottert gleichfalls, auch seine Frau ... Sie sind alle in einem einzigen