Buliwyf sagte, daß er davon nichts wisse, noch von Worten dieser Bedeutung.
Aber ich erkannte, daß er nicht sehr überrascht war. Doch in Wahrheit war Buliwyf selten von etwas überrascht. Dergestalt war seine Rolle als Anführer der Krieger und Held für sie. Sagard sprach wiederum: »Tatsächlich hat Rothgar fünf Söhne, und drei sind tot durch die Hand des einen, Wiglif, eines verschlagenen Mannes, dessen Mitverschworener in dieser Angelegenheit der Herold des alten Königs ist. Nur Wulfgar bleibt getreu, und er ist abgereist.« Buliwyf sagte zu Sagard, daß er froh sei, um diese Neuigkeit zu wissen, und ihrer eingedenk sein werde, und damit endete das Gespräch. Niemals zeigten sich Buliwyf oder einer seiner Krieger ob der Worte des Sagard überrascht, und diesem entnahm ich, daß es üblich war für die Söhne eines Königs, sich einander zu entledigen, um den Thron zu erringen.
Überdies trifft es zu, daß von Zeit zu Zeit ein Sohn seinen Vater, den König, ermordet, um den Thron zu erringen, und dies wird gleichermaßen als nichts Bemerkenswertes erachtet, denn die Nordmänner betrachten dies ebenso wie jeden trunkenen Zank unter Kriegern. Die Nordmänner kennen ein Sprichwort, welches da lautet: »Achte auf deinen Rücken«, und sie glauben, daß ein Mann allzeit bereit sein muß, sich zu verteidigen, auch ein Vater gegen seinen eigenen Sohn. Bei unserer Abreise begehrte ich von Herger zu wissen, warum sich auf der dem Land zugekehrten Seite von Trelburg eine weitere Befestigung befinde und doch keine solche zusätzliche Befestigung auf der dem Meer zugekehrten Seite. Diese Nordmänner sind Seefahrer, welche von der See aus angreifen, und doch sagte Herger: »Das Land ist es, welches gefährlich ist.«
Ich befrug ihn: »Warum ist das Land gefährlich?« Und er erwiderte: »Wegen des Dunstes.«
Bei unserer Abreise von Trelburg schlugen die dort versammelten Krieger mit Knüppeln auf ihre Schilde und erzeugten ein lautes Geräusch für unser Schiff, welches Segel setzte. Dies geschah, so sagte man mir, um die Aufmerksamkeit von Odin zu wecken, einem aus der Unzahl ihrer Götter, auf daß Odin die Reise des Buliwyf und seiner zwölf Mannen mit Wohlgefallen betrachte. Obendrein erfuhr ich dies: daß die Zahl dreizehn von Bedeutung für die Nordmänner sei, da der Mond nach ihrer Berechnung im Laufe eines Jahres dreizehnmal gedeiht und stirbt. Aus diesem Grunde müssen alle bedeutenden Unternehmungen die Zahl dreizehn beinhalten. Daher sagte Herger zu mir, daß die Anzahl der Behausungen zu Trelburg dreizehn und überdies drei weitere betrage statt sechzehn, wie ich es ausgedrückt habe. Fürderhin erfuhr ich, daß die Nordmänner eine gewisse Vorstellung davon haben, daß sich das Jahr nicht mit Genauigkeit in die Spanne von dreizehn Monden fügt und daher die Zahl dreizehn nicht beständig und fest in ihrem Bewußtsein ist. Die dreizehnte Spanne wird als zauberkräftig und fremd bezeichnet, und Herger sagte: »Daher wurdet Ihr als Fremdling zum dreizehnten Mann erkoren.« Wahrlich, diese Nordmänner sind abergläubisch bar jeden Einhaltes durch Verstand oder Vernunft oder Gesetz. In meinen Augen schienen sie ungebärdige Kinder zu sein, und doch weilte ich unter ihnen, und so hütete ich meine Zunge. Bald schon war ich froh ob meiner Zurückhaltung, denn diese Ereignisse folgten:
Wir segelten eine geraume Weile seit Trelburg, als ich bedachte, daß die Bewohner einer Stadt niemals zuvor eine Abschiedsfeier mit Schlägen auf die Schilde zur Anrufung des Odin begleitet hatten. Dergestalt sprach ich Herger an. »Das ist wahr«, entgegnete er. »Es gibt einen besonderen Grund, Odin anzurufen, denn wir befinden uns nun auf der See der Ungeheuer.«
Dies dünkte mich als Beweis ihres Aberglaubens. Ich erkundigte mich, ob jemals einer der Krieger ein solches Ungeheuer gesehen habe. »In der Tat, wir alle haben sie gesehen«, sagte Herger. »Wie anders sollten wir um sie wissen?« Am Ton seiner Stimme konnte ich erkennen, daß er mich ob meines Unglaubens für einen Toren hielt. Einige Zeit war verstrichen, als es einen Ausruf gab und sämtliche Krieger des Buliwyf standen und auf die See deuteten, derweil sie Ausschau hielten und miteinander schrien. Ich fragte Herger, was geschehen sei. »Wir sind nun unter den Ungeheuern«, sagte er und wies mit der Hand. Nun ist der Ozean in diesem Gebiete äußerst aufgewühlt. Der Wind bläst mit grimmer Kraft und tunkt weißen Schaum auf die gekräuselte See und speit Wasser ins Gesicht eines Seemannes und täuscht ihm allerlei Gesichte vor. Viele Minuten lang beobachtete ich die See und erlebte keinerlei Anblick dieses Seeungeheuers, und ich hatte keinen Grund zu glauben, was sie sagten. Dann schrie einer aus ihrer Mitte zu Odin, ein geschrienes Gebet, in welchem er den Namen oftmals flehentlich wiederholte, und darauf sah auch ich mit eigenen Augen das Seeungeheuer. Es war von der Gestalt einer riesigen Schlange, welche niemals das Haupt aus den Fluten reckte, doch sah ich, wie sein Leib sich wand und verdrehte, und es war sehr lang und breiter als der Nordmänner Boot und von schwarzer Färbung. Das Seeungeheuer spie Wasser in die Luft wie ein Springbrunnen, und tauchte dann hinab, wobei es den Schwanz hob, welcher zwiegespalten war wie die gegabelte Zunge einer Schlange. Doch war er gewaltig, so daß ein jeglicher Teil des Schwanzes breiter war denn der längste Palmwedel.
Nun sah ich ein weiteres Ungeheuer und noch eines, und nach diesem noch eines; es schienen vier und vielleicht sechs oder sieben zu sein. Ein jegliches betrug sich wie seine Gefährten, schlängelte sich durch das Wasser, spie einen Strahl und reckte einen riesigen, zwiegespaltenen Schwanz. Bei diesem Anblick schrien die Nordmänner Odin um Beistand an, und nicht wenige unter ihnen sanken zitternd auf dem Deck in die Knie. Wahrlich, ich sah mit eigenen Augen überall um uns die Seeungeheuer im Ozean, und dann, nachdem einige Zeit verstrichen war, waren sie alle verschwunden, und wir sahen sie nicht wieder. Die Krieger des Buliwyf widmeten sich von neuem ihrem seemännischen Geschick, und kein Mann sprach von den Ungeheuern, doch ich hatte noch lange danach große Angst, und Herger erzählte mir, daß mein Gesicht so weiß sei wie das Gesicht eines nordischen Menschen, und er lachte. »Was sagt Allah dazu?« fragte er mich, und darauf wußte ich keine Antwort.(Dieser Bericht, der sich offensichtlich auf eine Begegnung mit Walen bezieht, wird von zahlreichen Gelehrten angefochten. Er erscheint im Manuskript des Razi ebenso wie hier, doch in Sjogrens Übersetzung ist er weitaus kürzer; außerdem wird es dargestellt, als ob die Nordmänner dem Araber bewußt einen Streich spielten. Nach Sjogren wußten die Nordmänner durchaus über Wale Bescheid und konnten sie sehr wohl von Seeungeheuern unterscheiden. Andere Gelehrte, darunter Hassan, bezweifeln, daß Ibn Fadlan nichts von der Existenz von Walen wußte, wie es hier der Fall zu sein scheint.) Am Abend landeten wir an und entfachten ein Feuer, und ich erkundigte mich bei Herger, ob die Seeungeheuer jemals ein Schiff auf dem Meere angriffen, und wenn dies so sei, in welcher Gestalt dies geschehe, denn ich hatte von keinem dieser Ungeheuer den Kopf gesehen. Herger antwortete, indem er Ecthgow rief, einen der Edlen und den Stellvertreter des Buliwyf. Ecthgow war ein ehrwürdiger Krieger, der nicht fröhlich war, es sei denn, er war trunken. Herger sagte, daß er sich auf einem Schiff befunden habe, welches angegriffen ward. Ecthgow sagte dieses zu mir: daß die Seeungeheuer größer sind als alles, was auf dem Lande kreucht, und größer als jegliches Schiff auf dem Meere, und wenn sie angreifen, schwimmen sie unter ein Schiff und heben es in die Luft und schleudern es zur Seite wie ein Stück Holz und zermalmen es mit ihrer gegabelten Zunge. Ecthgow sagte, daß sich dreißig Männer auf seinem Schiff befanden, und nur er und außerdem zwei weitere hatten dank der Gnade der Götter überlebt. Ecthgow sprach in gewöhnlicher Redensart, was für ihn sehr ernsthaft war, und ich glaubte, daß er die Wahrheit sprach.