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Überdies teilte mir Ecthgow mit, die Nordmänner wüßten, daß die Ungeheuer ein Schiff angreifen, weil sie sich mit dem Schiffe zu paaren begehren und es fälschlich für ihresgleichen halten. Aus diesem Grunde bauen die Nordmänner ihre Schiffe nicht übergroß. Herger sagte zu mir, daß Ecthgow ein großer und ob seiner Schlachten gerühmter Krieger sei und daß man ihm in allen Dingen glauben müsse.

Die nächsten zwei Tage segelten wir zwischen den Inseln des Dänenlandes, und am dritten Tage kreuzten wir einen Streifen offenen Fahrwassers. Hier hatte ich Angst, weiteren Seeungeheuern zu begegnen, doch geschah dies nicht, und schließlich erreichten wir ein Gebiet namens Venden. Diese Vendenlande sind bergig und abweisend, und die Männer des Buliwyf in dessen Boot nahten ihm unter Bangen und dem Töten eines Huhnes, welches dergestalt in den Ozean geworfen ward: Der Kopf ward vom Bug des Schiffes geworfen, und der Leib des Huhnes ward vom Heck geworfen, nahe dem Steuermann. Wir legten nicht unmittelbar in diesem neuen Vendenlande an, sondern segelten entlang der Küste, bis wir schließlich ins Königreich des Rothgar gelangten. Zuerst sah ich es dergestalt: Hoch auf einer Klippe, wo sie die Sicht über die tobende graue See beherrschte, stand eine gewaltige, große Halle aus Holz, stark und eindrucksvoll. Ich sagte zu Herger, dies sei ein großartiger Anblick, doch Herger und sein gesamtes, von Buliwyf angeführtes Gefolge stöhnte und schüttelte die Köpfe. Ich erkundigte mich bei Herger, weshalb dies so sei. Er sagte: »Rothgar wird Rothgar der Eitle genannt, und seine große Halle ist das Merkmal eines eitlen Mannes.« Ich sagte: »Weshalb sprecht ihr so? Wegen seiner Größe und Pracht?« Denn wahrlich, da wir näher kamen, sah ich, daß die Halle reich verziert war mit Schnitzereien und Silberbeschlägen, welche von weitem funkelten. »Nein«, sagte Herger, »wegen der Art, wie er seine Niederlassung angesiedelt hat, sage ich, daß Rothgar eitel ist. Er fordert die Götter heraus, auf daß sie ihn niederstrecken, und er gibt vor, mehr zu sein denn ein Mann, und so wird er gestraft.«

Niemals habe ich eine unbezwinglichere Halle gesehen, und ich sagte zu Herger: »Diese Halle kann nicht angegriffen werden; wie kann Rothgar niedergestreckt werden?« Herger verlachte mich und sagte dieses: »Ihr Araber seid töricht über alle Maßen und kennt nicht das Walten der Welt. Rothgar verdient das Unglück, welches über ihn gekommen ist, und nur wir sind es, welche ihn erretten können, und vielleicht nicht einmal dies.« Diese Worte verwirrten mich fürderhin. Ich blickte zu Ecthgow, dem Stellvertreter des Buliwyf, und sah, daß er im Boote stand und eine tapfere Miene wahrte, und doch bebten seine Knie, und es war nicht die Strammheit des Windes, welche sie so beben ließ. Er hatte Angst; allesamt hatten sie Angst; und ich wußte nicht, warum dies so war.

Das Königreich des Rothgar im Lande Venden

Das Schiff war zur Stunde des Nachmittagsgebetes angelandet, und ich bat ob der nicht vollzogenen Anrufung um die Vergebung Allahs. Doch war ich nicht dazu in der Lage gewesen durch die Gegenwart der Nordmänner, welche meine Gebete als einen Fluch über sie wähnten und mich zu töten drohten, so ich vor ihren Augen betete. Ein jeglicher Krieger auf dem Boot kleidete sich in Kampfgewänder, welche dergestalt waren: zuerst Stiefel und Beinkleider aus rauher Wolle und darüber ein Mantel aus schwerem Pelz, welcher bis zu den Knien reichte. Darauf nahm ein jeglicher Mann sein Schwert und schnallte es an seinen Gurt; ein jeglicher Mann ergriff seinen weißen Schild aus Häuten und seinen Speer; ein jeglicher Mann setzte einen Helm aus Metall oder Leder auf sein Haupt; (Auf volkstümlichen Darstellungen werden die Skandinavier stets mit gehörnten Helmen gezeigt. Dies ist ein Anachronismus; zur Zeit von Ibn Fadlans Besuch wurden solche Helme bereits seit mehr als tausend Jahren, seit der frühen Bronzezeit, nicht mehr getragen.) dergestalt waren alle Männer gleich, ausgenommen einzig Buliwyf, welcher sein Schwert in der Hand trug, so groß war es.

Die Krieger blickten hinauf zu der großen Halle des Rothgar und bestaunten ihr schimmerndes Dach und die kunstfertige Gestaltung mit hoch aufragenden Giebeln und reichem Schnitzwerk und waren einig darin, daß es dergleichen nicht auf der Welt gab. Doch sprachen sie bar jeder Hochachtung. Endlich brachen wir vom Schiffe auf und zogen über eine mit Stein gepflasterte Straße hinauf zu der großen Halle. Das Klappern der Schwerter und das Rasseln der Panzer erzeugte einen beträchtlichen Lärm. Nachdem wir eine kurze Strecke gegangen waren, sahen wir am Wegesrand, auf einen Stock gesteckt, das abgetrennte Haupt eines Ochsen. Dieses Tier war frisch getötet. Sämtliche Nordmänner seufzten und schnitten kummervolle Mienen ob dieses Omens, welches für mich keine Bedeutung besaß. Mittlerweile war ich gewöhnt an ihren Brauch des Tieretötens bei der geringsten Nervenschwäche oder Herausforderung. Doch dieses Ochsenhaupt hatte eine besondere Bewandtnis.

Buliwyf blickte weg, über die Felder im Lande des Rothgar, und sah dort ein abgelegenes Gehöft von der Art, wie es üblich ist im Rothgarlande. Die Wände dieses Hauses waren aus Holz und mit einem Brei aus Lehm und Stroh abgedichtet, welcher nach den häufigen Regenfällen ergänzt werden muß. Das Dach besteht aus strohigem Material und überdies Holz. Im Inneren des Hauses gibt es nur den Erdboden und eine Feuerstelle und den Dung von Tieren, denn die Landleute schlafen wegen der von ihren Leibern abgesonderten Wärme mit den Tieren im Hause, und dann verwenden sie den Dung zum Feuern. Buliwyf erteilte einen Befehl, daß wir uns zu diesem Gehöft begeben sollten, und so brachen wir auf über die Felder, welche grünten, aber durchnäßt und schlammig unter den Füßen waren. Ein- oder zweimal blieb die Schar stehen und musterte den Boden, bevor sie weiterzog, doch nie sah sie etwas, was für sie von Belang war. Ich selbst sah nichts. Doch wieder ließ Buliwyf sein Gefolge anhalten und deutete auf die dunkle Erde. Wahrlich, ich sah mit eigenen Augen den Abdruck eines bloßen Fußes - tatsächlich zahlreicher Füße. Sie waren flach und ekelhafter als jegliches in der Schöpfung Bekannte. An jedem Zeh befand sich die scharfe Einkerbung eines Hornnagels oder einer Klaue; dadurch wirkte die Form menschlich und doch wieder nicht menschlich. Dies sah ich mit eigenen Augen und konnte doch kaum dem Zeugnis meiner Sinne glauben.

Buliwyf und seine Krieger schüttelten ob dieses Anblicks ihre Köpfe, und ich hörte sie ein ums andere Mal ein Wort wiederholen: »Wendol« oder »Wendion« oder so ähnlich. Die Bedeutung dieses Namens war mir nicht bekannt, und ich spürte, daß Herger in diesem Augenblick nicht gefragt werden sollte, denn er war wie alle übrigen besorgt. Wir stießen näher vor zu dem Gehöft, derweil wir hin und wieder weitere dieser hornigen Fußabdrücke in der Erde sahen. Buliwyf und seine Krieger schritten langsam, doch geschah dies nicht aus Vorsicht; kein Mann zückte seine Waffe; vielmehr handelte es sich um eine Gefahr, welche ich nicht verstand und doch ebenso verspürte wie sie.

Endlich gelangten wir zum Wohnhaus des Gehöfts und betraten es. Im Bauernhause sah ich mit eigenen Augen dieses Bild: Da lag ein Mann von jungen Jahren und anmutiger Gestalt, von dessen Leib Glied um Glied gerissen war. Der Rumpf befand sich hier, ein Arm da, ein Bein dort. Blut klebte in dicken Lachen auf dem Boden und an den Wänden, am Dache, auf jeglicher Fläche in solcher Fülle, daß das Haus wie mit rotem Blute getüncht schien. Überdies lag da eine Frau, von welcher in nämlicher Weise Glied um Glied gerissen war. Überdies ein Knabe, ein Kind von zwei Jahren oder weniger, dessen Haupt von den Schultern gefetzt war, wodurch vom Leibe nur der blutige Stumpf verblieben.

All dieses sah ich mit eigenen Augen, und es war der furchtbarste Anblick, dessen ich jemals teilhaftig ward. Ich erleichterte mich und war für eine Stunde schwächlich, worauf ich mich noch einmal erleichterte. Niemals werde ich das Verhalten dieser Nordmänner verstehen, denn selbst als ich siech war, da wurden sie ruhig und nüchtern im Angesicht dieses Schreckens; sie betrachteten alles, dessen sie ansichtig wurden, in ruhiger Art; sie besprachen die Klauenmale an den Gliedmaßen und die Art, wie das Fleisch zerrissen war. Große Beachtung verwandten sie auf die Tatsache, daß sämtliche Köpfe fehlten; überdies wurden sie des allerteuflischsten Merkmals von allem gewahr, dessen ich mich selbst heute nur unter Verzagtheit entsinne.