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Der Leib des Knaben war von Zähnen, welche nicht menschlich waren, am weichen Fleische auf der Rückseite des Schenkels angefressen. Ebenso war der Bereich um die Schulter dergestalt angefressen. Dieses nämliche Grauen sah ich mit eigenen Augen.

Die Krieger des Buliwyf schnitten grimme Mienen und brüteten finster, als sie das Gehöft verließen. Weiterhin schenkten sie der weichen Erde um das Haus große Beachtung, wobei sie bemerkten, daß es keinerlei Hufabdrücke von Pferden gab; dies war für sie von einiger Bewandtnis. Ich verstand nicht, warum. Auch war ich nicht sehr aufmerksam, da ich mich noch immer schwach im Herzen und elend am Leibe fühlte.

Als wir die Felder durchschritten, machte Ecthgow eine Entdeckung, welche dergestalt war: Es war ein kleines Stück Stein, kleiner denn eines Kindes Faust, und es war geglättet und auf grobe Art behauen. Sämtliche Krieger versammelten sich darum und musterten es, darunter auch ich. Ich sah, daß es der Rumpf einer Schwangeren war. Es gab kein Haupt, keine Arme und keine Beine; nur den Rumpf mit einem mächtig geschwollenen Bauche und darüber zwei herabbaumelnde, geschwollene Brüste. (Die beschriebene Figurine stimmt weitgehend mit diversen Skulpturen überein, wie sie von Archäologen in Frankreich und Österreich entdeckt wurden.)

Mich dünkte dieses Machwerk außerordentlich grobschlächtig und häßlich, doch nicht mehr. Die Nordmänner indes waren mit einem Male bestürzt und bleich und zitternd; ihre Hände zuckten vor der Berührung zurück, und schließlich schleuderte Buliwyf es auf den Boden und zerschmetterte es mit dem Griff seines Schwertes, bis nur mehr zersplitterte Bruchstücke aus Stein verblieben. Und darauf war etlichen unter den Kriegern elend, und sie erleichterten sich auf den Boden. Und das allgemeine Entsetzen war zu meiner Verwirrung sehr groß. Nun brachen sie zu der großen Halle des Königs Rothgar auf.

Kein Mann sprach während unseres Marsches, welcher den gut Teil einer Stunde währte; ein jeglicher der Nordmänner schien in bittere und verzehrende Gedanken gehüllt, und doch zeigten sie keinerlei Furcht mehr.

Endlich begegnete uns ein Herold auf einem Pferd und versperrte uns den Weg. Er bemerkte die Waffen, welche wir mit uns führten, und das Gebaren der Schar des Buliwyf und stieß einen Warnschrei aus.

Herger sagte zu mir: »Er begehrt unsere Namen zu wissen, und barsch obendrein.«

Buliwyf gab dem Herold eine Antwort, und seinem Ton entnahm ich, daß Buliwyf nicht nach vornehmen Höflichkeiten zumute war. Herger sagte zu mir: »Buliwyf erklärt ihm, daß wir Untertanen von König Higlac aus dem Königreich von Yatlam sind und daß wir in einem Auftrag für König Rothgar unterwegs sind und mit ihm sprechen wollen.« Und Herger fügte hinzu: »Buliwyf sagt, daß Rothgar ein höchst würdiger König ist«, doch vermittelte der Ton des Herger eine entgegengesetzte Bedeutung. Der Herold gebot uns, weiter zur großen Halle zu ziehen und davor zu warten, derweil er dem König unsere Ankunft mitteilte. Dies taten wir, obzwar Buliwyf und seine Schar nicht erfreut waren ob solchen Umganges; es gab allerlei Grollen und Murren, denn es ist der Nordmänner Brauch, gastfreundlich zu sein, und dergestalt draußen zu bleiben dünkte sie nicht höflich. Doch sie warteten und legten überdies ihre Waffen ab, ihre Schwerter und Speere, doch nicht ihre Panzer, und sie ließen die Waffen außerhalb der Tür zu der Halle.

Nun war die Halle auf allen Seiten von Behausungen nach der Art des nördlichen Volkes umgeben. Diese waren lang, mit geschwungenen Seiten, wie zu Trelburg; doch sie unterschieden sich in der Anlage, denn hier gab es keine Plätze. Noch waren Befestigungen oder Erdwälle zu sehen. Vielmehr senkte sich der Boden von der großen Halle und den Langhäusern darum hinab zu einer langen, flachen grünen Ebene, auf welcher man hier und da ein Gehöft sah, und dann, dahinter, die Hügel und den Rand eines Waldes. Ich erkundigte mich bei Herger, wessen Langhäuser dies seien, und er sagte zu mir: »Einige gehören dem König, und andere sind für seine königliche Familie und andere für seine Edlen und überdies für seine Diener und niederen Angehörigen seines Hofes.« Er sagte außerdem, daß es ein schwieriger Ort sei, obgleich ich die Bedeutung darin nicht verstand.

Darauf ward uns gestattet, die große Halle des Königs Rothgar zu betreten, welche, wie ich wahrlich sage, als eines der großen Wunder auf der ganzen Welt zu betrachten ist, und dies um so mehr ob ihres Platzes in dem derben Nordlande. Diese Halle wird unter Rothgars Gefolge mit dem Namen Hurot bedacht, denn die Nordmänner geben den Dingen ihres Lebens, den Bauwerken und Booten und den Waffen zumal, die Namen von Menschen. Nun sage ich: Diese Hurot, die große Halle des Rothgar, war so geräumig wie des Kalifen Hauptpalast und in reichem Maße ausgelegt mit Silber und selbst einigem Gold, welches höchst selten im Norden ist. Auf allen Seiten befanden sich Verzierungen und Schmuckwerk von größter Pracht und reich an Kunstfertigkeit. Es war wahrhaft ein Denkmal der Macht und Herrlichkeit des Königs Rothgar. Dieser König Rothgar saß am anderen Ende der Hurot-Halle, einem so riesigen Raume, in welchem er so fern war, daß wir ihn schwerlich wahrnehmen konnten. Hinter seiner rechten Schulter stehend, weilte der nämliche Herold, welcher uns aufgehalten. Der Herold erging sich in einer Rede, welche, wie Herger mir mitteilte, dergestalt lautete: »Hier, o mein König, ist eine Schar Krieger aus dem Königreich von Yatlam. Sie sind jüngst angekommen über das Meer, und ihr Anführer ist ein Mann mit Namen Buliwyf. Sie erbitten die Erlaubnis, Euch von ihrem Auftrage zu berichten, o mein König. Verwehrt ihnen nicht den Zutritt; sie besitzen das Betragen von Edelmännern, und ob seines Gebarens ist ihr Häuptling ein mächtiger Krieger. Begrüßt sie wie Edelmänner, o König Rothgar.«

Dergestalt wurden wir vor König Rothgar gebeten. König Rothgar erschien wie ein Mann nah dem Tode. Er war nicht jung, sein Haar war weiß, seine Haut war sehr bleich, und sein Gesicht war zerfurcht von Sorge und Not. Er begegnete uns mit Argwohn und verkniffenem Auge, doch vielleicht, ich weiß es nicht, war er nahezu blind. Schließlich hob er zu einer Rede an, welche, wie Herger sagte, dergestalt lautete: »Ich weiß um diesen Mann, denn ich habe nach ihm gesandt in einer heldischen Obliegenheit. Er ist Buliwyf, und ich kannte ihn als Kind, da ich reiste über die Wasser zum Königreich von Yatlam. Er ist der Sohn des Higlac, welcher mein großmütiger Gastgeber gewesen, und nun kommt dieser Sohn zu mir in Zeiten von Not und Sorge.«

Darauf befahl Rothgar, daß die Krieger in die große Halle bestellt werden sollten und Geschenke gebracht und Feierlichkeiten abgehalten.

Darauf sprach Buliwyf eine lange Rede, welche Herger nicht für mich übersetzte, da es eine Ungehörigkeit wäre zu sprechen, derweil Buliwyf sprach. Die Bedeutung indes war diese: daß Buliwyf vom Unheil des Rothgar vernommen, daß er dieses Unheil bedaure, und daß seines eigenen Vaters Königreich durch dieses Unheil zerstört worden, und daß er gekommen sei, das Königreich des Rothgar von dem Übel zu erretten, welches es bedrängte. Noch immer wußte ich nicht, wie die Nordmänner dieses Übel hießen oder wofür sie es erachteten, obgleich ich das Werk jener Bestien erblickt hatte, welche Menschen in Stücke rissen.

Wiederum ergriff König Rothgar das Wort, und er sprach mit Hast. Der Art seines Sprechens entnahm ich, daß er einige Worte zu sagen wünschte, bevor seine sämtlichen Krieger und Edlen eintrafen. Er sagte also (laut Herger): »O Buliwyf, ich kannte Euren Vater, als ich selbst noch ein junger Mann war und neu auf meinem Throne. Nun bin ich alt und betrübt. Mein Haupt neigt sich. Meine Augen weinen vor Scham angesichts meiner Schwäche. Wie Ihr seht, ist mein Thron ein beinahe verwaister Ort. Meine Lande werden zur Wildnis. Nicht aussprechen kann ich, was die Unholde meinem Königreich angetan. Oftmals des Nachts geloben meine Krieger, tapfer vom Trunke, zu bezwingen die Unholde. Und dann, wenn das bleiche Licht der Dämmerung über die dunstigen Felder kriecht, sehen wir blutige Leiber allüberall. Dergestalt ist die Sorge meines Lebens, und ich werde nicht weiter davon sprechen.« Nun ward eine Bank herausgebracht und ein Mahl vor uns aufgetischt, und ich begehrte von Herger zu wissen, was die Bewandtnis dieser »Unholde« sei, von welchen der König gesprochen. Herger ward wütend und sagte, niemals wieder sollte ich fragen.