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Darauf sagte der alte Mann, daß ich ein Fremdling sei, und er wolle mich gerne eines Beßren belehren, und er erzählte mir dies: Der Name »Wendol« oder »Windon« ist ein uralter Name, so alt wie ein jegliches unter den Völkern der nördlichen Lande, und er bedeutet »der schwarze Dunst«. Für die Nordmänner bedeutet dies einen Dunst, welcher im Schütze der Nacht schwarze Unholde heranbringt, welche morden und töten und Menschenfleisch verzehren. (Offenbar waren die Skandinavier von der Verstohlenheit und Bösartigkeit dieser Kreatur mehr beeindruckt als von ihrem Kannibalismus. Jensen weist darauf hin, daß Kannibalismus für die Normannen deshalb abstoßend gewesen sein könnte, weil dadurch die Aufnahme in das Walhalla erschwert würde; für diese Ansicht gibt er keinerlei Beweis. Für Ibn Fadlan mit seiner umfassenden Bildung jedoch mögen mit dem Gedanken an Kannibalismus gewisse Schwierigkeiten im Leben nach dem Tode verbunden gewesen sein. Der Verzehrer der Toten ist eine wohlbekannte Gestalt der ägyptischen Mythologie, eine furchtbare Bestie mit dem Kopf eines Krokodils, dem Rumpf eines Löwen und dem Hinterteil eines Flußpferdes. Dieser Verzehrer der Toten verschlingt nach dem Großen Gericht die Verdammten. Man sollte durchaus bedenken, daß ritueller Kannibalismus in der einen oder anderen Form und aus dem einen oder anderen Grunde während eines Großteils der Menschheitsgeschichte weder selten noch außergewöhnlich war. Sowohl der Pekingmensch als auch der Neandertaler waren offensichtlich Kannibalen; ebenso waren dies, zu unterschiedlicher Zeit, die Skythen, die Chinesen, die Iren, die Peruaner, die Mayoruna, die Jaga, die Ägypter, die australischen Aborigines, die Maori, die Griechen, die Huronen, die Irokesen, die Pawnee, die Ashanti. Zu der Zeit, da Ibn Fadlan in Skandinavien weilte, befanden sich andere arabische Händler in China, von wo sie berichteten, daß Menschenfleisch - als »zweibeiniger Hammel« bezeichnet - in aller Offenheit und mit gesetzlicher Billigung auf den Märkten verkauft wurde. Martinson weist darauf hin, daß die Normannen Kannibalismus deshalb als abstoßend empfunden haben könnten, weil sie glaubten, mit dem Fleisch der Krieger würden Frauen gespeist, vor allem die Mutter der Wendol. Auch für diese Ansicht gibt es keinerlei Beweis, doch würde dies den Tod eines nordischen Kriegers gewiß beschämender erscheinen lassen.) Die Unholde sind behaart und von widerlichem Geruch und Wesen; sie sind wild und verschlagen; sie sprechen keinerlei menschliche Sprache, und doch bereden sie sich untereinander; sie kommen des Nachts mit dem Nebel und verschwinden bei Tag - dorthin, wo kein Mensch zu folgen wagt. Der alte Mann sagte zu mir folgendes: »Auf vielerlei Art erkennt man die Gebiete, da die Unholde des schwarzen Dunstes hausen. Von Zeit zu Zeit jagen Krieger zu Pferd einen Hirsch mit Hunden, und sie hetzen den Hirsch über Berg und Tal durch viele Meilen Waldes und offenen Lands. Und darob gelangt der Hirsch zu einem marschigen See oder brackigen Sumpf, und hier bleibt er stehen, da er sich eher von den Bissen der Hunde zerreißen läßt, denn in dieses abscheuliche Gebiet vorzudringen. Daher kennen wir die Gebiete, wo die Wendol leben, und wir wissen, daß nicht einmal die Tiere dorthin vordringen. Ich verlieh meiner übergroßen Verwunderung ob dieser Geschichte Ausdruck, in der Absicht, dem alten Mann weitere Worte zu entlocken. Herger warf mir einen drohenden Blick zu, doch schenkte ich ihm keine Beachtung. Dergestalt fuhr der alte Mann fort: »In alten Zeiten ward der schwarze Dunst von allen Nordmännern in jeglichem Gebiete gefürchtet. Seit meinem Vater und dessen Vater und zuvor dessen Vater hat kein Nordmann den schwarzen Dunst erblickt, und die jungen Krieger betrachteten uns als alte Narren, da wir der uralten Geschichten voll des Grauens und der Verwüstungen gedachten. Doch die Häuptlinge der Nordmänner in sämtlichen Königreichen, selbst in Norwegen, waren stets vorbereitet auf die Rückkehr des schwarzen Dunstes. All unsere Städte und Festungen sind zur Landseite hin geschützt und befestigt. Seit den Tagen des Vaters vom Vater meines Vaters haben sich die Menschen dergestalt verhalten, und niemals haben wir den schwarzen Dunst erblickt. Nun ist er zurückgekehrt.« Ich erkundigte mich, warum der schwarze Dunst zurückgekehrt sei, und er senkte die Stimme und hob zu dieser Erwiderung an: »Der schwarze Dunst rührt von der Eitelkeit und Schwäche des Rothgar her, welcher die Götter mit törichtem Prunk beleidigt und die Unholde in Versuchung geführt durch die Errichtung seiner großen Halle, welche über keinerlei Schutz auf der Landseite verfügt. Rothgar ist alt, und er weiß, daß man seiner nicht gedenken wird ob siegreich geschlagener Schlachten, und so errichtete er diese prunkvolle Halle, welche im Gespräch der ganzen Welt ist und seine Eitelkeit stillt. Rothgar beträgt sich wie ein Gott, doch er ist ein Mann, und die Götter haben den schwarzen Dunst gesandt, ihn zu Fall zu bringen und Erniedrigung zuzufügen.«

Ich sagte zu diesem alten Manne, daß Rothgar vielleicht mißachtet werde im Königreich. Er erwiderte dergestalt: »Kein Mann ist so gut, daß er bar jeden Übels wäre, oder so schlecht, daß er gar nichts taugt. Rothgar ist ein gerechter König, und sein ganzes Leben lang erging es seinem Volke wohl. Weisheit und Reichtum seiner Herrschaft offenbaren sich hier, in der Hurot-Halle, und sie sind prächtig. Sein einziger Fehler ist dergestalt, daß er Verteidigungswerke vergaß, denn unter uns gibt es eine Redensart: >Ein Mann sollte niemals einen Schritt von seinen Waffen weichen.< Rothgar besitzt keine Waffen; er ist zahnlos und schwach; und der schwarze Dunst quillt ungehindert über das Land.«

Ich begehrte mehr zu wissen, doch der alte Mann war ermüdet, und er wandte sich ab von mir und war bald eingeschlafen. Wahrlich, viel Speis und Trank bescherte uns Rothgars Gastfreundschaft, und viele unter den zahlreichen Fürsten und Edlen waren schläfrig. Von der Tafel des Rothgar will ich dies sagen: daß ein jeglicher Mann über Tafeltuch und Teller verfügte und über Löffel und Messer; daß das Mahl aus gekochtem Schwein und Geiß bestand und aus Fisch überdies, denn die Nordmänner nehmen vorlieb mit gekochtem oder gebratenem Fleisch. Dazu gab es Kohl und Zwiebeln in reicher Fülle und Äpfel und Haselnüsse. Ein süßliches, üppiges Fleisch ward mir dargeboten, welches ich nie zuvor gekostet; dies, so ward mir gesagt, sei Elch oder Rentier. Der greulich faulige Trunk namens Met wird aus Honig hergestellt, dann vergoren. Es ist das sauerste, schwärzeste, abscheulichste Gebräu, das jemals ein Mann erfunden, und doch ist es über alle Kenntnis kräftig; ein paar Becher, und die Welt dreht sich. Doch dank Allah trank ich nicht. Nun bemerkte ich, daß Buliwyf und sein ganzes Gefolge in dieser Nacht nicht tranken oder nur spärlich und daß Rothgar dies nicht als Beleidigung hinnahm, sondern eher als natürlichen Verlauf der Dinge erkannte. Es herrschte kein Wind in dieser Nacht; die Kerzen und Feuer der Hurot-Halle flackerten nicht, und doch war es klamm und kalt. Ich sah mit eigenen Augen, wie vor den Toren der Dunst von den Hügeln herunterkroch, das silberne Licht des Mondes verdeckte und alles mit Schwärze umhüllte. Als die Nacht fortschritt, zogen sich König Rothgar und seine Königin zum Schlafe zurück, und die mächtigen Tore der Hurot-Halle wurden verschlossen und verriegelt, und die daselbst verbliebenen Edlen und Fürsten fielen in trunkene Starre und schnarchten lauthals. Darauf gingen Buliwyf und seine Mannen, welche noch immer Rüstung trugen, durch den Raum und löschten die Kerzen und sahen zu, daß die Feuer niedrig und schwach brannten. Ich fragte Herger nach der Bewandtnis dessen, und er teilte mir mit, ich sollte um mein Leben beten und Schlaf vortäuschen. Eine Waffe ward mir gereicht, ein kurzes Schwert, doch war dies wenig tröstlich für mich; ich bin kein Krieger und mir dessen wohl bewußt. Wahrlich, sämtliche Männer täuschten Schlaf vor, und Buliwyf und seine Mannen legten sich zu den schlummernden Leibern von König Rothgars Edlen, welche wahrhaftig schnarchten. Wie lange wir so harrten, weiß ich nicht zu sagen, denn ich glaube, daß ich selbst eine Weile geschlafen habe. Darauf war ich mit einem Male munter und befand mich in einem Zustand unnatürlich scharfer Wachsamkeit. Ich war nicht schläfrig, sondern augenblicklich gespannt und wachsam, derweil ich noch immer auf einer Decke aus Bärenfell am Boden der großen Halle lag. Es herrschte dunkle Nacht; die Kerzen in der Halle brannten niedrig, und ein schwacher Wind wisperte durch die Halle und bewegte die gelben Flammen. Und dann vernahm ich einen tiefen, grunzenden Ton, wie von einem schnüffelnden Schweine, welcher vom Winde zu mir getragen, und ich roch einen Gestank wie von einem verrottenden Leichnam nach einem Monat, und ich fürchtete mich sehr. Dieser schnüffelnde Ton, denn anders vermag ich ihn nicht zu bezeichnen, dieser grollende, grunzende, schnaubende Ton ward lauter und erregter. Er kam von draußen, von der einen Seite der Halle. Darauf vernahm ich ihn von der anderen Seite und darauf von der anderen und wiederum einer anderen. Wahrlich, die Halle war umstellt.