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Bald tauchte ein zweiter Lichtpunkt auf und noch ein anderer und ein weiterer. Ich zählte über ein Dutzend, und darauf zählte ich nicht weiter. Diese glühenden Feuerpunkte tauchten in einer Reihe auf, welche sich wand wie eine Schlange, oder, wahrlich, wie der sich windende Leib eines Drachens. »Seid nun bereit«, sagte Herger zu mir und überdies die Redensart der Nordmänner: »Glück in der Schlacht.« Diesen Wunsch erwiderte ich ihm mit den nämlichen Worten, und er zog von dannen.

Die glühenden Feuerpunkte waren noch immer weit entfernt, doch sie rückten näher. Nun vernahm ich ein Geräusch, welches ich für Donner hielt. Dieses war ein tiefes, fernes Grollen, welches in der dunstigen Luft anschwoll, wie dies im Dunste alle Töne tun. Denn wahrlich, es trifft zu, daß eines Mannes Flüstern im Dunste einhundert Schritt entfernt so deutlich vernommen werden kann, als ob er einem ins eigene Ohr flüstert. Nun hielt ich Ausschau und lauschte, und sämtliche Krieger des Buliwyf ergriffen ihre Waffen und hielten Ausschau und lauschten gleichermaßen, und der Glühwurmdrache namens Korgon stieß herab auf uns mit Donner und Flamme. Ein jeglicher gleißender Punkt ward größer und unheilvoll rot und zuckend und züngelnd; der Leib des Drachens war lang und glitzernd, ein Anblick höchst grimmer Art, und doch empfand ich keine Angst, denn ich entschied nun, daß es sich um Reiter mit Fackeln handeln müßte, und dies erwies sich als wahr. Sodann drangen bald die Reiter aus dem Dunst hervor, schwarze Gestalten mit erhobenen Fackeln, schwarze Rösser in schnaubendem Ansturm, und die Schlacht ward handgemein. Augenblicklich war die Nachtluft erfüllt von grausigem Brüllen und Schmerzensschreien, denn der erste Ansturm der Reiter war auf den Graben gestoßen, und viele Tiere strauchelten und stürzten und entledigten sich ihrer Reiter, und die Fackeln verzischten im Wasser. Andere Pferde suchten den Zaun zu überspringen und wurden gepfählt von den spitzen Stangen. Ein Stück des Zaunes fing Feuer. Krieger rannten in alle Richtungen.

Nun sah ich einen der Berittenen durch das brennende Stück des Zaunes hindurchjagen, und zum ersten Male konnte ich deutlich diesen Wendol erkennen, und wahrlich, ich sah dies: Auf einem schwarzen Rosse ritt eine menschliche Gestalt von schwarzer Färbung, doch ihr Haupt war das Haupt eines Bären. Eine Zeitlang ward ich von einem höchst entsetzlichen Schreck befallen, und ich fürchtete, ich würde einzig aus Furcht sterben, denn niemals zuvor hatte ich einen solch alptraumhaften Anblick erlebt; doch im nämlichen Augenblicke war die Handaxt des Ecthgow tief in den Rücken des Reiters gegraben, welcher umstürzte und fiel, und des Bären Haupt rollte von seinem Leib, und ich sah, daß er darunter das Haupt eines Mannes besaß.

Flink wie ein Blitzstrahl sprang Ecthgow auf das gefallene Wesen, stach ihm tief in die Brust, drehte den Leichnam um und löste die Handaxt aus dem Rücken und stürmte erneut in die Schlacht. Ich geriet ebenso in die Schlacht, denn durch den Hieb mit einer Lanze ward ich jählings von den Beinen gerissen. Viele Reiter mit lodernden Fackeln befanden sich nun innerhalb des Zaunes; manche trugen die Häupter von Bären und manche wiederum nicht; im Kreise ritten sie um die Bauten und die Hurot-Halle und suchten sie in Brand zu stecken. Wacker fochten Buliwyf und seine Krieger wider dies an.

Ich kam auf die Beine, als eines der Dunstwesen mit rasendem Rosse just auf mich einstürmte. Wahrlich, ich tat dies: Ich stand festen Fußes am Boden und hielt die Lanze aufwärts, und ich dachte, der Aufprall würde mich zerschmettern. Doch die Lanze drang durch den Leib des Reiters, und er schrie höchst erschreckend auf, doch fiel er nicht von seinem Tiere und ritt weiter. Keuchend vor Schmerzen in meinem Bauche, sank ich nieder, doch war ich, bis auf einen kurzen Augenblick, nicht wirklich verletzt.

Im Verlaufe dieser Schlacht schossen Herger und Skeld ihre zahllosen Pfeile ab, und die Luft war erfüllt von ihrem Pfeifen, und sie erzielten zahllose Treffer. Ich sah den Pfeil des Skeld durch den Hals eines Reiters dringen und dort steckenbleiben; dann wiederum sah ich Skeld und Herger zugleich einem Manne die Brust durchbohren, und so flink hatten sie wiederum den Bogen gespannt, daß der nämliche Reiter bald vier in seinen Leib gegrabene Schäfte aufwies, und sein Geschrei war höchst grausig, indes er dahinritt. Doch ich erfuhr, daß diese Tat von Herger und Skeld als schlechtes Streiten betrachtet ward, denn die Nordmänner glauben, daß Tieren nichts Heiliges innewohnt; daher besteht für sie die wahre Aufgabe der Pfeile darin, Pferde zu töten, um die Reiter zu stürzen. Sie sagen dazu: »Ein Mann ohne sein Pferd ist ein halber Mann und doppelt leicht zu töten.« Dergestalt verfahren sie ohne jegliches Zögern. Nun sah ich ebenso dieses: Ein Reiter, tief über sein galoppierendes schwarzes Pferd gebeugt, stürmte in das Lager und ergriff den Leib des Ungeheuers, welches Ecthgow erschlagen, warf ihn über seines Pferdes Hals und ritt davon, denn wie ich gesagt habe, hinterlassen diese Dunstwesen keinerlei Tote im Morgenlicht. Eine beträchtliche Zeitspanne tobte die Schlacht im Lichte der durch den Dunst lodernden Feuer. Ich sah Herger in mörderischem Gefecht mit einem der Unholde; ich ergriff eine frische Lanze und trieb sie tief in des Wesens Rücken. Bluttriefend hob Herger zum Danke den Arm und stürzte sich zurück ins Gefecht. Hierauf empfand ich großen Stolz. Nun suchte ich meine Lanze herauszuziehen, und derweil ich dies tat, ward ich von einem vorbeistürmenden Reiter beiseite geschleudert, und von diesem Zeitpunkte an erinnere ich mich wahrhaftig wenig. Ich sah, daß eine der Behausungen der Edlen des Rothgar mit gierig züngelnder Flamme brannte, doch daß die getränkte Hurot-Halle noch immer unangetastet war, und ich war froh, als ob ich selbst ein Nordmann wäre, und dergestalt waren meine letzten Gedanken.

Bei Tagesanbruch ward ich geweckt durch eine Art Abwaschung meiner Gesichtshaut und war erfreut ob der zarten Berührung. Bald darauf erkannte ich, daß ich die Zuwendung eines leckenden Hundes empfing, und fühlte mich sehr wie ein trunkener Tor und war beschämt, wie man sich wohl vorstellen kann. (Die Mehrzahl der frühen Übersetzer von Ibn Fadlans Manuskript waren Christen ohne jede Kenntnis der arabischen Kultur, und ihre Übertragungen dieser Passage spiegeln diese Unwissenheit wider In einer sehr freien Übersetzung formuliert der Italiener Lacalla (1847) »Am Morgen erwachte ich aus meiner trunkenen Starre wie ein gewöhnlicher Hund und war wegen meines Zustandes sehr beschämt « Und Skovmand schließt in seinem Kommentar aus dem Jahre 1919 kurzerhand, daß »man Ibn Fadlans Geschichten keinen Glauben schenken kann, da er während der Schlachten betrunken war und dies auch eingesteht«. Wohlmeinender war da Du Chatellier, ein gestandener Wikingophile, der 1908 meinte: »Der Araber erlag bald schon dem Rausche der Schlacht, welcher die Grundessenz nordischen Heldenmutes darstellt.« Ich bin dem Sufi-Gelehrten Massud Farzan zu Dank verpflichtet, daß es mir die Anspielung erklärte, die Ibn Fadlan hier macht. Tatsächlich vergleicht er sich mit einer Gestalt aus einem sehr alten arabischen Scherz:

Ein betrunkener Mann fallt am Straßenrand in sein eigenes Erbrochenes. Ein Hund kommt des Weges und leckt ihm das Gesicht ab. Der Betrunkene nimmt an, ein freundlicher Mensch reinige ihm das Gesicht, und sagt dankbar: »Möge Allah deine Kinder gehorsam machen.« Dann hebt der Hund das Bein und uriniert auf den Betrunkenen, welcher erwidert: »Und möge Gott dich schützen, Bruder, daß du warmes Wasser gebracht hast, mein Gesicht zu waschen.« Im Arabischen beinhaltet dieser Scherz das übliche Verbot der Trunkenheit, aber auch den subtilen Hinweis, daß Alkohol khmer ist oder Schmutz, genauso wie Urin. Wahrscheinlich erwartet Ibn Fadlan vom Leser keineswegs, daß er annimmt, er sei jemals betrunken gewesen, sondern vielmehr, daß es ihm glücklicherweise erspart blieb, von einem Hund bepinkelt zu werden, so wie er zuvor dem Tod in der Schlacht entrann; es handelt sich, mit anderen Worten, um eine Anspielung darauf, daß er ein weiteres Mal um Haaresbreite davongekommen war.) Nun sah ich, daß ich in dem Graben lag, wo das Wasser rot war wie das eigene Blut; ich erhob mich und schritt durch das rauchende Lager, vorbei an Tod und Zerstörung in jedweder Gestalt. Ich sah, daß die Erde mit Blut getränkt war wie von einem Regen, mit zahllosen Pfützen. Ich sah die Leiber der erschlagenen Edlen und toten Frauen und Kinder desgleichen. Überdies sah ich drei oder vier, deren Leiber verkohlt und verkrustet waren vom Feuer. All diese Leiber lagen überall auf der Erde, und ich war gezwungen, die Augen gesenkt zu halten, wollte ich nicht auf sie treten, so dicht lagen sie hingebreitet.