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Nun sichteten wir ein weiteres Hindernis, grau und groß und in der Ferne. Hier lag ein riesiger Fels, so hoch wie eines Pferdes Sattel, und er war in der Gestalt einer schwangeren Frau behauen, mit hervorquellendem Bauche und Brüsten und ohne Haupt, Arme oder Beine. Dieser Fels war mit dem Blut von Opferungen gesprenkelt; wahrlich, er triefte von Streifen roter Farbe und war abscheulich anzuschauen.

Kein Mann sprach ob des Anblickes, Wir ritten geschwind weiter. Die Krieger zückten ihre Schwerter und hielten sie in Bereitschaft. Hier ist nun eine Eigenart an den Nordmännern: daß sie zuvor Furcht zeigten, doch sobald sie in das Land der Wendol eingedrungen waren, nahe der Ursache der Furcht, schwanden ihre Besorgnisse. Dergestalt scheinen sie alles rückwärts und auf erstaunliche Art zu tun, denn wahrlich, sie wirkten nun gelöst. Allein die Pferde waren es, welche immer schwieriger voranzutreiben waren.

Ich roch nun den fauligen Leichengestank, welchen ich zuvor in der großen Halle des Rothgar gerochen, und als er von neuem in meine Nase drang, ward mir schwach ums Herz. Herger ritt neben mich und sagte mit sanfter Stimme: »Wie ergeht es Euch?«

Nicht imstande, meine Gefühle zu verbergen, sagte ich zu ihm:

»Mir ist bang.«

Herger erwiderte mir: »Dem ist so, weil Ihr an das denkt, was da kommt, und Euch furchtbare Dinge vorstellt, welche einem jeden Manne das Blut gerinnen ließen. Denkt nicht voraus und seid fröhlich im Wissen darum, daß kein Mann auf immer lebt.«

Ich erkannte die Wahrheit in seinen Worten. »In meiner Gesellschaft«, sagte ich, »gibt es eine Redensart, welche da lautet: >Gelobt sei Allah, denn in seiner Weisheit stellte er den Tod ans Ende des Lebens und nicht an den Anfang.<« Herger lächelte darob und lachte kurz. »In der Furcht sprechen selbst Araber die Wahrheit«, sagte er und ritt darauf nach vorne, meine Worte dem Buliwyf mitzuteilen, welcher also lachte. Zu dieser Zeit waren die Krieger des Buliwyf froh um einen Scherz.

Nun gelangten wir zu einem Hügel, und da wir die Kuppe erreichten, rasteten wir und blickten hinab auf die Lagerstätte der Wendol. Hier lag sie vor uns, wie ich mit eigenen Augen sah: Dort befand sich ein Tal, und in diesem Tal ein Ring ungeschlachter Hütten aus Lehm und Stroh von armseliger Bauweise, wie sie ein Kind errichten könnte; und in der Mitte des Ringes ein großes, nun schwelendes Feuer. Doch gab es keinerlei Pferde, keinerlei Tiere, keinerlei Bewegung, keinerlei Lebenszeichen jedweder Art; und dies sahen wir durch die wabernden Schleier aus Dunst.

Buliwyf stieg von seinem Rosse, und die Krieger taten desgleichen, und ich mit ihnen. In Wahrheit schlug mein Herz, und mir stockte der Atem, derweil ich hinabblickte auf die wilde Lagerstätte der Unholde. Wir sprachen unter Flüstern. »Warum ist dort keinerlei Treiben?« fragte ich. »Die Wendol sind Wesen der Nacht, genau wie die Eulen und Fledermäuse«, erwiderte Herger, »und sie schlafen während der Tagesstunden. Daher schlafen sie nun, und wir werden in ihre Mitte hinabsteigen und über sie herfallen und sie in ihren Träumen erschlagen.« »Wir sind so wenige«, sagte ich, denn dort unten gab es zahlreiche Hütten, welche ich wahrnahm. »Wir sind genug«, sagte Herger, und darauf gab er mir einen Schluck Met, welchen ich dankbar trank und Allah darob pries, daß dies nicht verboten ist oder gar mißbilligt wird. (Das Alkoholverbot des Islam bezieht sich wörtlich auf vergorenen Traubensaft, Der Genuß vergorener Getränke aus Honig ist Moslems ausdrücklich erlaubt) In Wahrheit stellte ich fest, daß meine Zunge empfänglich war für dieses nämliche Gebräu, welches ich einst für widerwärtig hielt; dergestalt hören befremdliche Dinge im Wiederholungsfalle auf, befremdlich zu sein. In gleicher Weise beachtete ich nicht länger den gräßlichen Gestank der Wendol, denn ich hatte ihn nun eine geraume Weile gerochen und war mir des Ruches nicht länger bewußt. Die Menschen des Nordens sind angelegentlich des Riechens höchst sonderbar. Sie sind nicht reinlich, wie ich bereits gesagt habe; und sie verzehren allerlei üble Speise und Trank; und doch trifft es zu, daß sie die Nase über alle Teile ihres Leibes schätzen. Im Kampfe ist der Verlust eines Ohres nicht von großem Gewicht; der Verlust eines Fingers oder Zehs oder einer Hand nur wenig mehr; und solche Narben und Verletzungen tragen sie gleichmütig. Doch den Verlust der Nase werten sie ebenso wie den Tod an sich, und dies selbst beim Verlust eines Stückes der fleischigen Spitze, welches, wie andere Menschen sagen würden, eine überaus mindere Verletzung ist. Das Brechen der Knochen in der Nase durch Schlacht oder Schläge ist nicht von Gewicht; viele von ihnen besitzen dessentwegen krumme Nasen. Ich kenne den Grund nicht für diese Furcht vor dem Abtrennen der Nase. Dergestalt gestärkt, ließen die Krieger des Buliwyf, und ich mit ihnen, unsere Rösser auf dem Hügel zurück, doch diese Tiere konnten, so verschreckt waren sie, nicht unbeaufsichtigt bleiben. Einer aus unserer Schar mußte bei ihnen verweilen, und ich hegte Hoffnungen, zu dieser Aufgabe auserkoren zu werden; doch es traf Haltaf, welcher bereits verletzt war und von geringstem Nutzen. Dergestalt stiegen wir durch krankes Gesträuch und sieche Büsche den Abhang hinab zu der Lagerstätte der Wendol. Wir rückten verstohlen vor, und keinerlei Warnruf erschallte, und bald befanden wir uns im Herzen des Dorfes der Dämonen. Buliwyf sprach nicht ein Mal, sondern erteilte sämtliche Anweisungen und Befehle mit den Händen. Und dieser seiner Geste entnahm ich die Bedeutung, daß wir in Gruppen zu zwei Kriegern losziehen sollten, ein jegliches Paar in eine andere Richtung. Herger und ich sollten die uns nächste Lehmhütte angreifen, und die anderen sollten die anderen angreifen. Ein jeder wartete, bis die Gruppen außerhalb der Hütten bereit standen, und darauf hob Buliwyf mit Geheul sein großes Schwert Runding und führte den Angriff an.

Pochenden Blutes im Kopfe, das Schwert leicht wie eine Feder in meinen Händen, stürmte ich mit Herger in eine der Hütten. Wahrlich, ich war bereit für die mächtigste Schlacht meines Lebens. Ich sah nichts darin; die Hütte war verlassen und bar allem, ausgenommen einige ungeschlachte Betten aus Stroh, welche so grob wirkten, daß sie eher den Nestern von Tieren zu ähneln schienen. Wir stürzten hinaus und griffen die nächste dieser Lehmhütten an. Wieder fanden wir sie leer vor. Wahrlich, all diese Hütten waren leer, und die Krieger des Buliwyf waren bitterlich verstört und starrten einander mit dem Ausdruck der Enttäuschung und des Erstaunens an. Darauf rief uns Ecthgow, und wir versammelten uns vor einer dieser Hütten, größer denn jede der anderen. Und hier sah ich, daß sie verlassen war, wie alle anderen verlassen waren, doch der Innenraum war nicht bar allem. Vielmehr war der Boden der Hütte mit zerbrechlichen Knochen übersät, welche zart und spröde wie Vogelknochen unter den Füßen knirschten. Ich war darob höchst überrascht und bückte mich, die Herkunft dieser Knochen zu erkunden. Mit Erschrecken erkannte ich hier die Krümmung einer Augenhöhle, dort ein paar Zähne. Wahrlich, wir standen auf einem Teppich aus den Knochen menschlicher Antlitze, und zum weiteren Beweis dieser grausigen Wahrheit befanden sich, umgekehrt aufeinandergestapelt wie unzählige Tongefäße, doch weißlich schimmernd, hoch an der einen Wand aufgetürmt die Hirnschalen menschlicher Schädel. Mir war übel, und ich verließ die Hütte, mich zu erleichtern. Herger sagte zu mir, daß die Wendol die Hirne ihrer Opfer verzehren, so wie ein Mensch Eier oder Käse verzehrt. Dergestalt ist ihr Brauchtum; so widerwärtig es ist, solch eine Angelegenheit in Erwägung zu ziehen, so trifft es doch zu.