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Nun trug sich dieses Ereignis zu: Tief in der Nacht, als sich die Feierlichkeiten dem Ende zuneigten und die Krieger in Schlaf sanken, suchte mich Buliwyf auf. Er setzte sich neben mich und trank Met aus einem Trinkhorn. Er war, so erkannte ich, nicht berauscht, und er sprach langsam in nordischer Zunge, damit ich seine Aussage verstehen sollte. Zuerst sagte er zu mir: »Habt Ihr die Worte des Zwergentengol verstanden?« Ich erwiderte, dies hatte ich mit Hilfe Hergers, welcher nun neben uns schnarchte.

Buliwyf sagte zu mir: »Dann wißt Ihr, daß ich sterben werde.« Er sprach dergestalt mit klarem Auge und festem Blick. Ich wußte nicht, welche Erwiderung oder Entgegnung ich vorbringen sollte, sondern sagte schließlich nach nordischer Sitte zu ihm: »Glaube keine Weissagung, ehe sie Frucht trägt.« (Dies ist die Umschreibung eines Lebensgefühls unter den Nordmännern, das sich insgesamt so ausdrückt »Lobe den Tag nicht, bevor der Abend anbricht, eine Frau, bevor sie verbrannt, ein Schwert, bevor es geführt, eine Jungfer, bevor sie vermählt, Eis, bevor es überschritten, Bier, bevor es getrunken « Diese weise, realistische und gewissermaßen zynische Betrachtungsweise der menschlichen Natur und der Welt war etwas, was die Skandinavier und die Araber gemein hatten Und ebenso wie die Skandinavier verleihen dieser Betrachtungsweise auch die Araber häufig in weltlichen oder satirischen Begriffen Ausdruck Es gibt eine Sufi-Erzählung über einen Mann, der einen Weisen fragte »Angenommen, ich reise aufs Land und muß meine Waschung im Fluß vollziehen In welche Richtung muß ich blicken, wenn ich das Ritual vollziehe?« Darauf erwidert der Weise »In die Richtung deiner Kleidungsstücke, damit sie dir nicht gestohlen werden «) Buliwyf entgegnete: »Ihr habt auf Euren Wegen allerhand gesehen. Sagt mir, was wahrhaft ist. Könnt Ihr Töne zeichnen?« Ich antwortete, dies könne ich. »Dann achtet auf Eure Sicherheit, und seid nicht über die Maßen tapfer. Ihr kleidet Euch und sprecht nun wie ein Nordmann und nicht wie ein Fremdling. Seht zu, daß Ihr überlebt.« Ich legte meine Hand auf seine Schulter, so wie ich seine Kampfgefährten ihn hatte begrüßen sehen. Darob lächelte er. »Ich fürchte nichts«, sagte er, »und bedarf keines Trostes. Um Euretwillen heiße ich Euch auf Eure Sicherheit achten. Nun sollten wir am klügsten schlafen.« Mit diesen Worten wandte er sich von mir ab und widmete seine Aufmerksamkeit einem Sklavenmädchen, mit welchem er sich keine Dutzend Schritte von meinem Sitzplatze aus vergnügte, und ich wandte mich ab, derweil ich das Stöhnen und Lachen dieser Frau vernahm. Und endlich fiel ich in Schlaf.

Die Donnerhöhlen

Bevor der erste rosige Schein der Morgendämmerung den Himmel erleuchtete, ritten Buliwyf und seine Krieger und ich unter ihnen fort aus dem Königreich des Rothgar und folgten dem Saume der Klippen über der See. An diesem Tage fühlte ich mich nicht wohlauf, denn mein Kopf schmerzte; überdies war mein Magen von den Feierlichkeiten der vorigen Nacht übersäuert. Sicherlich befanden sich sämtliche Krieger des Buliwyf in einem nämlichen Zustand, doch verriet kein Mann ein Anzeichen dieses Ungemaches.

Wir ritten scharf und hielten uns hart am Saume der Klippen, welche überall an dieser Küste hoch und abweisend und schroff sind; in steilen Wänden aus grauem Stein fallen sie ab zu der schäumenden und aufgewühlten See darunter. An manchen Orten entlang dieser Küstenlinie gibt es felsige Strande, doch oftmals stoßen Land und Meer unmittelbar aufeinander, und die Wogen krachen wie Hammer auf die Felsen; und dies war zum größten Teil der Umstand. Ich sah Herger, welcher auf seinem Pferde die Taue der Zwerge aus Robbenhaut mitführte, und ich ritt voran, um neben ihm zu reisen. Ich erkundigte mich, was diesen Tags unser Ansinnen sei. In Wahrheit bekümmerte mich dies nicht sonderlich, so schlimm schmerzte mein Kopf und brannte mein Magen.

Herger sagte zu mir: »An diesem Morgen greifen wir die Mutter der Wendol in den Donnerhöhlen an. Dies werden wir mittels eines Angriffes von der See her vollbringen, wie ich Euch gestern erklärte.«

Derweil ich ritt, blickte ich von meinem Pferd hinab auf die See, welche auf die Felsenklippen klatschte. »Greifen wir mit einem Boote an?« erkundigte ich mich bei Herger. »Nein«, sagte Herger und schlug mit seiner Hand auf die Taue aus Robbenhaut.

Diesem entnahm ich die Bedeutung, daß wir an den Tauen die Klippen hinabklettern wollten und uns dergestalt auf irgendeine Weise Zugang zu den Höhlen verschaffen. Ich war höchst erschreckt ob dieser Aussicht, denn niemals mochte ich mich hohen Orten überantworten; selbst die hohen Bauwerke in der Stadt des Friedens mied ich. Ich verlieh dergleichen Ausdruck.

Herger sagte zur mir: »Seid dankbar, denn Ihr seid vom Glück begünstigt.«

Ich erkundigte mich nach der Ursache meines Glückes. Herger sagte in Erwiderung: »So Ihr Furcht vor hohen Orten habt, werdet Ihr sie an diesem Tage überwinden; und darum habt Ihr Euch einer großen Herausforderung gestellt; und darum werdet Ihr als Held erachtet.« Ich sagte zu ihm: »Ich möchte kein Held sein.« Darauf lachte er und sagte, ich würde diese Ansicht nur äußern, weil ich ein Araber sei. Sodann sagte er überdies, daß ich ein steifes Haupt hätte, womit die Nordmänner die Folgen des Trinkens meinen. Dies traf zu, wie ich bereits erklärt habe. Überdies trifft es zu, daß ich höchst bedrückt war ob der Aussicht, die Klippe hinunterzuklettern. Wahrlich, ich fühlte mich dergestalt: daß ich eher eine jegliche Tat auf dem Antlitz der Erde vollbringen würde, sei es, bei einer Frau in der Monatsblutung zu liegen, aus einem Goldbecher zu trinken, die Ausscheidungen von Schweinen zu verzehren, meine Augen herauszureißen, selbst zu sterben - ein jegliches dieser Dinge würde ich dem Hinabklettern über diese verfluchten Klippen vorziehen. Überdies war ich in schlechter Stimmung. Zu Herger sagte ich: »Ihr und Buliwyf und all Euer Gefolge mögt Helden sein, wie es Eurem Gemüte entspricht, doch habe ich keinen Anteil an dieser Angelegenheit und werde nicht als einer der Euren zählen.«

Auf diese Rede hin lachte Herger. Darauf rief er zu Buliwyf und sprach mit rascher Zunge; Buliwyf antwortete ihm über seine Schulter. Darauf sprach Herger zu mir: »Buliwyf sagt, Ihr werdet es uns gleichtun.« Nun befiel mich wahrhaft Verzweiflung, und ich sagte zu Herger: »Ich kann dies nicht tun. So Ihr mich dazu zwingt, werde ich gewißlich sterben.«

Herger sagte: »Wie werdet Ihr sterben?« Ich sagte zu ihm: »Ich werde an den Tauen den Halt verlieren.«

Diese Antwort rief bei Herger von neuem ein herzliches Lachen hervor, und er wiederholte meine Worte allen Nordmännern, und sie lachten allesamt ob dessen, was ich gesagt. Darauf sprach Buliwyf ein paar Worte. Herger sagte zu mir: »Buliwyf sagt, daß Ihr nur den Halt verlieren werdet, wenn Ihr die Taue aus Euren Händen gleiten laßt, und nur ein Narr würde dergleichen tun. Buliwyf sagt, Ihr seid ein Araber, doch kein Narr.«

Hier ist nun ein wahres Bild vom Wesen des Menschen: daß Buliwyf auf seine Art sagte, ich sollte an den Tauen klettern; und daß ich dies ob seiner Rede ebenso glaubte wie er und in einem leichten Maße fröhlichen Herzens ward. Dies erkannte Herger, und er sprach diese Worte: »Ein jeglicher Mann trägt Furcht in sich, welche ihm eigen ist. Der eine Mann fürchtet geschlossene Räume, und ein anderer Mann fürchtet sich vor dem Ertrinken; ein jeglicher verlacht den anderen und heißt ihn töricht. Darum ist Furcht nur eine Vorliebe und sollte ebenso gewertet werden wie die Vorliebe zu dieser Frau oder einer anderen oder zu Hammel statt Schwein oder Kohl statt Zwiebeln. Wir sagen, Furcht ist Furcht.«