Nun unternahmen sämtliche Krieger des Buliwyf ihren Abstieg; und alle gelangten sicher an, wobei Ecthgow mittels der rohen Kraft seiner Arme als letzter herunterkam, und als er schließlich stand, zitterten seine Beine so unbeherrscht, wie ein Mann im Todeskampfe erbebt; wir warteten einige Augenblicke, bis er wieder bei sich war. Darauf sprach Buliwyf: »Wir werden in das Wasser hineinsteigen und in die Höhle schwimmen. Ich will der erste sein. Tragt eure Dolche zwischen den Zähnen, auf daß eure Arme frei sind, gegen die Strömung anzukämpfen.« Diese Worte neuerlichen Wahnwitzes trafen mich zu einer Zeit, da ich fürderhin nichts mehr ertragen konnte. In meinen Augen war das Vorhaben des Buliwyf töricht über alle Maßen. Ich sah die Wogen herankrachen und auf den zackigen Felsen bersten; ich sah die Wogen wiederum zurückweichen mit einem Sog von gewaltiger Kraft, doch nur, um wiederum Wucht zu erlangen und neuerlich heranzutosen. Wahrlich, ich beobachtete dies, und ich glaubte, daß kein Mann in diesem Wasser schwimmen konnte, sondern daß er vielmehr auf der Stelle zu knochigen Trümmern zerschlagen würde.
Doch brachte ich kein Widerwort vor, denn ich war bar jeden Fassungsvermögens. Meines Denkens nach war ich dem Tode so nah, daß es nicht von Bedeutung war, ob ich ihm noch näher kam. Daher ergriff ich meinen Dolch, welchen ich in meinen Gurt schob, denn meine Zähne klapperten zu heftig, um ihn mit dem Munde festzuhalten. Was die anderen Nordmänner anbetrifft, so verrieten sie keinerlei Anzeichen von Kälte oder Ermattung, sondern begrüßten vielmehr eine jegliche Woge als neuerliche Belebung; überdies lächelten sie in freudiger Erwartung der bevorstehenden Schlacht, und ob des letzteren haßte ich sie.
Buliwyf beobachtete die Bewegung der Wogen, derweil er den rechten Zeitpunkt auserkor, und darauf sprang er in die Gischt. Ich zauderte, und jemand - ich habe stets geglaubt, daß es Herger war - stieß mich. Tief fiel ich in die strudelnde See von betäubender Kälte; wahrlich, ich ward kopfüber davongerissen und seitwärts ebenso. Ich konnte nichts sehen denn grünes Wasser. Dann nahm ich Buliwyf wahr, welcher in die Tiefen der See hinabstieß; und ich folgte ihm nach, und er schwamm in eine Art Durchgang zwischen den Felsen. In jeglichem tat ich es ihm gleich. Dergestalt war sein Vorgehen: Im einen Augenblick sog die Brandung an ihm und suchte ihn in das offene Meer hinauszuziehen und mich ebenso. In diesen Augenblicken ergriff Buliwyf mit beiden Händen einen Fels und hielt sich wider die Strömung fest; dies tat ich ebenso. Mit aller Macht und berstender Lunge hielt ich mich an den Felsen fest. Unmittelbar darauf toste die Sturzsee in die entgegengesetzte Richtung, und ich ward mit furchtbarer Wucht nach vorne gerissen und prallte auf Felsen und Hindernisse. Und darauf wechselte die Brandung wiederum und sog nach rückwärts, wie sie es zuvor getan; und ich ward gezwungen, dem Beispiel des Buliwyf zu folgen und mich an Felsen zu klammern. Nun trifft es zu, daß meine Lunge brannte wie entflammt, und ich wußte im Herzen, daß ich nicht viel länger in dieser eisigen See ausharren konnte. Darauf strömte die Brandung voran, und ich ward kopfüber mitgerissen, schlug hier und dort an, und dann war ich mit einem Male obenauf und atmete Luft.
Wahrlich, dies trug sich mit einer solchen Schnelligkeit zu, daß ich zu überrascht war, Erleichterung zu empfinden, welche das rechte Gefühl war; noch dachte ich daran, Allah ob meines Glückes im Überleben zu preisen. Ich schnappte nach Luft, und rund um mich her ruhten die Krieger des Buliwyf mit ihren Häuptern auf der Wasserfläche und keuchten gleichermaßen. Hier folgt nun, was ich sah: Wir befanden uns in einer Art Teich oder See im Inneren einer Höhle mit einer glatten felsigen Kuppel und einem Eingang zur See, durch welchen wir just vorgedrungen waren. Unmittelbar vor uns befand sich ein flacher felsiger Raum. Ich sah drei oder vier dunkle Gestalten um ein Feuer kauern; diese Wesen sangen mit hohen Stimmen. Nun verstand ich überdies, weshalb dies die Höhle des Donners geheißen ward, denn bei jedem Krachen der Brandung hallte die Höhle mit solch einer Macht wider, daß die Ohren schmerzten und die Luft höchst selbst zu schwingen und zu beben schien.
An diesem Orte, in dieser Höhle, unternahmen Buliwyf und seine Krieger ihren Angriff, und ich schloß mich ihnen an, und mit unseren kurzen Dolchen töteten wir die vier Unholde in der Höhle. Im flackernden Lichte des Feuers, dessen Flammen mit einem jeglichen Einhämmern der donnernden Brandung wild aufloderten, sah ich sie zum ersten Male deutlich. Der Anblick dieser Dämonen war dergestalt: Sie wirkten in jeglicher Hinsicht menschenähnlich, doch nicht wie ein Mensch auf dem Antlitz der Erde. Sie waren von kleiner Gestalt und breit und gedrungen und behaart an sämtlichen Teilen ihres Körpers, ausgenommen ihre Handteller, die Sohlen ihrer Füße und ihre Gesichter. Ihre Gesichter waren sehr groß, mit großem und vorstehendem Mund und Kiefer, und häßlich anzuschauen; überdies waren ihre Häupter größer denn die Häupter gewöhnlicher Menschen. Ihre Augen waren tief in ihre Häupter eingesunken; die Brauen waren groß, und dies nicht aufgrund behaarter Brauen, sondern aufgrund der Knochen; überdies waren ihre Zähne groß und scharf, obzwar die Zähne bei vielen in Wahrheit abgeschliffen und abgeflacht waren. Im Hinblick auf ihre weiteren leiblichen Beschaffenheiten wie auch auf ihre Geschlechtsorgane und zahlreichen Körperöffnungen waren sie ebenso wie Menschen. (Diese Beschreibung der körperlichen Merkmale der Wendol hat, wie vorauszusehen war, einen Disput entfacht, siehe Anhang.) Eine dieser Gestalten starb eines langsamen Todes, und mit seiner Zunge bildete es Töne, welche für mein Ohr das Wesen einer Sprache besaßen; doch weiß ich nicht zu sagen, ob dies so war, und ich teile es wiederum ohne Überzeugung in dieser Angelegenheit mit.
Nun musterte Buliwyf diese vier toten Wesen mit ihrem dichten, verfilzten Fell, darauf vernahmen wir einen gespenstischen, hallenden Gesang, ein Geräusch, welches mit dem donnernden Hämmern der Brandung anschwoll und abfiel, und dieses Geräusch rührte aus den Tiefen der Höhle. Buliwyf führte uns hinein.
Dort stießen wir auf drei dieser Wesen, welche sich zu Boden geworfen, die Gesichter an die Erde gedrückt und die Hände in Anbetung eines im Schatten dräuenden alten Wesens erhoben.
Diese Anbeter sangen und bemerkten unsere Ankunft nicht. Doch das Wesen sah uns und schrie abscheulich bei unserem Nahen. Dieses Wesen, so nahm ch an, mußte die Mutter der Wendol sein, doch so es weiblichen Geschlechtes war, erkannte ich keinerlei Anzeichen, denn es war alt in einem Maße, daß es geschlechtslos war.
Buliwyf fiel allein über die Anbeter her und tötete sie allesamt, derweil das Mutterwesen sich in den Schatten zurückzog und entsetzlich schrie. Ich konnte sie nicht gut sehen, doch soviel ist wahr: daß sie umringt war von Schlangen, welche sich zu ihren Fußen wanden und auf ihren Händen und um ihren Hals. Diese Schlangen zischten und zuckten mit ihren Zungen; und da sie überall an ihr waren, an ihrem Leibe und ebenso am Boden, wagte es keiner der Krieger des Buliwyf, näher zu treten. Darauf griff Buliwyf sie an, und sie stieß einen furchtbaren Schrei aus, als er den Dolch tief in ihre Brust stieß, denn er war unbekümmert ob der Schlangen. Viele Male stach er mit seinem Dolche auf die Mutter der Wendol ein. Niemals brach diese Frau zusammen, sondern allzeit blieb sie stehen, obgleich das Blut aus ihr strömte wie aus einem Quell und von den zahlreichen Wunden, welche Buliwyf ihr zufügte. Und die ganze Zeit schrie sie in höchst fürchterlichem Tone. Dann sank sie schließlich zusammen und blieb tot liegen, und Buliwyf wandte sich seinen Kriegern zu. Nun sahen wir, daß diese Frau, diese Mutter der Verzehrer der Toten, ihn verwundet hatte. Eine silberne Nadel, wie eine Nadel für das Haar, stak in seinem Bauche; diese nämliche Nadel erbebte mit einem jeglichen Herzschlag. Buliwyf zog sie heraus, und es gab einen Schwall Blutes. Doch sank er nicht tödlich verwundet in die Knie, sondern blieb stehen und erteilte den Befehl, die Höhle zu verlassen.