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Dies taten wir durch den zweiten und landwärtigen Zugang; dieser Zugang war bewacht gewesen, doch sämtliche Wendolwächter waren vor den Schreien ihrer sterbenden Mutter geflohen. Wir zogen ohne Belästigung ab.

Buliwyf führte uns hinfort von den Höhlen und zurück zu unseren Pferden, und darauf sank er zu Boden. Ecthgow, dessen Antlitz eine unter den Nordmännern höchst ungewöhnliche Betrübnis aufwies, ordnete das Anfertigen einer Bahre an, und vermittels dieser trugen wir Buliwyf über die Felder zurück zum Königreich des Rothgar. Und die ganze Zeit war Buliwyf voller Fröhlichkeit und heiter; viele der Dinge, welche er sprach, verstand ich nicht, doch einmal hörte ich ihn sagen: »Rothgar wird nicht froh sein, uns zu sehen, denn er muß ein weiteres Gelage ausrichten, und mittlerweile ist er ein höchst erschöpfter Gastgeber.« Die Krieger lachten auf dieses und andere Worte des Buliwyf hin. Ich sah, daß ihr Lachen aufrichtig war.

Nun gelangten wir zum Königreich des Rothgar, wo wir mit Freude und Fröhlichkeit und ohne Betrübnis begrüßt wurden, obzwar Buliwyf gräßlich verletzt war und sein Fleisch grau ward und sein Leib zitterte und seine Augen vom Funkeln einer kranken und fiebrigen Seele brannten. Diese Anzeichen kannte ich nur zu wohl, und ebenso erging es auch den Menschen des Nordens.

Eine Schale mit Zwiebeln ward zu ihm gebracht, und er wies sie zurück und sagte: »Ich habe das Suppenleiden; bekümmert euch nicht um mein Schicksal.« Dann rief Buliwyf zum Gelage auf und beharrte, er wolle ihm, aufgestutzt auf einer steinernen Liege zur Seite des Königs Rothgar, Vorsitzen, und er trank Met, und er war fröhlich. Ich war ihm nahe, als er inmitten der Feierlichkeiten zu König Rothgar sagte: »Ich besitze keine Sklaven.« »All meine Sklaven sind Eure Sklaven«, sagte Rothgar.

Darauf sagte Buliwyf: »Ich besitze keine Pferde.« »All meine Pferde sind Euer«, antwortete Rothgar. »Denkt nicht mehr an diese Angelegenheiten.« Und Buliwyf, dessen Wunden verbunden, war heiter, und er lächelte, und an diesem Abend kehrte wieder Farbe in seine Züge, und tatsächlich schien er mit jeder verstreichenden Spanne der Nacht stärker zu werden.

Und obzwar ich es nicht für möglich gehalten hätte, ergötzte er sich an einem Sklavenmädchen, und danach sagte er zu mir im Scherze: »Ein toter Mann ist für niemanden von Nutzen.« Und darauf fiel Buliwyf in Schlaf, und seine Farbe ward bleicher und sein Odem flacher; ich fürchtete, er werde niemals mehr aus diesem Schlafe erwachen. Er mag dies ebenso gedacht haben, denn derweil er schlief, hielt er sein Schwert mit fester Hand umfangen.

Der Todeskampf der Wendol

Also fiel auch ich in Schlaf. Herger weckte mich mit diesen Worten: »Ihr sollt rasch kommen.« Nun vernahm ich das Grollen des Donners in der Ferne. Ich schaute zu dem Blasenfenster, (Fenestra porcus wörtlich »Schweinefenster« Die Normannen benutzten gespannte Schweinsblasen statt Glas zum Abdichten schmaler Fenster, diese Membranen waren durchsichtig Man konnte zwar nicht viel erkennen, doch sie ließen Licht ins Haus.) und es war noch vor der Morgendämmerung, doch ich griff zu meinem Schwert; wahrhaftig, ich war in meinem Panzer eingeschlafen, da ich versäumt hatte, ihn abzulegen. Darauf eilte ich hinaus. Es war die Stunde vor der Morgendämmerung, und die Luft war dunstig und dick und vom Donner von Hufschlägen in der Ferne erfüllt.

Herger sagte zu mir: »Die Wendol kommen. Sie wissen um die tödlichen Wunden des Buliwyf, und sie suchen letzte Rache für das Töten ihrer Mutter.« Ein jeglicher der Krieger des Buliwyf, und ich unter ihnen, nahm einen Platz am Rande der Befestigungen ein, welche wir wider die Wendol errichtet. Diese Verteidigungswerke waren armselig, doch andere besaßen wir nicht. Wir spähten in den Dunst, die zu uns herabgaloppierenden Reiter zu erblicken. Ich erwartete große Furcht, doch empfand ich diese nicht, denn ich hatte das Wesen der Wendol erkannt, und ich wußte, sie waren Geschöpfe, und wenn keine Menschen, dann doch den Menschen so gleich, wie auch Affen den Menschen gleich sind; doch wußte ich, daß sie sterblich waren und getötet werden konnten. Daher empfand ich keinerlei Furcht, ausgenommen die in Erwartung dieser letzten Schlacht. Was das betraf, war ich allein, denn ich sah, daß die Krieger des Buliwyf viel Furcht zeigten; und dies trotz ihrer Mühsal, es zu verhehlen. Wahrlich, da wir die Mutter der Wendol getötet hatten, welche ihre Anführerin gewesen, so hatten wir auch Buliwyf verloren, welcher unser eigener Führer war, und es herrschte keine Fröhlichkeit, derweil wir ausharrten und das Donnern nahen hörten.

Und dann vernahm ich Unruhe hinter mir, und da ich mich umwandte, sah ich dies: Buliwyf, bleich wie der Dunst an sich, in Weiß gewandet und gezeichnet von seinen Wunden, stand aufrecht auf dem Lande des Königreiches von Rothgar. Und auf seiner Schulter saßen zwei schwarze Raben, einer auf jeder Seite; und die Nordmänner schrien ob seiner Ankunft, und sie erhoben ihre Waffen in die Luft und heulten lach der Schlacht. (Dieser Abschnitt des Manuskriptes ist zusammengestückelt aus dem Manuskript des Razi, dessen Hauptinteresse der Militärtechnik galt. Ob Ibn Fadlan um die Bedeutung von Buliwyfs Wiedererscheinen wußte oder ob er wirklich davon berichtet, ist nicht bekannt. Gewiß ist, daß Razi nicht darauf einging, obwohl die Bedeutung einigermaßen offensichtlich ist. In der nordischen Mythologie wird Odin gemeinhin mit einem Raben auf jeder Schulter dargestellt. Diese Vogel überbringen ihm Kunde aus aller Welt. Odin war die oberste Gottheit des nordischen Pantheons und wurde als der allmächtige Vater verehrt. Er gebot vornehmlich über alle Belange des Kriegswesens, man glaubte, daß er von Zeit zu Zeit unter den Menschen erschien, wenn auch selten in seiner göttlichen Gestalt, da er mit Vorliebe als schlichter Reisender auftrat. Es hieß, daß ein Feind durch seine bloße Gegenwart zu Tode erschreckt wurde. Interessanterweise gibt es eine Sage, in der Odin getötet wird und nach neun Tagen wiederaufersteht; die meisten Experten nehmen an. daß dieser Glaube älter ist als der Einfluß des Christentums. In jedem Falle war der wiederauferstandene Odin nach wie vor sterblich, und man glaubte, daß er eines Tages endgültig dahinscheiden wurde.)

Nun sprach Buliwyf nicht ein Wort, noch blickte er zur einen Seite oder der anderen; noch verriet er bei einem jeglichen Manne ein Zeichen des Wiedererkennens; sondern er ging gemessenen Schrittes voran über die Befestigungen, und dort harrte er des Ansturms der Wendol. Die Raben flogen hinfort, und er umfaßte sein Schwert Runding und begegnete dem Angriff.

Kein Wort vermag den letzten Angriff der Wendol im Dunste der Morgendämmerung zu beschreiben. Kein Wort vermag auszudrücken, welches Blut vergossen ward, welche Schreie die dicke Luft erfüllten, welche Rösser und Reiter in gräßlichem Todeskampfe starben. Mit eigenen Augen sah ich Ecthgow mit seinen Armen aus Stahclass="underline" Wahrlich, sein Haupt ward abgehauen von einem Wendolschwert, und das Haupt rollte auf den Boden wie Kinderspielzeug, derweil die Zunge noch im Munde zuckte. Auch sah ich, wie Weath ein Speer in die Brust gestoßen ward; auf diese Weise ward er an den Boden geheftet und wand sich dort wie ein Fisch, welchen man dem Meere entnommen. Ich sah, wie ein kleines Mädchen von den Hufen eines Pferdes niedergetrampelt und sein Leib zermalmt ward und Blut aus seinem Ohr strömte. Auch sah ich eine Frau, eine Sklavin des Königs Rothgar: ihr Leib säuberlich entzwei gehauen, derweil sie vor einem verfolgenden Reiter floh. Ich sah viele Kinder, welche desgleichen getötet. Ich sah Pferde scheuen und stürzen, ihre Reiter abwerfend, auf daß diese von alten Männern und Frauen angefallen wurden, welche die Wesen erschlugen, derweil diese benommen auf dem Rücken lagen. Auch sah ich Wiglif, den Sohn des Rothgar, aus dem Gefecht fliehen und sich feige an einem sicheren Orte verbergen. Den Herold sah ich an diesem Tage nicht.