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»Warum soll der Mörder denn zwei Bettler erstechen, für die er gar kein Blutgeld erhält?«

»Eben, Nachum, ohne Blutgeld haben wir keinen richtigen Grund für die Tat.«

»Aber es kann ja einen anderen geben.«

»Dennoch, Nachum, für die Bettler muss das Blutgeld ein ungeheures Vermögen sein. Es sieht für mich ein wenig so aus, als handle es sich um einen Streit unter Bettlern um das Geld. Ich weiß aber nicht, wie das gehen soll.«

»Das hat eine Menge für sich, Christoph, vor allem der erste Mord sieht danach aus.«

»Was heißt Streit unter Bettlern?«, sagte Nachum. »Wenn die beiden Morde womöglich gar nichts mit dem Blutgeld zu tun haben!«

»Vielleicht doch. Er war ja bei uns gleich um die Ecke. Könnte es nicht so gewesen sein? Der erste Bettler, der alte Glatzkopf, sieht dich, Christoph. Mir ist, als hätte mich ein paar Tage vor dem Mord an der Türe ein alter Bettler nach deinen Haaren gefragt – er könnte es gewesen sein. Übrigens, einige Bettler haben dich gesehen, als du deine Laufbahn als Bettler begonnen hast. Ich habe es gehört.«

Christoph brummte etwas.

»Gut, allein will und kann dich der alte Glatzkopf nicht packen«, fuhr Philo fort, »vielleicht ist er sich auch nicht sicher. Halt – vielleicht will er es nicht dem Stelzenklaus sagen, jeder kennt den Stelzenklaus! Jedenfalls weiht er einen Zweiten ein, er will sich in der Nacht mit ihm treffen und freut sich auf das Blutgeld – «

»Wie ein Kind vor Weihnachten«, ergänzte Christoph.

Nachum brummte.

Löb kritzelte auf seiner Schiefertafel und blickte auf: »Einen Jüngeren und Stärkeren weiht er ein, von dem er weiß, dass der den Hintermann kennt und nicht den Stelzenklaus dazwischenschalten muss. Es gibt sicher einige, die den Frosch kennen, das lässt sich wohl nicht vermeiden.«

Christoph nickte: »Oder einen, der ihm gegen den Stelzenklaus helfen kann.«

»Dieser andere ist zwar auch nicht mehr der Jüngste, aber stärker und nicht immer voll Schnaps, und er bringt den Alten um, als der ihm in der Nacht eure Holzruine gezeigt hat, denn dieser Zweite will nicht teilen, mit wem auch immer. Das wäre eine gute Erklärung und würde passen.«

»Der Bettler mit der weißen Narbe!«

»Ja, und dazu würde passen, dass er am anderen Tag vor unserer Bretterhöhle auftaucht und uns hartnäckig und siegessicher verfolgt. Nicht wahr, Christoph?«

»Von dem Mühlkanal aus kann man das Bretterdomizil gut sehen, ich habe es nachgeprüft. Wenn es eine Mondnacht war – «

»Das kann ich nachprüfen«, rief Esther und rannte hinaus.

»Blöde Ziege«, rief Nachum, »wie willst du denn das nachprüfen? Du weißt ja nicht einmal genau, wann es war. Und warum soll er dann noch einen Zweiten erstechen?«

»Der zweite Bettler«, sagte Löb und winkte ungeduldig ab, »der zweite Bettler also ersticht den ersten von hinten und wirft ihn in den Mühlkanal. Wie müsste es nun folgerichtig weitergehen?«

»Das ist doch ganz einfach, er steht am anderen Tag vor unserem Bretterloch: Der zweite Bettler will sich, so schnell es geht, das Blutgeld verdienen!« Philo war jetzt Feuer und Flamme. »Aber dazu muss er erst sicher sein, dass ich wirklich in dem Brettergehäuse wohne, das ihm der Alte in der Nacht gezeigt hatte, und er muss eine Gelegenheit herausfinden, wie er mich umbringen kann. Er verfolgt uns sogar in die Stadt, weil er Angst bekommt, dass wir uns ein neues Domizil suchen könnten.«

Esther kam kleinlaut zurück: »Übermorgen ist Vollmond, aber ich weiß ja nicht genau, wann es war.«

»Und du weißt auch nicht, ob es damals in der Nacht nicht geregnet hat.« Nachum streckte ihr die Zunge heraus.

»Lass das, Nachum«, verwies es ihm Löb, »es ist trotzdem wichtig. Es ist wichtig, dass es so gewesen sein könnte. Der erste Mord war vor etwa vier Wochen. Es kann also nicht Neumond gewesen sein. Wenn es nicht geregnet hat, war es sogar recht mondhell. Auch wenn da Wolken waren, konnte man etwas erkennen. Wäre Neumond gewesen, wäre unsere Vermutung mit Sicherheit falsch.«

»Jedenfalls bis jetzt passt alles genau zusammen. Es kann alles so geschehen sein.« Christoph war aufgestanden und ging in der Stube auf und ab.

»Und nun zum zweiten Mord.« Auch Löb litt es nicht mehr auf seinem Stuhl.

»Das zweite Opfer kennen wir. Wenn wir Recht haben, muss es der Mörder des ersten Opfers sein.«

»Weshalb kennen wir es? Wenn es vielleicht zwei Täter waren? Oder doch einer?«, fragte Nachum gereizt.

»Wegen der Beschreibung«, sagte Philo und zappelte mit den Beinen, »der zweite Tote sieht genauso aus wie der Narbige, der vor unserer Holzruine gewartet hat und der uns in der Stadt bis zu der Höhle gefolgt ist. Wenn er der Mörder des ersten Opfers war, kann er nicht auch der zweite Täter sein, außer er hätte sich selbst erstochen! Von hinten!«

»Das weiß ich auch!« Nachum war rot geworden.

Löb zwang sich zur Ruhe: »Wir denken das jetzt einfach zu Ende, dann sehen wir weiter. Was kommt jetzt? – Was hat der Mörder gemacht, als ihr beiden Vögel plötzlich in einer Höhle mitten in der Stadt geheimnisvoll verschwunden wart?«

Christoph wanderte um den Tisch herum, Philo bohrte in der Nase, Esther hatte die Hände gefaltet und schaute Christoph nach, Löb saß mit strenger und abweisender Miene am Tisch und studierte seine Schiefertafel. Nachum hatte die steile Falte auf der Stirn, die ihn seinem Vater ähnlich machte. Eine Fliege summte durch den Raum.

»Er wollte das Blutgeld haben«, sagte Esther in die Stille hinein.

»Richtig, Herzensschwester, wenn wir dich nicht hätten, weise wie ein weiblicher Salomon. He, halt! Sie hat Recht! Sie hat Recht! Der Schwindler geht hin und holt sich dennoch das Blutgeld.«

»Er sagt zu dem Frosch einfach, er habe Christoph erstochen und in den Rhein geschmissen, da kann er lange suchen.« Philo saß mucksmäuschenstill.

»Immer vorausgesetzt, dass er den Frosch kennt.«

»Nehmen wir es einfach an, Christoph, und schauen, was sich dann ergibt. Der Frosch ist doch kein wirklicher Herr?«, fragte Löb und sah von seiner Schiefertafel auf.

»Ein Fatzke, der zu etwas Geld gekommen ist und sich so anzieht, wie er glaubt, dass sich ein Herr anzieht, einfach ein Bettler, würde ich sagen, oder einer, der sich etwas hat zu Schulden kommen lassen.«

»He, nichts gegen Bettler, Christoph, wenn ich bitten darf«, grinste Philo.

»Was würde dann gegen die Annahme sprechen«, überlegte Löb, »dass er auch das Blutgeld für sich alleine haben wollte?«

»Richtig!«, jubelte Christoph. »Er hatte es auszuzahlen und hat ihn dabei umgebracht.«

»Der Alte musste den Frosch kennen, sonst wäre der Stelzenklaus das Opfer.«

Es sprudelte nur so heraus aus Philo:. »Zur Geldübergabe bei Nacht eignen sich die Gedeckten Brücken besonders gut, vor allem, wenn man vorhat jemand dabei zu töten. Und der Bettler hauste ja sicher irgendwo an der Ill, er hatte es also nicht weit zu dem Ort, wo er sterben sollte. Wahrscheinlich war der Frosch froh, dass er es nicht mit dem Stelzenklaus zu tun hatte, der wäre nämlich nicht allein gekommen. In dem dunklen Holzgang, hat der Feigling unseren zweiten Bettler ebenfalls von hinten erstochen – das ist ungefährlicher – und hat ihn in die Ill geschmissen, die hat ihn dann an den Fischerpfahl getragen. Vorher hat er ihm das Geld wieder abgenommen, wenn er es ihm überhaupt schon gegeben hatte.«

Löb hob die Schiefertafeclass="underline" »Der Reihe nach. Erstens: Der betrunkene Alte findet heraus, wo Christoph wohnt, und sucht sich den narbigen Bettler als Hilfe womöglich gegen den Stelzenklaus. Zweitens: Der narbige Bettler bringt den betrunkenen Alten um. Drittens: Er beobachtet ganz ungeniert euer Bretterhaus, das ihm in der Mondnacht gezeigt worden ist. Er will Gewissheit und lauert auf eine Gelegenheit – «

»Weißt du eigentlich, dass blaue Augen bei den Muslimen ein Unheilszeichen sind?«, warf Nachum ein.