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»Was soll das jetzt?«, fragte Löb ärgerlich.

»Mir kommt das selbst auch so vor«, murmelte Christoph.

Löb presste beide Fäuste an die Schläfen: »Viertens: Der Beobachtete entkommt ihm doch.«

»Er meint natürlich, das sei nicht schlimm. Denn er hat ja keine Ahnung, dass Christoph einen sicheren Zufluchtsort hat.« Philo hatte schon wieder Bälle in der Hand.

»Wahrscheinlich hielt er es auch für harmlos, das Haus zu beobachten, ohne sich zu verstecken«, fuhr Christoph fort.

»Denn entweder war er zu dumm«, ergänzte Nachum, »oder er war sich seiner Sache zu sicher.«

»Meist ist eines die Folge vom anderen«, fuhr Löb fort. »Er verfolgt euch sogar offen in der Stadt, aber dann ist Christoph spurlos verschwunden. Das Geld ist weg. Aber er hatte vielleicht schon fest mit dem Geld gerechnet, vielleicht schon auf Pump Schnaps gekauft.«

»So geht er fünftens hin und sagt dem Frosch, er habe Christoph umgebracht«, Philo hüpfte auf einem Bein herum, »und der sagt es seinem Auftraggeber, der sich vielleicht nicht gleich sprechen lässt, wie das die großen Herren so an sich haben.«

»Oder verreist ist – «, schlug Löb vor.

»Jedenfalls dauert es fast vier Wochen, bis er ihn trifft, eine Zeit, die dem Bettler schrecklich lang geworden sein muss – « Christophs Augen glänzten.

»Sie machen den Ort der Geldübergabe aus«, redete Löb schnell weiter, »die Gedeckten Brücken, nachts, wie gesagt, wo es keiner sieht – «

»Und dort wird er sechstens erstochen, weil der Frosch auch nicht gerne teilt – er bekommt das Blutgeld, dreht sich um und geht weg oder er wartet darauf, jedenfalls der Frosch ersticht ihn von hinten«, schloss Christoph.

»So, und ich habe jetzt das Beste!«, jubelte Esther. »Jetzt muss der Frosch darauf achten, dass die falsche Beschreibung des zweiten Toten unter die Leute kommt, er hat ja das Geld von seinem Auftraggeber, und da ist es wichtig, dass die Beschreibung des Gesuchten, also Christophs als Opfer, durch Straßburg läuft – «

»Genau wie der Stelzenklaus es hätte tun müssen. Rätsel gelöst. Esther, unglaublich, und so einfach!«, sagte Philo voller Respekt.

»Es passt alles nahtlos!« Löb starrte auf seine Tafel und schüttelte den Kopf.

Philo wanderte auf den Händen in der Stube herum.

»Vater, da gibt es aber noch eine Frage«, überlegte Nachum. »Weiß der Frosch, dass Christoph noch lebt? Hat er seinem Opfer geglaubt, dass der Christoph erstochen hat?«

»Das ist nicht nur eine sehr gute Frage, Nachum«, lobte ihn Löb, »das ist auch eine sehr wichtige Frage.«

»Er glaubt es mit Bestimmtheit. Sonst hätte er nicht die Beschreibung Christophs verbreitet, die Christoph ja schützt!« Philo stand wieder auf zwei Beinen. »Er weiß auf jeden Fall, dass der zweite Ermordete nicht Christoph ist, denn dessen Mörder ist er ja selbst. Mit den Prügeln und der falschen Beschreibung wollte er gleichzeitig den eigenen Mord vertuschen.«

»Könnte er den Auftraggeber nicht auch angelogen haben, um endlich das Blutgeld zu bekommen?«, fragte Christoph zornig. »Er kann ja in den vier Wochen zwischen dem ersten und dem zweiten Mord irgendwie herausgefunden haben, dass ich noch lebe. Aber er will endlich das Geld.«

»Zu riskant«, erwiderte Philo schnell, »der scheint mir nicht der Mann dafür. Ich halte ihn eher für feige. Denk nur, wie gefährlich das für ihn wäre, wenn du plötzlich wieder auftauchen würdest. Sein Hintermann geht über Leichen! Nein, er glaubt wirklich, dass du tot bist. Wir haben drei Tote und zwei Mörder. Einer der Toten ist selbst ein Mörder. Wer aber war sein Auftraggeber?«

»Wenn wir Recht haben«, sagte Christoph verwundert.

»Ich meine schon, dass wir Recht haben«, sagte Löb und schloss die Augen. »Wir haben es gefunden wie im Traum: Es passt alles zusammen. Aber wer ist es, der hinter dem Frosch die Drähte zieht?«

ESTHER

Als Christoph an diesem Abend in seine Kammer gehen wollte, wartete Esther im oberen Ern auf ihn. Er sah, dass sie die Haare schon gelöst hatte, und ihr Gesicht schimmerte im Licht einer Kerze, ihre Haare flossen um sie wie ein kostbarer Umhang.

Christoph verschlug es den Atem, als sie plötzlich so vor ihn trat: »Was machst du denn noch hier?« Das gehört sich nicht, wollte er weiter sagen, aber er brachte es nicht heraus. Sie war noch nie so schön gewesen.

»Ich wollte dir sagen, wie froh ich bin – «

Wie konnten dunkle Augen so hell leuchten?

»Du sagst ja gar nichts.«

»Ich bin froh – « Das will ich ja gar nicht sagen. War ich jemals so froh wie jetzt?

Da legte sie sehr sanft den Arm um ihn, er spürte ihren Atem und ihre Lippen drückten sich auf die seinen.

Christoph war benommen, als hätte er von dem Wein aus Spanien getrunken, den Löb an manchen Abenden ausschenkte.

»Du«, sagte er und presste seinen Mund gegen ihren, wobei sich seine Lippen etwas öffneten. Er spürte ihren Körper.

Sie machte ihre Augen weit auf und legte beide Arme um seinen Hals und ließ ihre Augen dabei immer in den seinen. Wie feucht ihre Augen waren, wie lang ihre Wimpern.

Er drückte sie an sich, so fest er konnte.

»Du darfst mich nicht ganz ersticken«, lachte sie und löste ihre Arme.

Dann war sie verschwunden.

Philo schmiedete Pläne, wie sie die Hintermänner finden konnten.

»Wir brauchen den Frosch. Wir müssen ihn finden.«

»Und dann?«, fragte Christoph. »Er wird dir kaum sagen, wer ihm das Geld für meinen Tod bezahlt hat.«

»Richtig – das ist zu gefährlich für ihn.«

»Was dann?«

»Ich bringe ihn zum Reden, auf jeden Fall. Zumindest weiß ich einen Weg, der ist todsicher. Du kannst dich darauf verlassen – er wird reden! Er wird reden, wie er noch nie geredet hat.«

Esther war dazugetreten und legte die Hand auf Christophs Schulter: »Es ist doch nicht gefährlich?«

»Das ganze Leben ist gefährlich«, lachte Philo und warf seine Bälle in die Luft.

»Und wo sollen wir ihn finden?«, fragte Christoph. »Weißt du, wo er in Straßburg untergekommen ist?«

»Ja, das ist die wunde Stelle – er ist wohl nicht mehr in Straßburg. Ich habe vorsichtig nach ihm gefragt. Es war nicht leicht. Niemand hat ihn mehr gesehen.«

»Na, dann bin ich wirklich gespannt, wie du ihn zum Reden bringen wirst.«

Es war, als hätte Löbs Haus Esthers Gesicht und ihre Gestalt angenommen. Wenn sie sich sahen, so lächelten sie einander an, sie hatten sich auch angewöhnt sich an der Hand zu fassen und kurz zu drücken, wenn es niemand sah.

Andererseits war Esther nicht scheu: Für sie schien es selbstverständlich zu sein, dass sie Christoph mochte und er sie. So oft es ging, war sie bei ihm. Wenn sie am Tisch saßen, setzte sie sich ganz selbstverständlich an seine Seite. Ihr Kleid streifte ihn, manchmal glitt ihre Hand kurz über seinen Arm.

Aber einen Kuss hatte er seither nicht mehr bekommen. Der erste Kuss war wie ein festes Versprechen gewesen.

Er konnte das süße Gefühl ihrer Lippen nicht vergessen und er musste sich sehr zusammennehmen, um sie nicht jedes Mal in die Arme zu schließen, wenn er sie sah.

Manchmal, wenn er in der Nacht an sie dachte und sie sich vorstellte; war sie für ihn seltsam fremd wie eine kostbare Blume, die man sich kaum anzufassen traut. Wenn er sie dann morgens sah, hielt dieses Gefühl noch eine ganze Zeit lang an, er konnte kein Auge von ihr lassen, aber jeden Tag war es wie ein Erschrecken – als sehe er sie zum ersten Mal.

Dazu wuchs langsam ein Unbehagen, das stärker wurde und das er sich erst langsam klarmachen musste: Es war ein schlechtes Gewissen Löb gegenüber, dessen Gastrecht er genoss und der ihn trotz der zunehmenden eigenen Gefahr schützte. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer, vor allem, als Nachum immer öfter anfing spöttische Bemerkungen zu machen; und er konnte Löb kaum mehr in die Augen sehen, wenn der ganz unbefangen mit ihm über die Kaufleute in Straßburg redete. Auch dieses schale Gefühl der Hilflosigkeit stellte sich wieder ein, das ihn lähmte und gleichzeitig mit Zorn erfüllte.