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»Aber Herr Dopfschütz, Ihr seid ja – «

»Richtig, Herr Eisenhut, richtig. Der Kerl gehört an den Hof des Kaisers! Und das habe ich ihm auch gesagt. Aber ich glaube, er war schließlich froh, dass ich ihn laufen ließ.«

»Ihr habt ihn…?«

»Zum Abschied hat er mir höflich meine eigene Geldkatze überreicht, die wohl verwahrt an meinem Gürtel hängt. Wie er daran gekommen ist, weiß ich freilich nicht. Man müsste schon – wisst Ihr. Aber, Herr Eisenhut – die bevorstehende Pest –, es ist vielleicht besser, wenn man erst einmal nachsichtiger ist.«

Herr Eisenhut schüttelte den Kopf und lenkte das Gespräch wieder auf Herrn Kropfgans: »Ihr habt Recht, ohne sein Geld werden wir kaum durchhalten. Wir müssen mindestens fünfhundert Männer bezahlen und nicht nur bezahlen, sondern auch ausrüsten, und das ist erst der Anfang!«

»Im Herbst sehen wir weiter, wir haben das Geld des Juden, zinslos und ohne Tilgung, vergesst das nicht. Ein Jahr Aufschub tut der Sache keinen Abbruch, Herr Eisenhut, wir sind schon sehr weit. Im Herbst wird der Kropfgans wieder vernünftig.«

»Und die Pest?«

Gegen Abend war ein Auflauf auf dem Münsterplatz. Christoph hörte grelle Stimmen, Johlen und Schreien: »Betrüger, Zauberer! Verbrennt sie, hängt sie auf!« Zwei Stadtwachen drängten sich durch die Menge. Christoph, von einer plötzlichen Unruhe ergriffe? drängte nach: Eingekeilt zwischen schimpfenden und höhnenden Menschen, sah er zu seinem Entsetzen Balthas und Regine. Eine ganze Traube von Straßenjungen hatte sich an sie gehängt. Drei Schmiede hielten beide an den Armen und Händen fest.

»Es sind Betrüger!«, schrie eine Frau mit einem Pelz um die Schultern und hielt sich ein Tuch vor Mund und Nase.

»Zauberer sind es. Ich habe gesehen, wie der Dicke einem Kind Geld aus den Ohren gezogen hat. Steine sollte man nehmen!«

»Verbrennen sollte man sie – Zauberer gehören verbrannt!«

Balthas wirkte ruhig, Regine hatte runde Augen, ihr Mund war offen. Christoph sah, wie sich ihr Mund bewegte, aber ihre Stimme ging im Geschrei unter.

»Beide mitkommen!«, sagte der eine der beiden Stadtknechte und griff nach ihren Schultern. Der andere senkte seinen Spieß und zielte vor allem auf die Brust von Balthas.

Der drückte den Spieß ruhig auf die Seite: »Du brauchst den Spieß nicht, wir gehen auch so mit, lasst vor allem die Frau los!«

Seine tiefe Bassstimme klang wie immer.

»Wir haben nichts anderes getan, als wir es schon seit Jahren machen, jeder konnte es sehen in Straßburg. Es ist keine Zauberei und kein Betrug: Die Dinge, die wir finden, tragen wir bei uns. Niemand verliert etwas und wir nehmen niemand etwas weg.«

Man hörte lachen. Ein Straßenjunge pfiff auf den Fingern und streckte die Zunge heraus.

Christoph ging in der Menge mit, welche die beiden zum Rathaus begleitete. Dort aber stand eine Doppelwache am Portal und kreuzte die Spieße.

Der Rattenschwanz von Menschen war immer länger geworden, als sich der Zug das kurze Stück vom Münsterplatz zur Pfalz, dem Rathaus der freien Reichsstadt Straßburg, bewegt hatte. Christoph stand eingezwängt und wartete.

»He«, flüsterte es da neben ihm, »he, du kannst ruhig zu mir herblicken, was ist hier eigentlich los?«

Es war Philo, der nach seinem Arm griff.

»Wo warst du denn?«, fragte Christoph atemlos und froh.

»Das dauert länger, erzähl erst du.«

Er schüttelte den Kopf, als er erfuhr, weswegen sich die Menge vor dem Rathaus staute: »Das ist doch Unsinn. Die machen das seit Jahren hier in Straßburg. Wenn ich bloß wüsste – so früh im Jahr waren wir noch nie hier.«

Stunden vergingen. Der trübe Tag ging in Dämmerlicht über. Die Menge hielt aus, obwohl ein feiner Nieselregen eingesetzt hatte.

»Als hätte niemand etwas zu tun als zu gaffen«, sagte Christoph und stampfte mit dem Fuß auf. Von unten herauf kroch die Kälte. Gut, dass er noch die Schuhe hatte, welche Hannah ihm gegeben hatte. »Aber erzähl endlich.«

»Viel ist nicht zu erzählen«, sagte Philo leise. »Ich war Gefangener unseres Herrn Dopfschütz, er hat mich bei Wasser und Brot eine ganze Woche lang eingesperrt in einem winzigen Dachkämmerlein.«

Christoph schaute ihn entsetzt an.

»Nicht so schlimm. Ich hätte nur ein paar Dachziegel anheben müssen, dann wäre es eine Kleinigkeit gewesen, über das Dach zu verschwinden, aber dann hätte das Verhör nicht stattgefunden. Und niemand verrät sich mehr als einer, der einen anderen verhört, sagt Balthas immer. Es kam aber nichts dabei heraus.«

»Warum warst du denn gefangen?«

Philo berichtete.

»Ich hatte nur Angst davor, dass er mich foltern lässt.«

»Und alles wegen mir. Du hast unglaubliches Glück gehabt.«

»I wo, ich war sehr gut!«

»Das war Herr Dopfschütz, der meinen Vater umgebracht hat, Herr Dopfschütz, der die Juden verraten hat!«

»Aber Herr Dopfschütz hat jetzt Angst wie alle«, sagte Philo.

»Vor der Pest?«

»Er ist ein Mörder, denk an die Juden. Im Sommer kommt der schwarze Tod – er hört die Hölle schon pfeifen!«

Der Nieselregen war zu einem richtigen Landregen geworden, als sie am nächsten Morgen wieder vor der großen Freitreppe standen, die zum Gerichtssaal hinaufführte.

Nur wenige Leute standen auf dem Markt. »Hinausgepeitscht werden sie, das ist das Mindeste.« Die Frau, eine Marktfrau mit einem Sack über dem Kopf, sagte es, als hätte sie einen persönlichen Anspruch darauf, dass Balthas und Regine aus der Stadt gepeitscht wurden.

Eine Strafe, die mit ewigem Stadtverweis verbunden war. »Ich kenne mich da aus«, sagte Christoph.

Philo war unruhig: »Wenn man sie nur nicht foltert. Folterung und dann Stadtverweis – das ist tödlich: Kein Gefolterter kann in unserem Beruf weiterarbeiten!«

Das Portal öffnete sich. Zuerst traten Wachen heraus.

»Das sieht nicht gut aus«, flüsterte Christoph.

Dann kam Balthas. Er sah aus wie immer, breit auf der Brust lagerte sich sein Prophetenbart; ja er schien etwas zu lächeln. Nach ihm kam Regine die Treppe herab. Unten wurden beide von den Wachen in die Mitte genommen. Schon standen Philo und Christoph bei ihnen.

»Wegen euch sind wir so früh in die Stadt gekommen«, redete Balthas mit seiner lauten Bassstimme. »Jetzt haben sie uns wegen Zauberei und Betrug auf ein Jahr der Stadt verwiesen. Danke schön, wir wollten sowieso gehen und erst in einem Jahr wiederkommen.«

»Aber wir sind hergekommen, um euch mitzunehmen«, fuhr Regine fort, »wir warten alle gemeinsam im Schwarzwald die Pest ab. Dort ist es am sichersten.«

Sie waren nicht mitgegangen.

»Ich bleibe bei dir, ich bin ja nicht der Hellste. Weiß der Teufel, warum ich bleibe und dir helfe, aber versprochen ist versprochen, du kannst dich darauf verlassen, trotz Pest und Dopfschütz.«

Vor wenigen Tagen war der Ofen zusammengebrochen. Er hatte im Winter gequalmt und gestunken, aber doch etwas Wärme abgegeben. Der April war kalt und sie froren. Aber es war besser als unter einer der Brücken, unter denen die Bettler an ihren Feuern hausten, und viel besser als in Philos nasser Höhle an der Ill.

»Warum haben sie Balthas und Regine nicht hinausgepeitscht oder auf ewig aus der Stadt gewiesen wie meinen Vater und mich?«

»Sie haben sich selbst angelogen und jetzt merken sie es. Sie haben die Juden verbrannt, damit die Pest nicht kommt, sie haben dennoch Angst vor der Pest, jetzt haben sie aber dazu noch ein schlechtes Gewissen. Deshalb haben sie zwar Balthas und Regine verjagt, aber sie haben sich nicht getraut wirklich hart durchzugreifen.« Philo versuchte einen Laden mit einem Holzkeil zu befestigen.