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»Das wäre das Beste«, stimmte Kahlan zu. »Damit wären unsere Männer erst einmal in Sicherheit.«

»Sie werden auf mich als ihre Magie gegen die Magie verzichten müssen, aber dafür stehen ihnen Verna und ihre Schwestern zur Verfügung. Mittlerweile sind ihre Kenntnisse groß genug, um die Armee auch weiter vor Magie zu schützen.«

Wenigstens eine Weile. Die Worte hingen unausgesprochen in der Luft.

»Ich möchte Verna noch sehen, bevor ich aufbreche«, sagte Kahlan. »Ich denke, es wird ihr gut tun, sich um andere Menschen sorgen zu müssen. Anschließend möchte ich General Meiffert aufsuchen, und danach brechen wir am besten sofort auf. Wir haben einen weiten Weg vor uns, und ich möchte im Süden sein, bevor uns der Schnee behindert.«

Voller Ungestüm umarmte Kahlan Zedd ein letztes Mal.

»Wenn du den Jungen siehst«, flüsterte Zedd ihr ins Ohr, »richte ihm aus, dass ich ihn von Herzen gern habe und ihn schrecklich vermisse.«

Den Kopf an seiner Schulter nickte Kahlan, dann erzählte sie ihm eine – wie sie meinte – ebenso tapfere wie dreiste Lüge.

»Du wirst uns beide wieder sehen, Zedd. Das verspreche ich dir.«

Kahlan trat hinaus in das frühmorgendliche Licht und die ersten Anzeichen des nahenden Winters. Alles war mit einer feinen Schicht aus Schnee bestäubt, so als bestünde die ganze Welt aus weißem Marmor.

63

Das vordere Ende der Feile geschickt mit den Fingerspitzen führend, ließ Richard das stählerne Werkzeug in einer einzigen fließenden Bewegung über den Faltenwurf des lebendig in weißem Marmor verewigten Stoffes gleiten. Ganz in seine Arbeit versunken, konzentrierte er sich darauf, einen gleichmäßigen Druck zu erzeugen, um eine präzise, hauchdünne Gesteinsschicht abzutragen.

Die Feile wies hunderte von Rillen auf, Reihe um Reihe winziger Klingen aus gehärtetem Stahl, die den edlen Stein abtrugen und ihm Gestalt verliehen. Es waren Klingen, die er mit derselben Hingabe und Entschlossenheit führte wie jede andere Klinge auch. Blindlings langte er hinter sich und legte die Feile auf die Holzbank, sorgfältig darauf bedacht, sie auf das Holz zu legen und nicht klirrend gegen eine der anderen Feilen zu stoßen, um sie nicht vorzeitig stumpf zu machen. Er tauschte die Feile gegen eine andere mit noch feineren Rillen aus und glättete die Rauheit, die die Korrektur mit der zuvor benutzten hinterlassen hatte.

Mit Fingern, ebenso staubig weiß wie die eines mit Mehl hantierenden Bäckers, untersuchte Richard die Oberfläche des Armes der männlichen Figur und prüfte sie auf Unebenheiten; vor der abschließenden Politur waren die kleineren Unebenheiten und Schleifflächen mit den Fingern oft leichter zu erkennen als mit dem Auge. Dort, wo er welche entdeckte, benutzte er eine kleinere, mit einer Hand geführte Feile, deren Bewegung er mit seiner anderen Hand über die Schwellung eines Muskels folgte, um den feinen Unterschied zu ertasten, den das Werkzeug auf dem Stein hinterließ. Mittlerweile entfernte er nur noch papierdünne Schichten Material.

Er hatte mehrere Monate gebraucht, um bis zu dieser allerletzten Schicht vorzudringen. Es war ein erregendes Gefühl, dem nackten Fleisch so nahe zu sein. In endloser Folge waren die mühevollen Arbeitstage einer nach dem anderen dahingegangen, während er unten auf der Baustelle tagsüber den Tod und des Nachts das Leben in Stein meißelte. Die Bildhauerei für den Orden fand ihr Gegengewicht in seiner Bildhauerei für sich selbst – ein Kontrast von Sklaverei und Freiheit.

Wann immer sich einer der Ordensbrüder nach der Statue erkundigte, war Richard sorgfältig darauf bedacht, sich seine Zufriedenheit mit dem, was er dort schuf, nicht anmerken zu lassen. Er tat dies, indem er sich jenes Modell ins Gedächtnis rief, das in Stein zu hauen man ihm aufgetragen hatte. Stets verneigte er respektvoll sein Haupt und erstattete über die Fortschritte bei seiner Buße Bericht, indem er versicherte, seine Arbeit liege im Plan und werde rechtzeitig fertig, um anlässlich der Weihung auf dem Vorplatz des Palastes aufgestellt zu werden.

Die Betonung des Begriffs ›Buße‹ half, ihre Überlegungen auf diesen Punkt zu lenken und fort von der eigentlichen Statue. Stets zeigten sich die Ordensbrüder weitaus zufriedener über die durch seine Plackerei bei seiner Büßerarbeit hervorgerufene Müdigkeit, als dass sie sich für irgendeine weitere in Stein gehauene Statue interessierten. Statuen standen überall herum, und auch diese war nur ein weiterer Beweis für die hoffnungslose Unzulänglichkeit des Menschen. So wie in ihrem Kosmos kein einzelner Mensch von Bedeutung war, so zählte auch kein einzelnes Werk der Kunst. Es war die schiere Masse von Statuen, die als überwältigender Beweis des Ordens für die Unzulänglichkeit des Menschen herhalten musste. Die Schnitzereien waren nichts weiter als die Kulisse jener Bühne, auf der die Ordensbrüder ihre Predigten über Aufopferung und Erlösung sprachen.

Stets erstattete Richard artig Bericht über seine Nächte mit wenig Essen und ebenso wenig Schlaf, in denen er nach seiner täglichen Arbeit als Bildhauer an seiner eigenen Kasteiung arbeitete. Da selbstlose Aufopferung das geeignete Mittel gegen Sündhaftigkeit war, zogen die Ordensbrüder stets erfreut wieder von dannen.

Richard ging zu einer noch kleineren, an den Seiten abgeflachten Feile über und bearbeitete den Muskel, dort, wo er sich zur Sehne verjüngte und, die Spannung des Armes wiedergebend, die darunter liegende Struktur sichtbar werden ließ. Über Tag beobachtete er andere Männer bei der Arbeit, um die vielschichtigen Formen der sich im lebenden Körper bewegenden Muskeln zu studieren. Nachts bediente er sich seiner eigenen Arme, die er in den Schein der Lampe hielt, um die sich stolz an der Oberfläche abzeichnenden Adern und Sehnen lebensnah wiedergeben zu können; manchmal griff er auch auf einen kleinen Spiegel zurück. Die von ihm in Stein gehauene Hautoberfläche glich einer vielgestaltigen Landschaft, die sich über Knochen und Muskeln zog, in den Winkeln Falten warf und sich straff über die Körperrundungen spannte.

Für den Körper der Frau war seine Erinnerung an Kahlan lebhaft genug, sodass kaum andere Bezüge nötig waren.

Man sollte seinem Werk die Fähigkeit, sich zu bewegen, zu absichtsvollem Handeln, zu Leistung ansehen können. Die Haltung der Figuren verhieß Bewusstheit. Der Ausdruck ihres Gesichts, insbesondere der Augen, würde die höchste Eigenschaft des Menschen offenbaren: die Fähigkeit zu denken.

Waren die Statuen, die er in der Alten Welt gesehen hatte, eine Verherrlichung des Elends und des Todes, so war diese eine Verherrlichung des Lebens.

In ihr sollte sich die unbändige Kraft des Willens offenbaren.

Der Mann und die Frau, die er in Stein meißelte, waren sein Schutz vor der Verzweiflung über seine Gefangennahme. Sie verkörperten die Freiheit des Geistes; sie verkörperten die sich im Triumph aufschwingende Vernunft.

Zu seinem großen Verdruss bemerkte Richard, dass Licht durch das Fenster über der Statue hereinfiel und die Lampen ablöste, die die ganze Nacht über gebrannt hatten. Die ganze Nacht über; jetzt war es ihm schon wieder passiert.

Dabei war es nicht etwa die von ihm bei weitem bevorzugte Qualität des Lichtes, die ihn ärgerte, sondern die Tatsache, dass dies das Ende seiner Zeit mit der Statue bedeutete; nun musste er hinunter zur Baustelle und Hässlichkeit in Stein meißeln. Glücklicherweise erforderte diese Arbeit weder Konzentration noch Sorgfalt.

Er war gerade dabei, den Schwung des Schultermuskels des Mannes mit der Feinfeile zu bearbeiten, als es an der Tür klopfte. »Richard?«