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Kahlan befand sich in einem Zustand unbeherrschbaren Zorns. Im selben Augenblick, da sie das Heft ergriff, durchflutete das Schwert der Wahrheit sie mit blinder Raserei. Nichts auf der Welt war süßer als die Gewissheit, dass sie mit ihm töten würde; auch die Waffe verlangte Blut.

Diese Leute hatten Richard in ihrer Gewalt. Diese Ordensbrüder hatten ihr Leben verdorben; sie hatten Mörder in ihre Heimat entsandt. Und sie hatten Meuchelmörder geschickt, um Warren niederzustechen.

Jetzt hatte sie einen von ihnen vor sich.

Mit einem Aufschrei wirbelte sie herum, sie schrie vor Zorn, schrie in ihrer Gier nach Blut. Es war ein herrliches Gefühl, das Opfer des eigenen vollkommenen Zorns so greifbar nahe vor sich zu haben.

Ihm unterlief ein Fehler – weil er sich eine Blöße gab. Ohne Zögern hielt sie, Klinge voran, in ihrer kalten Raserei darauf zu.

Er gehörte ihr.

Richard spürte, wie ihn die Klinge durchbohrte. Es war ein Schock; das Gefühl war völlig anders als erwartet. Es fühlte sich ungefähr so an, wie er sich vorstellte, dass sich der mächtige Hieb des Vorschlaghammers gegen die Statue angefühlt haben musste.

Sein Mund klappte auf. Der Augenblick war gekommen, da er ihr Einhalt gebieten, sie daran hindern musste, dass sie noch größeren Schaden anrichtete. Und zwar jetzt sofort. Wenn sie die Klinge in seinem Körper verdrehte und die Wunde weiter aufriss, würde Nicci ihn nicht mehr heilen können. Ihre Heilkraft war begrenzt.

Nicci würde Kahlan von dem Bann befreien müssen, um den Gebrauch ihrer Hexenmeisterinnenmagie wiederzuerlangen – und ihn heilen zu können.

Er kam zu dem Schluss, dass sie genug für ihn empfand, um das zu tun.

Offenen Mundes spürte Richard, wie die Klinge sich nach wie vor in seinen Leib bohrte; es war ein ekelhaftes, schockierendes Gefühl.

Obwohl er es erwartet hatte, erschien es ihm dennoch unwirklich. Er war trotz allem überrascht.

Er musste ihr schnellstens erklären, dass er es war, dass sie aufhören musste.

Zumindest musste er ihren Namen rufen, damit sie aufhörte, bevor sie zu großen Schaden angerichtet hatte.

Sein Mund stand noch immer offen.

Er bekam keine Luft.

Er brachte ihren Namen nicht über die Lippen.

Auf ihrer ungestümen, hektischen Suche nach Richard erblickte Nicci die beiden miteinander kämpfenden Gestalten. Eine von ihnen war ein Ordensbruder, die andere erkannte sie nicht, und doch hatte das Ganze etwas zutiefst Beunruhigendes. Nicci spürte eine eigenartige Regung, denn die Empfindung war seltsam vertraut, doch in all dem gefühlsmäßigen Durcheinander vermochte sie es nicht zuzuordnen.

Die beiden waren noch ein gutes Stück entfernt.

Der Mann im Überwurf verlor sein Schwert. Es schien, als ob der Bruder ihn überwältigt hätte. Nicci wollte helfen – aber wie? Sie musste Richard finden. Jemand hatte behauptet, er habe ihn in den Palast hineingehen sehen.

Sie hielt auf die beiden zu. Der Mann zog ein zweites Schwert, das er auf seinen Rücken geschnallt hatte. Das eigenartige Gefühl in Nicci gewann an Deutlichkeit. Irgendetwas war hier grauenhaft verkehrt, nur wusste sie nicht, was.

Dann sah sie, wie dem Ordensbruder ein Fehler unterlief. Nicci zögerte.

Mit einem Aufschrei tödlichen Zorns durchbohrte der Mann in dem Überwurf den Ordensbruder.

Als der Bruder unter der Wucht des Stoßes einen Schritt zurückwich, fiel ein Strahl des Mondlichts auf sein unter dem Saum der Kapuze verborgenes Gesicht.

In diesem Augenblick traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Niccis Augen weiteten sich, und sie fing an zu schreien.

»Kahlan, haltet ein.«

Erschrocken hob Kahlan ruckartig den Kopf und erblickte im Schein des Mondes sein Gesicht; im selben Augenblick hörte er Nicci schreien.

Kahlan prallte zurück und schleuderte das Schwert der Wahrheit von sich, als hätte sie ein Blitz getroffen.

Ein entsetztes Kreischen ausstoßend, wich sie zurück.

Richard packte die Klinge des Schwertes, seines Schwertes, um zu verhindern, dass er es mit seinem eigenen Gewicht noch tiefer in seinen Körper bohrte. Sie hatte es ihm fast bis zum Handschutz in den Leib gerammt. Warmes Blut rann an der Klinge entlang bis auf seine Finger.

»Richard!«, schrie Kahlan. »Neiiin! Neiiin!« Richard spürte, wie er mit den Knien auf den Steinfußboden schlug. Er war überrascht, dass es nicht stärker schmerzte, ein Schwert im Leib zu haben. Größtenteils war es der Schock, der ihm die Sinne verwirrte; das Denken fiel ihm schwer. Er bemühte sich, nicht nach vorn zu kippen, auf die Klinge, und sie dadurch noch tiefer in sich hineinzubohren. Der Raum schien sich zu drehen.

»Zieh es heraus«, sagte er leise.

Er wollte es los sein, er wollte das entsetzliche Etwas aus seinem Körper heraushaben. Er konnte die rasiermesserscharfe Klinge der ganzen Länge nach in seinem Körper spüren, konnte spüren, wie sie aus seinem Rücken ragte.

Kahlan, der Hysterie nahe, begann hektisch in die Tat umzusetzen, was er von ihr verlangte. Richard sah Cara aus der Dunkelheit heranhumpeln. Sie hielt ihn an den Schultern fest, während Kahlan die Klinge mit einem einzigen schnellen Ruck herauszog, als hoffte sie dadurch wieder gutzumachen, was sie angerichtet hatte.

»Was ist passiert?«, schrie Cara. »Was habt Ihr getan?«

Die Welt schien sich zu drehen. Richard spürte, wie die abscheulich feuchte Wärme seines Bluts an ihm herabsickerte. Er spürte sein Gewicht gegen Caras Körper. Ganz dicht über ihm erschien Kahlan.

»Richard! Oh, bei den Gütigen Seelen, nein. Das darf nicht sein. Das ist unmöglich.« Tränen der Panik strömten über ihr hübsches Gesicht. Er vermochte nicht zu begreifen, was sie hier tat. Wieso war sie in der Alten Welt? Was tat sie im Palast des Kaisers?

Er konnte nicht umhin, über das Wiedersehen zu lächeln.

Ob sie wohl seine Statue gesehen hatte, bevor er sie zerstören musste?

Womöglich war ihm ein entsetzlicher Fehler unterlaufen.

Nein, es war Kahlans einzige Chance, ihre Freiheit wiederzuerlangen. Seine einzige Chance, Niccis Bann zu brechen.

Nicci kam noch immer auf sie zugerannt.

»Hilf mir, Nicci«, rief Richard. Was herauskam, war wenig mehr als ein Flüstern. »Ich brauche dich, du musst mich retten, Nicci. Bitte.«

Auch wenn es nicht mehr war als ein Flüstern, Nicci erhörte seine flehentliche Bitte.

Nicci war noch nie so schnell gerannt; das Entsetzen hatte sie in seinem unerschütterlichen Griff. Es war ein entsetzlicher Fehler, es war ein so entsetzlicher Fehler gewesen. Nicci hatte ihnen beiden so viele Schmerzen zugefügt. Es war ihre Schuld.

Selbst in ihrem Schockzustand war ihr in aller Klarheit bewusst, was sie zu tun hatte.

Sie konnte ihn heilen. Kahlan war hier. Nicci vermochte nicht einmal ansatzweise zu begreifen, wieso oder aus welchem Grund, aber sie war hier. Jetzt, da Kahlan hier war, konnte sie den Bann aufheben. War der Bann erst einmal aufgehoben, konnte Nicci ihre Gabe einsetzen. Sie konnte Richard heilen. Alles war in Ordnung. Sie konnte ihn retten. Alles würde gut werden. Sie konnte es wieder gutmachen. Sie konnte es.

Sie konnte etwas Richtiges tun und ausnahmsweise einmal helfen – wirklich helfen.

Ein Arm schnellte aus dem Dunkel hervor, packte sie im Nacken und riss sie von den Füßen. Sie schrie auf, als sie in die Dunkelheit hineingezogen wurde. Sie spürte die Wölbung harter Muskeln, als sie an dem Arm zu reißen versuchte. Der Mann stank. Sie fühlte die feine Berührung seiner Läuse im Gesicht, als diese auf sie übersprangen.

Entsetzen packte sie. Ein so unvermitteltes und intensives Gefühl des Entsetzens war eine vollkommen neue Erfahrung für sie, die alle ihre Gedanken überlagerte.

Sie stemmte ihre Fersen in den Steinfußboden, als er sie nach hinten in das dunkle Labyrinth schleppte. Wie von Sinnen trat sie nach ihm und versuchte, ihren Dacra aus dem Ärmel zu ziehen, doch er packte ihren Arm und bog ihn auf den Rücken.

Sein Unterarm presste sich gegen ihre entblößte Kehle und schnürte ihr die Luft ab, während er sie von den Füßen hob.