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»Oh, nicht mehr lange, dann werdet Ihr ebenfalls betteln. Ihr glaubt es vielleicht nicht, aber Ihr werdet überrascht sein, zu was Feuer einen Menschen treiben kann. Ihr werdet noch erfahren, wie es war. Ihr werdet betteln, ganz bestimmt.«

Nicci versuchte sich mit aller Kraft gegen ihn zur Wehr zu setzen. Wäre Kahlan nur näher gewesen, dann hätte sie den Bann aufheben können. So nah, und doch so fern.

Das Feuer vor ihren Augen machte ihr eine Heidenangst. Aber sie brauchte doch bloß das Band zu kappen, das sie mit Kahlan verband; den Bann musste sie nicht aufheben, um ihre Kraft zurückzugewinnen. Dann konnte sie entkommen. Es würde Kahlan das Leben kosten, aber Nicci würde ihre Kraft zurückgewinnen und konnte daraufhin den Flammen entkommen.

Aber dafür würde sie Kahlan töten müssen.

»Soll ich Euch zuerst das Gesicht verbrennen, Nicci? Euer wunderhübsches Gesicht? Oder vielleicht sollte ich bei Euren Beinen beginnen? Was soll’s denn sein? Die Wahl liegt ganz bei Euch.«

Sich windend, keuchend, versuchte Nicci vor der Hitze auf ihrer Haut zurückzuweichen. Die fauchende Fackel wurde vor ihrem Gesicht hin und her geschwenkt. Ihr war bewusst, dass sie dieses Schicksal verdient hatte, trotzdem versetzte sie die Angst davor in wilde Panik.

Weder wollte sie die Verbindung kappen, um Kahlan umzubringen, noch wollte sie auf diese Weise sterben. Sie wollte nicht, dass ihr Fleisch verbrannte.

»Ich schlage vor, wir fangen ganz unten an, damit wir dich schreien hören können.«

Kadar ließ die Fackel sinken und hielt sie an den Saum ihres Kleides. Nicci schrie auf, als der schwarze Stoff ihres Kleides Feuer fing. Eine solche Angst war für sie eine neuartige Empfindung; zum ersten Mal seit ihren frühen Kindertagen besaß sie etwas, das ihr wichtig war und das sie nicht verlieren wollte: ihr Leben.

In einem Moment blanken Entsetzens erkannte Nicci, dass sie, ganz gleich wie sehr es schmerzen würde, ganz gleich, wie beängstigend es sein würde, Kahlan niemals das Leben nehmen würde. Richard hatte ihr die Antwort gegeben, nach der sie gesucht hatte. Sie hatte bereits zu viel genommen; im Tausch für diese Lektion durfte sie ihr jetzt nicht zuwiderhandeln.

Zwar würde Kahlan wegen ihrer Verbindung zu Nicci dasselbe Schicksal erleiden und desselben qualvollen Todes sterben, aber es würde nicht Nicci sein, die ihn verhängte. Kadar würde ihnen den Tod bringen, nicht Nicci. Sie würde Kahlan niemals töten, um sich selbst zu retten.

Lachend verfolgte Kadar Kardeef, wie ihr Kleid in Flammen aufging. Er hielt Nicci in festem Griff gefangen; sie hatte keine Chance zu entkommen.

Genau in diesem Augenblick sprang ein dunkler Schatten die beiden mitten aus der Luft an und prallte krachend gegen sie. Sie taumelten nach hinten, die Luft ringsum eine einzige Flammenhölle. Als Nicci sich über den Boden wälzte, erlosch das brennende Kleid im Wasser.

Die sie angesprungen hatte, rappelte sich soeben wieder auf und schüttelte den Kopf, als ob sie ihn wieder klar bekommen wollte. Nicci erkannte sie wieder; es war die Mord-Sith, Cara.

Kadar fing sich, sah die Frau und ging mit der Fackel auf sie los.

Nicci warf sich auf Kadar, packte die Fackel mit beiden Händen und drückte sie dem kräftigen, großen Mann ins Gesicht. Das Pech spritzte auf seinen Gesichtsverband aus Lumpen. Nicci hatte gehört, dass Hitze auf bereits verbranntem Fleisch weit schlimmer war als die ursprüngliche Verbrennung. Dem Klang seiner Schreie nach zu urteilen, schien dies der Wahrheit zu entsprechen.

Nicci ergriff Caras Hand, als die Frau wieder auf die Füße kam. »Beeilt Euch! Ich muss unbedingt zu Richard!«

Draußen vor der Zelle, in der Kadars spitze Schreie – als die Flammen ihn allmählich erstickten – zu einem erstickten Wimmern verebbten, packte Cara Nicci bei den Haaren und hielt ihr den Strafer nur wenige Zoll vor das Gesicht.

»Nennt mir einen einzigen Grund, warum ich Euch Lord Rahls Leben anvertrauen sollte.«

Nicci sah Cara unverwandt in die Augen. »Weil ich seine Statue gesehen habe und jetzt begreife, wie sehr ich mich getäuscht habe. Habt Ihr Euch jemals getäuscht, Cara? Wirklich getäuscht? Könnt Ihr überhaupt ermessen, was es heißt, zu erkennen, dass man gedankenlos dem Bösen gedient und rechtschaffenen Menschen Leid zugefügt hat? Könnt Ihr verstehen, dass Richard mir gezeigt hat, dass es etwas gibt, für das es sich zu leben lohnt?«

Nicci fand Richard auf dem Rücken liegend, bewusstlos, oder wenigstens beinahe; sein Kopf lag auf eine marmorne Hand gebettet. Neben ihm lag Kahlan, die sich weinend an ihn klammerte, während er sein Leben aushauchte.

Nicci war schockiert, als sie die Toten sah, die um sie herum verstreut lagen: Schwester Alessandra, Bruder Neal, Bruder Narev. Richards Zustand verriet ihr sofort, dass nur wenig Zeit blieb – wenn es nicht bereits zu spät war.

Sie kniete neben Kahlan nieder. Die Frau, die sich, über dem Abgrund düsterer Ausweglosigkeit hängend, verzweifelt an die letzten Hoffnungsfäden klammerte, befand sich in einem Zustand tiefsten Elends. Bereit, jedes Leid auf sich zu nehmen, hatte sie diesen weiten Weg gemacht, weil sie bei ihm sein wollte, und nun lag er hier, der, den sie in ihrem Leben am meisten liebte, und vergoss sein Herzblut, und sie wusste, dass sie schuld daran war.

Nicci fasste Kahlan bei den Schultern und zog sie sanft fort. Kahlan blickte verwirrt auf, voller Selbsthass und Hoffnung.

»Ich muss den Bann von Euch nehmen, Kahlan, wenn ich ihm helfen soll. Es ist nicht viel Zeit.«

»Ich traue Euch nicht. Warum solltet Ihr ihm helfen?«

»Weil ich es ihm schuldig bin – Euch beiden.«

»Bisher habt Ihr nichts als Unheil und…«

Cara ergriff Kahlans Arm. »Ihr müsst Ihr nicht vertrauen, Mutter Konfessor. Vertraut mir. Ich sage Euch, dass Nicci möglicherweise im Stande ist, ihm zu helfen. Ich glaube, sie wird ihr Bestes geben. Bitte, lasst sie es versuchen.«

»Warum sollte ich ihr die letzten wenigen Minuten seines Lebens überlassen?«

»Bitte, gebt Nicci die Chance, die Lord Rahl einst auch mir gegeben hat.«

Kahlan schaute Cara einen Moment lang forschend in die Augen, dann wandte sie sich herum zu Nicci.

»Ich weiß, was es heißt, dort zu sein, wo er sich jetzt befindet; ich habe es selbst erlebt. Ich habe mich entschieden weiterzuleben; jetzt muss er dasselbe tun. Was muss ich machen?«

»Ihr und Richard habt bereits genug getan.« Nicci nahm Kahlans tränenfeuchtes Gesicht in die Hände. »Bleibt nur ganz ruhig und lasst mich machen.«

Die Frau fröstelte vor Elend, ihr langes Haar war verfilzt und triefend nass. Über und über war sie mit Richards Blut verschmiert; sie konnte nichts mehr für ihn tun, und das wusste sie.

Das musste Nicci übernehmen.

Während Kahlan in ihre Augen starrte, zündete Nicci, in der Hoffnung, dass ihr genug Zeit blieb, abermals das magische Band, das sie verknüpfte.

Der Schmerz, den es hervorrief, ließ Kahlan schockiert erstarren. Nicci kannte das Gefühl nur zu gut, denn sie empfand den gleichen Schmerz.

Ein milchig trübes Licht verband die beiden Frauen von Herz zu Herz. Sein schwankendes Leuchten wuchs zu gleißender Helligkeit an und beförderte den Schmerz in seiner Heftigkeit auf eine neue Ebene.

Kahlans Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Ihre grünen Augen weiteten sich ob der Pein, die sie beide durchflutete – als die in jeder Faser ihrer beiden Existenzen verwurzelte Magie als Reaktion auf das Zeichen des Lichts zu vibrieren begann.

Nicci legte ihre Hände auf ihr Herz, in jenen weiß glühenden Lichtstrahl, und begann ihre Kraft zurückzuziehen.

70

Richard atmete stockend durch und schlug die Augen auf. Irgendwie lag er in einer Stellung, die ihm keine Schmerzen bereitete. Er fürchtete, sich zu bewegen, aus Angst, die überwältigenden Schmerzen könnten wiederkommen.

Wie war das möglich? Schließlich war er mit einem Schwert durchbohrt worden.

In der Dunkelheit um ihn herum war es still; nichts regte sich. Aus der Ferne hörte er das unverminderte Tosen der Schlacht. Ein gewaltiger Aufprall ließ den Boden unter ihm erzittern.