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»Ich war für Seine Exzellenz geschäftlich unterwegs.«

»Natürlich«, erwiderte Schwester Georgia, sich die Hände reibend und mehrmals mit dem Kopf nickend.

Die beiden anderen, die Schwestern Rochelle und Aubrey, legten den Beutel mit den beinernen Knöpfen und Zeltgarn fort, befreiten sich aus meterweise Segeltuch und stellten sich dann neben Schwester Georgia; die beiden neigten leicht den Kopf in Niccis Richtung. Das rätselhafte Ansehen, das sie bei Jagang genoss, machte den dreien Angst.

»Schwester Nicci … Seine Exzellenz ist überaus erzürnt«, begann Schwester Rochelle.

»Er ist außer sich«, bestätigte Schwester Aubrey. »Er … schrie die Wände an, diesmal wärt Ihr zu weit gegangen.«

Nicci starrte sie nur an.

Schwester Aubrey benetzte ihre Lippen. »Wir dachten nur, Ihr solltet es wissen, damit Ihr Vorsicht walten lasst.«

Nicci fand, dies war ein schlechter Augenblick, um damit anzufangen, vorsichtig zu sein. Sie empfand die Unterwürfigkeit von Frauen, die Hunderte von Jahren älter waren als sie, als ärgerlich. »Wo ist Jagang?«

»Er hat ein eindrucksvolles Gebäude, nicht weit außerhalb der Stadt, zu seinem Quartier gemacht«, antwortete Schwester Aubrey. »Früher war es das Anwesen des Ministers für kulturelle Angelegenheiten«, setzte Schwester Rochelle hinzu.

Nicci runzelte die Stirn. »Wieso? Er hat doch seine Zelte.«

»Da Ihr fort wart, hat er beschlossen, dass ein Kaiser ein angemessenes Quartier benötigt«, sagte Schwester Rochelle.

»Angemessen? Angemessen wofür?«

»Um der Welt zu zeigen, wie bedeutend er ist, nehme ich an.«

Schwester Aubrey nickte. »Er lässt einen Palast errichten. In Altur’Rang. Das ist seine neueste Vision.« Sie schwenkte ihren Arm durch die Luft, offenbar um mit ihrer Handbewegung die gewaltigen Ausmaße des Palastes anzudeuten. »Er hat den Bau eines prächtigen Palastes angeordnet.«

»Ursprünglich hatte er vor, den Palast der Propheten zu benutzen«, sagte Schwester Rochelle, »doch da er zerstört wurde, hat er beschlossen, einen neuen zu errichten, nur schöner und größer – es soll der verschwenderischste Palast werden, der je ersonnen wurde.«

Nicci musterte die drei Frauen stirnrunzelnd. »Er wollte den Palast der Propheten, weil dort ein Bann existiert, der einen langsam altern lässt. Das war es, was ihn interessierte.«

Die drei Frauen zuckten mit den Achseln.

Nicci beschlich eine düstere Ahnung, worauf Jagang es abgesehen haben konnte. »Dieses Haus, in dem er sich zurzeit befindet, was tut er dort? Lernt er dort mit etwas anderem zu essen als mit seinen Fingern? Will er herausfinden, wie ihm das feine Leben mit einem Dach über dem Kopf zusagt?«

»Uns hat er nur gesagt, dass er sich zurzeit dort aufhält«, sagte Schwester Georgia. »Die meisten der … jüngeren Frauen hat er mitgenommen. Uns trug er auf, hierzubleiben und uns um alles zu kümmern, falls er den Wunsch verspüren sollte, in seine Zelte zurückzukehren.«

Das klang nicht so, als hätte sich, vom äußeren Rahmen einmal abgesehen, viel verändert.

Nicci seufzte. Ihre Kutsche war fort. Sie würde zu Fuß gehen müssen.

»Also schön. Wie finde ich diesen Ort?«

Nachdem Schwester Aubrey ihr den Weg genau beschrieben hatte, bedankte Nicci sich bei ihnen und wandte sich zum Gehen.

»Schwester Alessandra ist verschwunden«, sagte Schwester Georgia mit einer Stimme, die sich größte Mühe gab, unbekümmert zu klingen.

Nicci blieb auf der Stelle stehen.

Sie drehte sich zu Schwester Georgia um. Die Frau war mittleren Alters und schien jedes Mal, wenn Nicci ihr begegnete, schlimmer auszusehen. Ihre Kleider waren kaum mehr als zerrissene Lumpen, die sie mit einem Stolz trug, als seien sie eine elegante Uniform. Ihr dünnes Haar enthielt mehr Weiß als Braun.

Vielleicht hatte es früher einmal vornehm ausgesehen, jetzt jedoch schien es seit Wochen schon keine Bürste, geschweige denn Seife gesehen zu haben; vermutlich war sie obendrein von Läusen befallen.

Manche Leute freuten sich aufs Älterwerden, gewissermaßen als Ausrede dafür, dass sie altmodisch wurden, so als sei es schon immer ihr größter Ehrgeiz gewesen, fad und unattraktiv zu wirken. Schwester Georgia schien an ihrer Schlampigkeit Gefallen zu finden.

»Was soll das heißen, Schwester Alessandra ist verschwunden?«

Nicci war das kaum merkliche Zucken der Zufriedenheit nicht entgangen. Georgia breitete naiv die Hände aus. »Wir wissen nicht, was passiert ist. Plötzlich stellte sich einfach heraus, dass sie verschollen war.«

Nicci rührte sich noch immer nicht. »Verstehe.«

Schwester Georgia breitete abermals die Hände aus und heuchelte Arglosigkeit. »Das war ungefähr zu der Zeit, als auch die Prälatin verschwand.«

Nicci tat ihnen nicht den Gefallen, ihnen zu zeigen, wie erstaunt sie war.

»Was wollte Verna hier?«

»Nicht Verna«, sagte Schwester Rochelle. Sie beugte sich vor. »Sondern Ann.«

Schwester Georgia warf Rochelle zum Zeichen ihres Missfallens, dass sie die Überraschung verdorben hatte, einen finsteren Blick zu, denn eine Überraschung war es in der Tat. Die alte Prälatin war verstorben – zumindest hatte man Nicci dies berichtet. Seit ihrer Abreise aus dem Palast hatte Nicci von all den anderen Schwestern, Novizinnen und jungen Männern gehört, die der Feuerbestattung von Ann und dem Propheten Nathan in jener Nacht beigewohnt hatten. Wie sie Ann kannte, war offensichtlich eine Art Täuschungsmanöver im Gange, aber dergleichen wäre selbst für sie ungewöhnlich.

Die drei Schwestern strahlten über das ganze Gesicht. Sie schienen ganz versessen darauf, ausgiebig mit ihr zu plaudern.

»Erklärt mir nur das Wichtigste, für die ausführliche Version fehlt mir die Zeit. Seine Exzellenz wünscht mich zu sehen.« Aufmerksam registrierte Nicci, wie das Lächeln der drei erlosch. In gleichmütigem Tonfall fuhr sie fort: »Es sei denn, Ihr wollt riskieren, dass er wütend und voller Ungeduld hier erscheint, um mich zu sehen.«

Die Schwestern Rochelle und Aubrey wurden blass.

Georgia gab ihr Spiel auf und ging wieder dazu über, sich die Hände zu reiben. »Die Prälatin kam ins Lager, als Ihr fort wart, und wurde gefangen genommen.«

»Warum sollte sie sich mitten in die Höhle des Löwen wagen?«

»Um uns zu überreden, mit ihr zusammen zu fliehen«, platzte Schwester Rochelle heraus. Ein schrilles Kichern – eher nervös als amüsiert – sprudelte aus ihr hervor. »Sie erzählte irgendeine alberne Geschichte, die Chimären seien auf freiem Fuß, und die Magie sei im Begriff zu versiegen. Man stelle sich vor! Verrückte Geschichten waren das! Sie erwartete, dass wir ihr glauben…«

»Das also ist passiert…«, sagte Nicci leise, den Blick nachdenklich in die Ferne gerichtet. Sie erkannte augenblicklich, dass dies keinesfalls eine verrückte Geschichte war. Die Einzelteile begannen zueinander zu passen. Nicci hatte stets von ihrer Gabe Gebrauch gemacht, was den anderen nicht gestattet war, daher wussten sie vielleicht nicht, dass die Magie eine Zeit lang versagt hatte.

»Das hat sie wenigstens behauptet«, meinte Schwester Georgia.

»Die Magie hat also versagt«, dachte Nicci laut nach, »und sie glaubte, das würde den Traumwandler daran hindern, Euren Verstand zu kontrollieren.«

Es erklärte womöglich auch so manches andere, was Nicci nicht verstand: zum Beispiel, warum Jagang manchmal nicht in ihren Verstand eindringen konnte.

»Aber wenn die Chimären auf freiem Fuß sind…«

»Waren«, verbesserte Schwester Georgia. »Selbst wenn es für eine Zeit zugetroffen hätte, jetzt sind sie wieder vertrieben. Seine Exzellenz hat ungehinderten Zugang zu uns, wie ich erfreut feststellen kann, und alles andere, was die Magie betrifft, ist wieder ganz normal.«