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Hufschmiede, Balgentreter, Hämmerer, Mühlenarbeiter, Stanzer, Waffenschmiede, Polierer, Lederarbeiter, Nietschläger, Modellschlosser, Silberschmiede, Kunstgraveure, ja sogar Näherinnen für die Herstellung gesteppten und wattierten Leinens, und natürlich auch Lehrlinge – alle kamen von weit her, in der Hoffnung, für ihren Vater arbeiten zu können. Viele der gelernten Handwerker brachten Proben ihrer besten Werkstücke mit, um sie ihm zu zeigen. Niccis Vater wies jedoch weit mehr von ihnen ab, als er einstellte.

Niccis Vater war eine beeindruckende Erscheinung, aufrecht, kantig und voller Ausstrahlung. Nicci hatte stets den Eindruck, dass seine Augen bei der Arbeit mehr sahen als jeder andere, so als spräche das Metall zu ihm, wenn er mit den Fingern darüber strich. Er schien sich gerade nur soviel wie eben nötig zu bewegen, nicht mehr. Für Nicci war er das Sinnbild von Kraft, Stärke und Zielstrebigkeit.

Offiziere, Beamte und Adlige schauten ebenso wie Lieferanten und seine Arbeiter vorbei, um sich mit ihm zu unterhalten. Wenn Nicci den Betrieb ihres Vaters aufsuchte, war sie stets erstaunt, ihn in so viele Gespräche verwickelt zu sehen. Ihre Mutter sagte, das läge daran, dass er arrogant sei und seine armen Arbeiter zwinge, um ihn herumzuscharwenzeln.

Es gefiel Nicci, das komplizierte Zusammenspiel arbeitender Menschen zu beobachten. Gewöhnlich hielten die Arbeiter kurz inne, um ihr zuzulächeln, ihre Fragen zu beantworten und sie manchmal mit einem Hammer auf Metall schlagen zu lassen. Dem Anschein nach genoss es auch ihr Vater, sich mit all diesen Leuten zu unterhalten. Zu Hause war es Mutter, die redete, Vater sprach wenig, und sein Gesicht nahm die Farbe geschmiedeten Stahls an.

Wenn er zu Hause einmal etwas sagte, dann betraf es fast ausschließlich seine Arbeit. Nicci, die alles über ihn und sein Geschäft lernen wollte, nahm jedes Wort begierig auf. Ihre Mutter teilte ihr im Vertrauen mit, sein verruchtes Wesen zerfresse die unsichtbare Seele tief in seinem Innern. Nicci hoffte stets, seine Seele eines Tages erlösen und sie ebenso gesund machen zu können, wie er selbst nach außen hin wirkte.

Er liebte Nicci von ganzem Herzen, schien aber zu glauben, die Aufgabe, sie großzuziehen, sei eine zu weihevolle Aufgabe für seine derben Hände, weshalb er dies ihrer Mutter überließ. Selbst wenn er mit etwas nicht einverstanden war, beugte er sich ihren Wünschen und sagte, sie kenne sich am besten in solchen Familienangelegenheiten aus.

Seine Arbeit ließ ihm kaum Zeit für etwas anderes. Niccis Mutter behauptete, es sei ein Beweis für seine leere Seele, dass er so viel Zeit darauf verwendete, seinen Reichtum zu mehren – andere Menschen zu bestehlen, wie sie es manchmal nannte – statt anderen von sich zu geben, wie es der Schöpfer allen Menschen bestimmt hatte. Kam ihr Vater zum Abendessen nach Hause, während die Hausangestellten noch mit den zahlreichen Speisen, die sie zubereitet hatten, hin und her eilten, ließ sich ihre Mutter oftmals mit gequälter Stimme lang und breit darüber aus, wie schlecht es in der Welt zuging. Nicci hörte die Leute oft sagen, ihre Mutter sei eine Frau von Adel, weil sie so überaus fürsorglich war. Nach dem Abendessen ging ihr Vater gewöhnlich zurück an die Arbeit, oft ohne ein Wort. Das brachte ihre Mutter auf, schließlich war sie längst nicht fertig, ihn über seine Seele aufzuklären, er jedoch war zu beschäftigt, um zuzuhören.

Nicci musste an die Augenblicke denken, als ihre Mutter am Fenster stehend über die dunkle Stadt hinausblickte und sich zweifellos über all die Dinge den Kopf zerbrach, die ihren Seelenfrieden störten. In diesen stillen Nächten schlich Vater sich manchmal von hinten an ihre Mutter heran und legte ihr zärtlich eine Hand auf den Rücken, so als sei sie etwas besonders Kostbares. In diesen Augenblicken wirkte er glücklich und zufrieden. Er kniff ihr sachte in den Hintern und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

Gewöhnlich sah sie dann voller Hoffnung auf und bat ihn, einen Beitrag zu den Bemühungen der von ihr unterstützten Bruderschaft beizusteuern. Meist fragte er dann wie viel, woraufhin sie ihm, so als suche sie dort einen letzten Rest menschlichen Anstands, in die Augen blickte und einen Betrag nannte. In der Regel willigte er daraufhin seufzend ein. Anschließend legte er ihr die Hände um die Hüften, sagte, es sei schon spät und dass sie zu Bett gehen sollten.

Einmal, als er sie nach der Höhe ihre Spendenwunsches fragte, zuckte sie mit den Achseln und erwiderte: »Ich weiß nicht. Was sagt dir dein Gewissen, Howard? Ein Mann von wahrem Mitgefühl würde sich bestimmt weit mehr anstrengen, als du es normalerweise tust, bedenkt man, dass du sehr viel mehr Reichtum besitzt, als dir von Rechts wegen zusteht, und das Elend so groß ist.«

Er seufzte. »Wie viel benötigen du und deine Freunde?«

»Nicht ich und meine Freunde brauchen es, Howard, sondern die Massen von Menschen, die uns um Hilfe bitten. Die Bruderschaft ist lediglich bemüht, dieser Not die Stirn zu bieten.«

»Wie viel?«, wiederholte er.

Sie sagte: »Fünfhundert Goldkronen«, so als sei die Zahl ein hinter ihrem Rücken verborgener Knüppel, den sie, als sie die Bresche sah, auf die sie gewartet hatte, plötzlich schwang, um ihn in Bedrängnis zu bringen.

Erschrocken wankte Niccis Vater einen Schritt zurück. »Hast du eigentlich eine Vorstellung, wie lange man arbeiten muss, um einen Betrag von dieser Höhe zu verdienen?«

»Du arbeitest nicht, Howard – das erledigen deine Sklaven für dich.«

»Sklaven! Das sind die allerbesten Handwerker.«

»Wie könnte es anders sein? Du stiehlst die besten Handwerker von überall aus dem Land.«

»Ich zahle die besten Löhne im ganzen Land! Sie sind ganz versessen darauf, für mich zu arbeiten!«

»Sie sind die bemitleidenswerten Opfer deiner Betrügereien. Du beutest sie aus und verlangst mehr als jeder andere. Du nutzt deine Verbindungen und schließt Verträge, um andere Waffenschmiede auszubooten. Du stiehlst der arbeitenden Bevölkerung das Essen aus dem Mund, nur um dir die Taschen zu füllen.«

»Ich biete allerfeinstes Handwerk! Die Leute kaufen bei mir, weil sie das Beste wollen, und dafür verlange ich einen angemessenen Preis.«

»Niemand verlangt so viel wie du, das ist eine schlichte Tatsache. Du willst immer mehr. Gold ist dein einziger Lebenszweck.«

»Die Leute kommen aus freien Stücken zu mir, weil ich die höchsten Standards biete! Das ist mein Lebenszweck! Die anderen Werkstätten produzieren aufs Geratewohl drauflos, ihre Erzeugnisse halten keiner Prüfung stand. Der Härtungsvorgang bei mir ist von besserer Qualität! All meine Arbeit unterliegt einer zweifachen Qualitätskontrolle! Ich verkaufe keine minderwertige Ware. Die Menschen vertrauen mir, sie wissen, dass ich die besten Stücke herstelle.«

»Das tun deine Arbeiter. Du scheffelst bloß das Geld.«

»Der Profit fließt in die Löhne und zurück ins Geschäft – ich habe grade ein Vermögen für die Anschaffung der neuen Schlagmühle ausgegeben!«

»Geschäft, Geschäft, Geschäft! Wenn ich dich bitte, der Gemeinde, den Notleidenden, ein kleines bisschen zurückzugeben, tust du, als wollte ich dir die Augen ausstechen. Möchtest du lieber Menschen sterben sehen, statt ein kleines Almosen für ihre Errettung zu spenden? Bedeutet dir Geld wirklich mehr als ein Menschenleben, Howard? Bist du ein derart grausamer und herzloser Mann?«

Niccis Vater ließ eine Weile den Kopf hängen, schließlich erklärte er sich stillschweigend bereit, seinen Mann mit dem Gold vorbeizuschicken. Seine Stimme wurde wieder sanft. Er sagte, er wolle nicht, dass Menschen sterben, und hoffe, das Geld werde eine Hilfe sein. Dann fügte er hinzu, es sei Zeit, ins Bett zu gehen.

»Du widerst mich an mit deiner Streiterei, Howard. Du kannst einfach nicht aus freien Stücken wohltätig sein, immer muss man es dir aus der Nase ziehen – obwohl es von Anfang an das Richtige wäre. Du willigst jetzt doch nur wegen deiner geilen Gelüste ein. Glaubst du im Ernst, ich hätte keine Prinzipien?«