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Sie fühlte sich schwindelig und benommen, ihr Sehvermögen drohte zu versagen. Ihre Augen fühlten sich an, als wären sie geborsten, ihr Kiefer, als wäre er zersplittert, ihr Hals, als wären die Muskeln dort gerissen. Nicci lag, den in scharfen Wellen kommenden Schmerz genießend, ausgestreckt auf dem Boden und suhlte sich in dem seltenen Gefühl, überhaupt etwas zu empfinden.

Sie sah das auf den hellen Rand des Teppichs unter ihr und auf den warm glänzenden Holzfußboden gespritzte Blut, sie hörte, wie Jagang sie anbrüllte, verstand aber wegen des Klingens in ihren Ohren die Worte nicht. Mit zitterndem Arm stemmte sie sich hoch in eine halb aufgerichtete Stellung. Blut rann warm über ihre Finger, als sie ihren Mund befühlte. Sie genoss den körperlichen Schmerz. Es war so lange her, dass sie, abgesehen von jenem viel zu kurzen Augenblick bei der Mord-Sith, überhaupt etwas gespürt hatte. Herrlich, diese Flut aus Schmerzen.

Jagangs Brutalität vermochte bis in diese Tiefen vorzudringen, nicht nur wegen seiner Grausamkeit an sich, sondern weil sie wusste, dass sie nicht gezwungen war, sie auszuhalten. Auch ihm war klar, dass sie aus freien Stücken hier war, und nicht weil er es wollte. Das verstärkte seine Wut nur noch und damit ihre Empfindungen.

Sein Zorn schien tödlich. Sie nahm lediglich zur Kenntnis, dass sie diesen Raum höchstwahrscheinlich nicht lebend verlassen und wohl auch nicht mehr dazu kommen würde, Schwester Lidmilas Zauberkünste kennen zu lernen. Nicci harrte einfach jener Dinge, die das Schicksal längst für sie entschieden hatte.

Schließlich ließ das Drehen des Zimmers so weit nach, dass sie sich ein weiteres Mal aufrappeln konnte. Sie richtete sich vor der stummen, stämmigen Gestalt von Kaiser Jagang zu ihrer vollen Größe auf. Auf seinem kahl rasierten Schädel spiegelten sich Lichtpunkte von einigen der Lampen. Seine einzige Gesichtsbehaarung bestand aus einem fünf Zentimeter langen geflochtenen Schnurrbart, der über beiden Mundwinkeln wuchs, sowie einem weiteren geflochtenen Bart mitten unter seiner Unterlippe. Der goldene Ring in seinem linken Nasenflügel sowie das daran befestigte Goldkettchen, das zu einem weiteren Ring in seinem linken Ohr reichte, funkelten im weichen Schein der Lampen. Von einem schweren Ring an jedem Finger abgesehen, hatte er auf das erbeutete Sortiment aus königlichen Ketten und Juwelen verzichtet, das er gewöhnlich um den Hals trug. Auf den Ringen glänzte ihr Blut.

Seine Brust war nackt, doch im Gegensatz zu seinem Schädel war sie mit derbem Haar bedeckt. Seine Muskeln wölbten sich, und ihre Sehnen traten hervor, wenn er die Fäuste ballte. Er besaß den Nacken eines Stiers und ein Gemüt, das noch schlimmer war.

Nicci, einen halben Kopf kleiner als er, stand abwartend vor ihm und blickte in die Augen, die sie aus ihren Albträumen kannte. Sie waren von einem dunklen Grau, ohne jedes Weiß, das von düsteren, dämmrigen Partikeln getrübt wurde, die langsam über eine Oberfläche aus tintengleicher Dunkelheit zu treiben schienen. Obwohl sie keine erkennbare Iris oder Pupille aufwiesen – dort wo ein normaler Mensch Augen hatte, war nichts als eine scheinbar finstere Leere –, hatte sie nie den geringsten Zweifel, wann er sie ansah.

Es waren die Augen eines Traumwandlers, eines Traumwandlers, dem der Zugang zu ihrem Verstand verwehrt war. Jetzt begriff sie auch, warum.

»Nun?«, brummte er. Er warf die Hände über den Kopf. »Schreit doch! Brüllt! Fleht und diskutiert – macht Ausflüchte! Steht nicht einfach so herum!«

Nicci schluckte den scharfen Geschmack von Blut und blickte ihm seelenruhig in seine zornesroten Augen.

»Bitte macht präzise Angaben, Euer Exzellenz, was Ihr vorziehen würdet, wie lange ich damit fortfahren soll, ob ich es aus eigenem Antrieb beenden oder warten soll, bis Ihr mich bewusstlos schlagt.«

Mit wütendem Geheul warf er sich auf sie, umschloss ihren Hals mit seiner massigen Hand und hielt sie fest, während er sie schlug. Ihre Knie gaben nach, doch er hielt sie aufrecht, bis es ihr gelang, sich wieder zu fangen.

Er ließ ihre Kehle los und stieß sie fort. »Ich will wissen, warum Ihr das Kadar angetan habt!«

Sie hatte für seinen Zorn nur ein blutverschmiertes Grinsen.

Er bog ihr den Arm auf den Rücken und zog sie fest an seinen Körper. »Warum tut Ihr so etwas? Warum?«

Der tödliche Tanz mit Jagang hatte begonnen. Wieder einmal fragte sie sich matt, ob sie diesmal ihr Leben lassen würde.

Jagang hatte eine ganze Reihe von Schwestern getötet, die sein Missfallen erregt hatten. Dass Nicci sich in seiner Gegenwart sicher fühlte – wenn man davon sprechen konnte –, lag an ihrer Gleichgültigkeit gegenüber jeglichem Gefühl von Sicherheit. Ihr völliges Desinteresse an ihrem eigenen Leben faszinierte Jagang, weil er wusste, dass es ehrlich war.

»Manchmal benehmt Ihr Euch wie ein Narr«, erwiderte sie in aufrichtiger Verachtung, »Ihr seid zu überheblich, um zu erkennen, wen Ihr vor Euch habt.«

Er verdrehte ihr den Arm, bis sie sicher war, er werde brechen. Sie spürte seinen keuchenden Atem warm auf ihrer pochenden Wange. »Ich habe Menschen schon für sehr viel harmlosere Bemerkungen getötet.«

Trotz ihrer Schmerzen verspottete sie ihn. »Dann habt Ihr offenbar die Absicht, mich zu Tode zu langweilen? Wenn Ihr mich töten wollt, dann packt meine Kehle und erwürgt mich, oder zerstückelt mich zu einer blutigen Masse, damit ich zu Euren Füßen verblute – aber glaubt nicht, Ihr könnt mich mit dem bloßen Gewicht Eurer immer gleichen Drohungen ersticken. Wenn Ihr mich umbringen wollt, dann seid ein Mann und tut es! Wenn nicht, dann haltet den Mund.«

Die meisten Menschen begingen bei Jagang den Fehler, ihn wegen seiner Fähigkeit zu äußerster Brutalität für einen ungebildeten, dummen Rohling zu halten. Das war er keineswegs, sondern einer der intelligentesten Männer, denen Nicci je begegnet war. Brutalität war nichts als seine Maskerade. Als Folge seines Zugangs zum Verstand so vieler unterschiedlicher Menschen war er ihrem Wissen, ihrer Klugheit und ihren Ideen unmittelbar ausgesetzt, und dieses Ausgesetztsein mehrte sein Denkvermögen, seinen Verstand. Zudem wusste er genau, wovor die Menschen sich am meisten fürchteten. Wenn ihr etwas an ihm Angst machte, dann gewiss nicht seine Brutalität, sondern seine Intelligenz, denn sie war sich darüber im Klaren, dass Intelligenz ein bodenloser Quell wahrhaft erfinderischer Grausamkeit sein konnte.

»Warum habt Ihr ihn umgebracht, Nicci?«, wiederholte er seine Frage, wobei seine Stimme ein wenig von ihrer Erregtheit verlor.

In ihrem Verstand befand sich, einem steinernen Schutzwall gleich, der Gedanke an Richard, was er ihr offenbar an den Augen ablesen konnte. Jagangs Zorn, das wusste sie, beruhte zum Teil auf seinem Unvermögen, in ihren Verstand einzudringen und sie auf dieselbe Weise zu beherrschen, wie er dies bei anderen konnte. Ihr wissendes Grinsen verhöhnte ihn wegen etwas, das ihm verwehrt war.

»Es hat mich amüsiert zu hören, wie der große Kadar Kardeef um Gnade winselt, und sie ihm anschließend zu verwehren.«

Jagang brüllte erneut, ein viehisches Geräusch, das in einem gediegenen Schlafgemach wie diesem völlig fehl am Platz war. Sie gewahrte die verschwommenen Umrisse seines Armes, als er nach ihr schlug. Das Zimmer drehte sich heftig, und sie erwartete, mit Knochen zermalmender Wucht irgendwo gegen zu prallen. Stattdessen überschlug sie sich und landete auf etwas unerwartet Weichem: dem Bett, wie sie erkannte. Irgendwie hatte sie die Marmor- und Mahagonipfosten an den Ecken verfehlt – sie hätten sie mit Sicherheit getötet. Das Schicksal schien seinen Spaß mit ihr zu treiben; Jagang landete auf ihr.

Sie glaubte, er werde sie jetzt zu Tode prügeln, stattdessen musterte er aus kürzester Entfernung ihre Augen. Er richtete sich auf, setzte sich rittlings auf ihre Hüften und zerrte mit seinen fleischigen Händen an der Korsettverschnürung ihres Kleides. Mit einem plötzlichen Ruck zerriss er den Stoff, legte ihre Brüste frei und knetete ihr nacktes Fleisch, bis ihr die Tränen kamen.

Nicci sah ihn dabei weder an, noch leistete sie Widerstand, vielmehr ließ sie ihren Körper vollkommen erschlaffen, als er ihr das Kleid über die Hüften schob. Ihr Verstand begann in ferne Gefilde abzudriften, die nur sie allein betreten konnte. Er ließ sich auf sie fallen und presste ihr die Luft aus den Lungen, die mit einem hilflosen Stöhnen entwich.