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Allmählich zeigte sich ein Lächeln im Gesicht des Mannes. »Nun, das ist in der Tat bemerkenswert.« Er kratzte sich am Kopf und sah erst seinen Kameraden an, dann wieder Zedd. »Ihr habt Recht, genau das ging mir gerade durch den Kopf; dass Eure Behauptung, Ihr wüsstet von den Bogenschützen dort drüben in der Dunkelheit, gelogen sein könnte.«

»Seht Ihr, junger Mann? So gerissen seid Ihr auch wieder nicht.«

»Ganz recht, Sir, bin ich nicht. Da war ich doch so sehr damit beschäftigt, mit Euch zu reden und mich von Euren Zauberkräften einschüchtern zu lassen, dass ich glatt vergessen habe, zu erwähnen, was da in der Dunkelheit sonst noch ein Auge auf Euch hält…« – der Soldat senkte seine Brauen – »und das dürfte Euch größere Schwierigkeiten bereiten als nur Pfeile, möchte ich behaupten.«

Zedd sah den Mann stirnrunzelnd von oben herab an. »Also jetzt passt mal auf…«

»Warum tut Ihr nicht, was ich sage, und kommt hier herunter ins Licht, wo ich Euch besser sehen kann, und beantwortet ein paar von unseren Fragen?«

Zedd gab sich seufzend geschlagen, saß ab und gab Spinne einen beruhigenden Klaps auf den Hals. Spinne, eine kastanienbraune Stute, hatte eine vielbeinige Zeichnung auf ihrem cremefarbenen Hinterteil, der sie ihren Namen verdankte. Jung, kräftig und von angenehm feurigem Wesen, war sie eine angenehme Reisegefährtin; die beiden hatten bereits viel zusammen durchgemacht.

Zedd trat in den intimen Schein des Wachfeuers. Er drehte seine Hand nach oben und erzeugte unmittelbar über seiner Handfläche eine weiß glühende Flamme. Die beiden Soldaten bekamen große Augen. Zedd setzte eine mürrische Miene auf.

»Ich habe mein eigenes Feuer, wenn Ihr unbedingt mehr erkennen wollt. Hilft Euch das, die Dinge in einem klareren Licht zu sehen, Sergeant?«

»Äh … ja, gewiss doch, Sir, das tut es«, stammelte der Mann.

»Ja, das tut es in der Tat«, bestätigte eine Frau und trat ins Licht. »Warum habt Ihr nicht einfach Euer Han gebraucht und ihnen gleich von vornherein eine Kostprobe Eures Könnens gezeigt?« Sie winkte in die Dunkelheit, als gebe sie anderen ein Zeichen zurückzubleiben. Als sie sich wieder umdrehte, war ihr Lächeln nicht mehr als höflich. »Willkommen, Zauberer.«

Zedd verneigte sich von der Hüfte aufwärts. »Zeddicus Z’ul Zorander, Oberster Zauberer, zu Euren Diensten.«

»Schwester Philippa, Zauberer Zorander. Ich bin eine Gehilfin der Prälatin.«

Auf ein Zeichen von ihr nahm der Sergeant Zedd die Zügel aus der Hand und führte das Pferd fort. Zedd versetzte dem Mann einen Klaps auf den Rücken, um ihm zu zeigen, dass er ihm nichts verübelte, anschließend gab er Spinne einen ähnlichen Klaps, um ihr zu verstehen zu geben, dass es in Ordnung war, mit dem Soldaten zu gehen.

»Behandelt sie besonders gut, Sergeant. Spinne ist eine gute Freundin von mir.«

Der Sergeant salutierte mit einem saloppen Faustschlag auf sein Herz. »Dann wird sie auch wie eine gute Freundin behandelt werden, Sir.«

Nachdem die Soldaten Spinne weggeführt hatten, sagte Zedd: »Ihr meint natürlich Prälatin Verna.«

»Oh, ja, selbstverständlich. Prälatin Verna.«

Die Schwestern des Lichts wussten nicht, dass Ann noch lebte, zumindest hatte sie noch gelebt, als Zedd sie vor mehreren Monaten das letzte Mal gesehen hatte. Damals hatte Ann etwas in ihr Reisebuch geschrieben und Verna mitgeteilt, dass sie am Leben sei, hatte sie aber darüber hinaus gebeten, diese Information erst einmal für sich zu behalten. Zedd hatte gehofft, Ann sei inzwischen zusammen mit ihren Schwestern des Lichts im d’Haranischen Feldlager eingetroffen. Es betrübte ihn zu hören, dass dem nicht so war, denn das ließ Schlechtes für sie ahnen.

Zedd hatte keine besonders hohe Meinung von den Schwestern des Lichts – lebenslange Ablehnung ließ sich nicht einfach unter den Teppich kehren –, aber er hatte gelernt, Ann als eine Frau von Selbstdisziplin und Entschlossenheit zu respektieren, auch wenn er von einigen ihrer Überzeugungen und früheren Zielen nicht viel hielt. Er wusste jedoch, dass zumindest er und Ann eine Reihe von wichtigen Werten teilten. Was die übrigen Schwestern anbetraf, war er sich dessen jedoch nicht so sicher.

Schwester Philippa schien mittleren Alters zu sein, doch bei Schwestern musste das nicht viel bedeuten. Vielleicht hatte sie gerade mal ein Jahr im Palast der Propheten gelebt, vielleicht aber auch Jahrhunderte. Mit ihren dunklen Augen und den hohen Wangenknochen mutete sie exotisch an. Wie in den Midlands, so gab es auch in der Alten Welt Orte, an denen die Menschen unverwechselbare äußerliche Merkmale aufwiesen. Schwester Philippa bewegte sich, wie man dies des Öfteren bei hochmütigen Frauen beobachten konnte: wie ein Schwan in Menschengestalt.

»Womit kann ich Euch dienen, Zauberer Zorander?«

»Zedd genügt vollkommen. Ist Eure Prälatin wohl noch wach?«

»Ist sie. Wenn Ihr mir bitte hier entlang folgen wollt, Zedd.« Zedd folgte der Frau, als diese auf die dunklen Umrisse der Zelte zuschwebte. »Kann man hier vielleicht irgendwo etwas zu essen bekommen?«

Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Um diese Zeit noch?«

»Nun, ich habe eine anstrengende Reise hinter mir … und so spät ist es doch noch gar nicht, oder?«

Sie musterte ihn kurz im Dunkeln. »Die Lehren des Schöpfers haben mich in dem Glauben bestärkt, dass es nie zu spät ist. Übrigens wirkt Ihr tatsächlich ausgezehrt – von Euren Reisen, wie ich stark vermute.« Ihr Lächeln wurde ein wenig herzlicher. »Es steht immer etwas zu essen bereit; einige Soldaten sind die ganze Nacht im Dienst und müssen mit Essen versorgt werden. Ich denke, ich kann etwas für Euch auftreiben.« Sie richtete ihren Blick wieder auf den kaum erkennbaren Pfad.

»Ihr würdet mir damit eine große Gefälligkeit erweisen«, erwiderte Zedd mit aufgeräumter Stimme, während er ihrem Rücken finstere Blicke hinterher schleuderte. »Im Übrigen bin ich nicht ausgezehrt, sondern drahtig. Die meisten Frauen fühlen sich zu schlanken Männern hingezogen.«

»Ach, tatsächlich? Das wusste ich noch gar nicht.«

Schwestern des Lichts waren doch ein überheblicher Schlag, dachte Zedd wehmütig. Über Tausende von Jahren war es für sie einer Todesstrafe gleichgekommen, auch nur einen Fuß in die Neue Welt zu setzen. Zedd war stets ein wenig nachsichtiger gewesen – wenn auch nicht sehr. Früher hatten die Schwestern die Neue Welt ausschließlich aufgesucht, um Knaben mit der Gabe zu entführen – um sie zu retten, wie sie behaupteten. Dabei oblag die Ausbildung von Zauberern ausschließlich einem anderen Zauberer. In Zedds Augen war es ein überaus schweres Verbrechen, wenn sie einen Knaben hinter die große Barriere und in ihren Palast verschleppten.

Erst im letzten Winter waren sie aus ebendiesem Grund erschienen und hatten Richard mitgenommen. Schwester Verna hatte ihn gefangen genommen und in die Alte Welt verschleppt. Womöglich hätte er unter dem Bann ihres Palastes Jahrhunderte dort zubringen müssen. Und ausgerechnet mit den Schwestern des Lichts hatte Richard sich angefreundet.

Vermutlich waren er und die Schwestern quitt – sie hatten allen Grund, Zedd in einem schlechten Licht zu sehen, schließlich hatte er jenen Bann bewirkt, mit dessen Hilfe Richard ihren Palast zerstört hatte. Allerdings hatte Ann ihn dabei unterstützt, denn sie wusste, nur so war zu verhindern, dass Jagang den Palast eroberte und die darin enthaltenen Prophezeiungen für eigene Zwecke in seinen Besitz brachte.

Überall streiften Wachtposten, hoch gewachsene Wachtposten, durch das Feldlager, in ihren Kettenpanzern und Lederrüstungen boten sie einen beeindruckenden Anblick. Nichts entging ihnen, während sie fast unbemerkt durch die Dunkelheit schlichen. Gemessen an seiner Größe, war es im Lager verhältnismäßig still. Geräusche konnten einem Feind eine Vielzahl von Informationen verraten, es war dennoch nicht leicht, dafür zu sorgen, dass die Soldaten sich ruhig verhielten.