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»Ich bin erleichtert, dass der erste Eindringling mit der Gabe sich als Freund herausgestellt hat«, meinte die Schwester.

»Und ich stelle zu meiner Freude fest, dass die mit der Gabe helfen, Wache zu halten, zumal es Methoden feindlichen Eindringens gibt, die von regulären Posten nicht identifiziert werden können.« Zedd fragte sich, ob man hier tatsächlich auf diese Art von Schwierigkeiten vorbereitet war.

»Wenn sie etwas mit Magie zu tun haben, werden wir zur Stelle sein, um sie aufzuspüren.«

»Vermutlich hattet Ihr schon die ganze Zeit ein Auge auf mich geworfen.«

»Ganz recht«, sagte Schwester Philippa. »Vom Augenblick an, als Ihr den Hügelzug dort hinten überquert habt.«

Zedd kratzte sich am Kinn. »Tatsächlich? So lange schon?«

Selbstgefällig schmunzelnd erwiderte sie: »So lange schon.«

Er spähte über seine Schulter hinaus in die Nacht. »Ihr beide also. Ausgezeichnet.«

Sie blieb stehen und wandte sich zu ihm herum. »Beide? Ihr wusstet, dass wir Euch zu zweit beobachtet haben?«

Zedd lächelte erstaunt. »Aber ja. Ihr habt mich nur beobachtet, sie dagegen ist mir in etwas größerer Entfernung gefolgt und hat dabei eine kleine Gemeinheit zusammengezaubert, falls ich mich als Feind herausstellen sollte.«

Schwester Philippa kniff erstaunt die Augen zusammen. »Bemerkenswert. Ihr konntet spüren, wie sie ihr Han berührt? Auf diese Entfernung?«

Zedd nickte voller Genugtuung. »Man hat mich nicht nur wegen meiner Drahtigkeit zum Obersten Zauberer ernannt.«

Endlich wirkte Schwester Philippas Lächeln aufrichtig. »Ich bin froh, dass Ihr als Freund gekommen seid und nicht in böser Absicht.«

Darin lag mehr Wahrheit, als die Frau wissen konnte. Zedd besaß Erfahrung in dem unangenehmen, schmutzigen Geschäft der Kriegführung mit Hilfe von Magie. Als er in die Nähe ihres Lagers kam, hatte er die Lücken in ihrer Verteidigung und die Schwachstellen in der Verwendung ihrer Magie zu diesem Zweck sofort bemerkt. Sie dachten nicht so, wie ihr Feind denken würde. Wäre er in böser Absicht gekommen, das gesamte Lager wäre jetzt in Aufruhr, ganz gleich, was sie unternommen hätten, um sich gegen jemanden wie ihn zu wappnen.

Schwester Philippa wandte sich wieder der Dunkelheit zu und führte ihn weiter. Für Zedd hatte es etwas Beklemmendes, durch ein d’Haranisches Feldlager zu spazieren – auch wenn er wusste, dass sie mittlerweile auf derselben Seite kämpften. Einen Großteil seines Lebens hatte er damit verbracht, die D’Haraner als seine Todfeinde zu behandeln; Richard hatte das alles verändert. Zedd seufzte. Manchmal, überlegte er, ist Richard glatt im Stande, sich mit Blitz und Donner anzufreunden und die beiden zum Abendessen einzuladen.

Ringsum schälten sich die Umrisse von Zelten und Karren aus der Dunkelheit. Langwaffen standen senkrecht in ordentlichen Reihen bereit, für den Fall, dass sie schnell benötigt wurden. Einige Soldaten lagen schnarchend in ihren Zelten, andere hockten, sich mit gedämpfter Stimme unterhaltend oder leise lachend im Dunkeln, während wieder andere in den tiefdunklen Schatten ihre Runde machten. Sie gingen so nah an Zedd vorüber, dass er ihren Atem riechen konnte, ihre Gesichter waren bei dieser Dunkelheit jedoch nicht zu erkennen.

Man hatte an jeder denkbaren Zugangsroute gut getarnte Posten aufgestellt. Im Lager gab es nur sehr wenige Feuer, und das waren größtenteils etwas abseits der Hauptstreitmacht gelegene Wachfeuer, so dass die Masse des Lagers ein dunkles, nachtschwarzes Loch bildete. Manche Armeen setzten einen beträchtlichen Teil der anfallenden Arbeiten über Nacht fort, führten Reparaturen durch, stellten Dinge her, die gebraucht wurden, und überließen es im Übrigen den Soldaten, sich nach eigenem Gutdünken zu beschäftigen. Die Männer hier verhielten sich die ganze Nacht über still, so dass aufmerksame Augen und lauschende Ohren, wenn überhaupt, für eine angreifende Streitmacht nur wenig Nützliches in Erfahrung bringen konnten. Dies waren gut ausgebildete, disziplinierte Berufssoldaten. Aus der Ferne war die Größe des Lagers schwer einzuschätzen, doch es musste gewaltig sein.

Schwester Philippa führte Zedd zu einem verhältnismäßig großen Zelt, einem, das groß genug war, um aufrecht darin zu stehen. Der Schein der drinnen hängenden Lampen ließ Wände und Dach aus Zeltleinwand in einem sanften, bernsteinfarbenen Licht erglühen. Sie tauchte unter einer Leine hindurch und steckte ihren Kopf zur Zeltöffnung hinein.

»Hier draußen wartet ein Zauberer, der die Prälatin zu sprechen wünscht.«

Von drinnen vernahm Zedd gedämpfte, erstaunte Worte der Bestätigung.

»Geht nur hinein.« Schwester Philippa versetzte ihm lächelnd einen sanften Stoß in den Rücken. »Ich werde sehen, ob ich für Euch etwas zum Abendessen auftreiben kann.«

»Dafür wäre ich Euch nicht nur dankbar, ich stünde geradezu tief in Eurer Schuld«, erwiderte Zedd.

Als er in das Zeltinnere trat, erhoben sich die Anwesenden bereits, um ihn zu begrüßen.

»Zedd! Du alter Narr! Du lebst!«

Zedd grinste, als Adie, die alte, in ihrer gemeinsamen Wahlheimat Westland als Knochenfrau bekannte Hexenmeisterin, sich in seine Arme warf. Er gab ein Grunzen von sich, als sie ihm für einen Augenblick den Atem aus den Lungen presste, dann strich er ihr über das gerade geschnittene, kinnlange schwarz-graue Haar und nahm ihren Kopf an seine Brust.

»Ich habe dir doch versprochen, du würdest mich Wiedersehen, oder etwa nicht?«

»Ja, das hast du.« Sie löste sich, hielt ihn bei den Armen und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Dann langte sie nach oben und strich seine widerspenstigen, welligen weißen Haare glatt.

»Du siehst so bezaubernd aus wie immer«, meinte er zu ihr.

Sie musterte ihn aus ihren vollkommen weißen Augen. Man hatte ihr bereits als junger Frau das Augenlicht genommen, daher sah Adie jetzt mittels ihrer Gabe. In mancher Hinsicht sah sie besser als zuvor.

»Wo ist dein Hut?«

»Mein Hut?«

»Ich habe dir einen eleganten Hut gekauft, den du verloren hast. Wie ich sehe, hast du ihn noch immer nicht ersetzt. Du hast gesagt, du wolltest dir einen anderen besorgen. Ich meine sogar, du hättest es versprochen.«

Zedd konnte den Hut mit der langen Feder nicht ausstehen, den sie ihm gekauft hatte, als sie seine übrigen Kleidungsstücke erstanden hatten. Viel lieber trüge er das schlichte Gewand, das sich für einen Zauberer von seinem Rang und seiner Machtbefugnis ziemte, doch das hatte Adie ›verloren‹, nachdem er das ausgefallene, kastanienbraune Gewand mit den schwarzen Ärmeln und den kapuzenartigen Schultern gekauft hatte, das er gegenwärtig trug. Drei Reihen Silberbrokat umringten die Manschetten, noch üppigerer Goldbrokat zog sich um die Halspartie und lief an der Vorderseite herab. Ein roter, mit einer goldenen Schnalle abgesetzter Samtgürtel raffte den gesamten Aufzug an seiner schmalen Taille. Normalerweise wiesen derartige Kleider eine Person mit der Gabe als Neuling aus. Bei jemandem, der die Gabe nicht besaß, deuteten solche Kleider auf einen Adligen oder, in den meisten Gegenden, auf einen reichen Kaufmann hin, daher hatte sich diese protzige Aufmachung, obwohl sie Zedd missfiel, gelegentlich als nützliche Verkleidung erwiesen. Davon abgesehen mochte Adie ihn in dem kastanienbraunen Gewand. Der Hut jedoch war ihm zu viel, deshalb hatte er ihn ›dummerweise verlegt‹.

Ihm war nicht entgangen, dass es Adie gelungen war, ihre schlichten Kleider die ganze Zeit über anzubehalten. Gelbe und rote, in der Form uralter Symbole ihres Handwerks als Hexenmeisterin aufgenähte Perlen um die Halspartie ihres Gewandes waren ihr einziger Schmuck.

»Ich war sehr beschäftigt«, sagte er und machte eine wegwerfende Handbewegung, in der Hoffnung, die Angelegenheit sei damit erledigt, »sonst hätte ich den Hut längst ersetzt.«