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»Ich habe entsprechende Berichte erhalten«, bestätigte General Reibisch. Seine Bitterkeit verriet Zedd, dass die Darstellung in den Berichten zutreffend gewesen sein musste. »Ich habe aber auch gehört, die Lage habe sich erheblich beruhigt.«

Zedd nickte. »Anfangs ging der Orden mit brutaler Härte zu Werk, zurzeit jedoch erspart ›Jagang der Gerechte‹, wie sie ihn mittlerweile nennen, ihnen zusätzliches Leid. Anders als in Fairfield, wo das bisher größte Gemetzel stattfand, sehen die Menschen in den meisten Ortschaften in ihm inzwischen einen Befreier, der gekommen ist, sie zu erlösen und in ein besseres Leben zu führen. Sie denunzieren Nachbarn oder Reisende – jeden, von dem sie annehmen, dass er kein Verfechter der hehren Ideale des Ordens ist.

Ich hatte Anderith hinter mir gelassen und verbrachte lange Zeit hinter den feindlichen Linien mit Suchen – ohne Erfolg. Anschließend zog ich hinauf in die Wildnis und dann nach Norden, wo ich eine Anzahl von kleineren Ortschaften und sogar Städten aufsuchte, konnte aber keine Spur von ihnen entdecken. Vermutlich hat es zu lange gedauert, bis meine Fähigkeiten wiederhergestellt waren; erst vor kurzem habe ich erfahren, wo Ihr Euch aufhaltet. Ich muss Euch ein Lob aussprechen, General, Ihr habt die Anwesenheit Eurer Truppen gut geheim gehalten – ich habe ewig gebraucht, um Eure Armee zu finden. Aber der Junge scheint spurlos verschwunden zu sein.« Zedd ballte die Fäuste in seinem Schoß. »Ich muss ihn unbedingt finden.«

»Meinst du Richard?«, fragte Adie. »Du hast deinen Enkelsohn gesucht?«

»Ja. Richard und Kahlan, alle beide.« In einer Geste der Hilflosigkeit warf Zedd die Hände in die Luft. »Allerdings ohne jeden Erfolg, wie ich gestehen muss. Ich habe niemanden gesprochen, der auch nur eine Spur von ihnen gesehen hätte. Alle meine Fertigkeiten habe ich eingesetzt, aber es hat nichts genützt. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, sie haben aufgehört zu existieren.«

Die anderen sahen sich gegenseitig an. Zedd schaute fragend von einem überraschten Gesicht zum nächsten, zum ersten Mal seit Monaten stiegen seine Hoffnungen wieder. »Was? Was ist denn? Ist Euch etwas zu Ohren gekommen?«

Verna deutete unter die Bank. »Zeigt es ihm, General.«

Auf ihre Bitte holte der General eine eingerollte Karte hervor, die er mit seinen schwieligen Händen auseinanderrollte und auf dem Boden vor seinen Füßen ausbreitete. Die Karte lag so gedreht, dass Zedd sie einsehen konnte. General Reibisch tippte auf das Gebirge westlich von Kernland.

»Genau dort, Zedd.«

»Was ist genau dort?«

»Richard und Kahlan«, erklärte Verna.

Zedd starrte erst in ihr Gesicht, dann hinunter auf die Karte. General Reibischs Finger verharrten über einer wild zerklüfteten Gebirgslandschaft. Das Gebirge kannte Zedd, es war eine unwirtliche Gegend.

»Dort oben? Gütige Seelen, warum sollten Richard und Kahlan sich so weit oben an einem so gefährlichen Ort aufhalten? Was haben sie dort nur verloren?«

»Kahlan ist verletzt«, versuchte Adie ihn zu beschwichtigen.

»Verletzt?«

»Sie stand bereits auf der Schwelle in das Reich der Seelen. Nach dem, was man uns berichtet hat, hat sie vielleicht schon die Welt auf der anderen Seite des Schleiers gesehen.« Adie deutete auf die Karte. »Richard hat sie dorthin gebracht, damit sie sich erholt.«

»Aber … warum sollte er so etwas tun?« Zedd drückte das widerspenstige weiße Haar auf seinem Scheitel platt. Seine Gedanken kreisten wirr durcheinander, da er alles gleichzeitig zu verstehen versuchte. »Man hätte sie doch heilen können…«

»Nein. Sie wurde verzaubert. Hätte man sie mit Hilfe von Magie zu heilen versucht, wäre ein heimtückischer, verborgener Zauber entfesselt worden und sie wäre gestorben.«

Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Gütige Seelen … was bin ich froh, dass der Junge rechtzeitig davon erfahren hat.« Bevor die grausige Erinnerung an die Schreie sich lärmend vor seine anderen Gedanken schieben konnte, schlug Zedd im Geist die Tür vor ihnen zu. Er musste schlucken, so quälend waren die, die dennoch hindurchschlüpften. »Aber trotzdem, warum sollte er dorthin gehen? Er wird hier gebraucht.«

»Das ganz zweifellos«, meinte Verna gereizt. Ihrem Ton nach war dies ein heikles Thema.

»Er kann nicht herkommen«, sagte Warren. Als Zedd ihn daraufhin bloß anstarrte, erklärte er sich näher. »Wir sind noch nicht vollkommen im Bild, vermuten aber, dass Richard einer Art Prophezeiung folgt.«

»Prophezeiung!« Zedd winkte ab. »Mit Rätseln hat Richard nichts am Hut; er kann sie nicht ausstehen und würde ihnen niemals Beachtung schenken. Manchmal wünsche ich, er täte es, aber dazu wird es niemals kommen.«

»Nun, dieser einen schenkt er Beachtung.« Warren presste seine Lippen für einen Augenblick fest aufeinander. »Es ist seine eigene.«

»Seine eigene … was?«

Warren räusperte sich. »Seine eigene Prophezeiung.«

Zedd sprang auf. »Was! Richard? Unsinn.«

»Er ist ein Kriegszauberer«, gab Verna mit sanftem Nachdruck zu bedenken.

Zedd ließ einen finsteren Blick über die plötzlich vorsichtig gewordenen Mienen wandern. Er raffte schwungvoll sein Gewand und setzte sich wieder auf seinen Platz an Adies Seite.

»Und was besagt diese Prophezeiung?«

Warren zwirbelte einen kleinen Zipfel seines violetten Gewandes um seinen Finger. »Darüber hat er sich nicht näher ausgelassen.«

»Hier.« General Reibisch zog einige gefaltete Papiere aus einer Tasche. »Er hat mir Briefe geschrieben. Jeder von uns hat sie gelesen.«

Zedd stand auf und riss dem General die Briefe aus seiner großen Hand, dann ging er zum Tisch und strich die Seiten glatt. Unter den stummen Blicken der anderen beugte Zedd sich darüber und las Richards vor ihm liegende Worte.

Paradoxerweise wandte sich Richard kraft seiner Machtbefugnis von der Idee der Herrschaft ab. Er schrieb, nach eingehenden Überlegungen sei er zu einer Erkenntnis gelangt, die ihn mit der Wucht einer Vision überkommen habe. Seitdem sei er jenseits allen Zweifels überzeugt, dass seine Unterstützung in die sichere Katastrophe führen werde.

In den folgenden Briefen erzählte Richard, er und Kahlan befänden sich in Sicherheit und sie sei allmählich auf dem Weg der Besserung. Cara sei ebenfalls bei ihnen. Als Reaktion auf Briefe, die General Reibisch und andere ihm geschrieben hatten, hielt Richard unverrückbar an seiner Einschätzung fest und warnte sie, der Kampf für die Freiheit sei für immer verloren, wenn es ihm nicht gelänge, auf seinem rechten Weg zu bleiben. Er schrieb, er werde, ganz gleich, welche Entscheidungen General Reibisch oder die anderen träfen, niemals widersprechen oder Kritik üben, und fügte hinzu, er sei im Herzen bei ihnen, doch auf absehbare Zeit seien sie auf sich gestellt. Vielleicht, schrieb er, sogar für immer.

Im Grunde enthielten seine Briefe keine konkreten Informationen, wenn man von den Anspielungen auf sein Verständnis der Prophezeiung und der unmissverständlichen Erklärung absah, dass sie keinerlei Unterweisung von ihm erwarten konnten. Nichtsdestoweniger vermochte Zedd zwischen den Zeilen einiges herauszulesen.

Nachdem er sie gelesen hatte, starrte Zedd noch lange auf die Briefe. Die Flamme der Lampe schwankte leicht hin und her, flackerte gelegentlich und sonderte einen sich kräuselnden Faden öligen Rauchs ab. Draußen vor dem Zelt vernahm er gedämpfte Stimmen, als Soldaten auf Patrouillengang Informationen austauschten. Drinnen herrschte Schweigen.

Vernas Gesicht war angespannt vor Sorge, sie konnte sich nicht länger zurückhalten. »Wann werdet Ihr ihn aufsuchen, Zedd, und ihn überzeugen, dass er den Kampf wieder aufnehmen muss?«

Zedd ließ die Finger behutsam über die Zeilen auf dem Papier wandern. »Das kann ich nicht. Dieses eine Mal kann ich ihm nicht helfen.«

»Aber er ist in diesem Kampf unser Anführer.« Das weiche Licht der Lampe betonte die frauliche Anmut ihrer schlanken Finger, als sie sie in vergeblichem Trost gegen ihre Stirn presste. Sie ließ die Hand in ihren Schoß zurückfallen. »Ohne ihn…«