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Auf Zedds Worte hin nickten fast alle, wenn auch widerstrebend.

Nur Warren nicht. Nervös zupfte er am Stoff seines violetten Gewandes. »Wir haben etwas nicht bedacht.« Während alle warteten, hob er seine blauen Augen und begegnete Zedds Blick. In diesen Augen erkannte Zedd eine Weisheit, die ihm verriet, dass dieser junge Mann selbst dort noch auf den Grund der Dinge schauen konnte, wo die meisten Menschen nur das Glitzern auf der Oberfläche sahen.

»Es wäre denkbar«, sagte Warren mit leiser, aber unerschütterlicher Stimme, »dass Richard, da er die Gabe besitzt und ein Kriegszauberer ist, von einer rechtmäßigen Prophezeiung heimgesucht wurde. Kriegszauberer unterscheiden sich von uns anderen, ihre Fähigkeit ist nicht eng umrissen, sondern großzügig angelegt. In diesen Bereich fallen, zumindest theoretisch, auch Prophezeiungen. Darüber hinaus besitzt Richard sowohl subtraktive als auch additive Magie. Kein in den letzten dreitausend Jahren geborener Zauberer besaß beide Seiten der Magie. Wir vermögen uns sein Potenzial vielleicht vorzustellen, aber es ist völlig ausgeschlossen, dass wir es, obwohl in den Prophezeiungen davon die Rede war, auch nur ansatzweise begreifen.

Sehr gut möglich, dass Richard eine rechtskräftige Prophezeiung erfahren und diese eindeutig entschlüsselt hat. In diesem Fall handelt er möglicherweise genau so, wie gehandelt werden muss. Es könnte sogar sein, dass er die Prophezeiung eindeutig entschlüsselt hat, diese aber so Furcht erregend ist, dass er uns die einzige in seiner Macht stehende Gefälligkeit erweist, indem er uns nichts davon erzählt.«

Verna legte ihre Hand auf seine. »Das glaubst du doch nicht wirklich, oder, Warren?« Zedd bemerkte, dass Verna Warrens Äußerungen großen Wert beimaß.

Ann hatte Zedd erklärt, dass Warren in Bezug auf Prophezeiungen erst am Anfang der Entfaltung seiner Gabe stand. Solche Zauberer – Propheten – waren so selten, dass sie nur ein, zwei Mal in jedem Jahrtausend auftraten. Die mögliche Bedeutung eines solchen Zauberers war nicht abzuschätzen. Zedd wusste noch nicht, wie weit Warren auf diesem Weg bereits fortgeschritten war, wahrscheinlich wusste Warren es selbst nicht.

»Prophezeiungen können eine fürchterliche Belastung sein.« Warren strich das Gewand über seinen Schenkeln glatt. »Vielleicht hat Richards Prophezeiung ihm erklärt, er dürfe, wenn er jemals eine Chance haben möchte, den Sieg noch zu erleben, auf keinen Fall zusammen mit uns anderen im Kampf gegen die Armee der Imperialen Ordnung umkommen.«

General Reibisch, der sich zu den Tätigkeiten eines Zauberers nicht äußerte, hatte nichtsdestoweniger aufmerksam zugehört und zugesehen. Schwester Philippa spielte mit dem Daumen an einem Knopf ihres Kleides. Warren machte, trotz Vernas tröstender Hand auf seiner, in diesem Augenblick einen verlorenen Eindruck.

»Warren« – Zedd wartete, bis er ihm in die Augen sah – »manchmal malen wir alle uns die schlimmste Wendung der Ereignisse aus, ganz einfach, weil es das Fürchterlichste ist, das wir uns vorstellen können. Vergeude deine Gedanken nicht in erster Linie auf etwas, das höchstwahrscheinlich nicht der Grund für Richards Verhalten ist, nur weil es die Erklärung ist, die du am meisten fürchtest. Ich glaube, Richard bemüht sich zu verstehen, wo sein Platz in all diesen Dingen ist. Vergiss nicht, er ist als Waldführer aufgewachsen. Er muss nicht nur mit seiner Fähigkeit ins Reine kommen, sondern auch mit der Belastung des Herrschens.«

»Ja, aber…«

Zedd hob zur Unterstreichung einen Finger. »Oft wird die einfachste Erklärung einer Situation am ehesten gerecht.«

Allmählich zerschmolz die Traurigkeit in Warrens Gesicht unter dem Glanz eines immer strahlender werdenden Lächelns. »Ich hatte diese alte Weisheit ganz vergessen, Zedd.«

General Reibisch hatte seinen krausen Bart mit den Fingern gekämmt, jetzt zog er die Hand daraus hervor und ballte sie zur Faust. »Außerdem lassen sich D’Haraner nicht so ohne weiteres besiegen. Wir können noch weitere Truppen verpflichten, außerdem haben wir hier in den Midlands Verbündete, die uns in der Schlacht zu Hilfe eilen werden. Wir alle haben die Berichte über die Größe der Imperialen Truppen vernommen, doch das sind auch nur Soldaten und keine bösen Seelen. Sie verfügen über mit der Gabe Gesegnete, wir auch, und in der direkten Auseinandersetzung haben sie die Stärke d’Haranischer Soldaten noch nicht kennen gelernt.«

Warren hob einen kleinen, nicht ganz faustgroßen Stein auf, den er in seiner offenen Hand hielt, als er sprach. »Ich möchte nicht respektlos sein, General, ich möchte Euch auch nicht von Eurer gerechten Sache abbringen, aber das Thema der Imperialen Ordnung war eine Art Zeitvertreib von mir, ich habe sie über Jahre studiert. Ich stamme ebenfalls aus der Alten Welt.«

»Also gut. Was habt Ihr uns zu sagen?«

»Angenommen, die Tischplatte stellt die Alte Welt dar – jenes Gebiet, aus dem Jagang seine Truppen rekrutiert. Nun gibt es sicherlich Gegenden, wo wenige Menschen verstreut über weite Flächen leben, es gibt aber auch viele Gegenden mit einer hohen Bevölkerungsdichte.«

»Das verhält sich in der Neuen Welt fast ebenso«, erwiderte der General. »D’Hara hat dicht bevölkerte Gebiete und menschenleere Gegenden.«

Warren schüttelte den Kopf. Er ließ seine Hand über die Tischplatte gleiten. »Angenommen, dies ist die Alte Welt – der Tisch als Ganzes.« Er zeigte dem General den Stein, dann legte er ihn an den Rand der Tischplatte. »Dies ist die Neue Welt, und das hier – dieser Stein – ist ihre Größe im Vergleich zur Alten Welt.«

»Aber darin ist doch D’Hara nicht enthalten«, stammelte der General. »Gemeinsam mit D’Hara ist sie doch bestimmt…«

»D’Hara ist in dem Stein enthalten.«

»Leider hat Warren Recht«, sagte Verna.

Auch Schwester Philippa bestätigte es mit einem bedrückten Nicken. »Vielleicht…«, begann sie, den Blick auf die gefalteten Hände in ihrem Schoß gerichtet, »vielleicht hat Warren Recht, und Richard hat tatsächlich eine Vision unserer Niederlage gesehen und weiß, dass er sich fern halten muss, wenn er nicht mit uns zusammen untergehen will.«

»Meiner Meinung nach geht es um etwas vollkommen anderes«, meinte Zedd mit leiser Stimme. »Ich kenne Richard. Wäre Richard der Überzeugung, dass wir verlieren, würde er es offen sagen, damit die Menschen es bei ihrer Entscheidung berücksichtigen könnten.«

Der General räusperte sich. »Nun, um die Wahrheit zu sagen, in dem Stoß fehlt ein Brief. Und zwar der allererste – in dem Lord Rahl mir von seiner Vision berichtete. Darin schrieb Lord Rahl tatsächlich, dass wir keine Aussicht hätten, zu gewinnen.«

Zedd spürte, wie ihm das Blut nach unten in die Beine sackte. Er versuchte, nach wie vor unbekümmert zu wirken. »Ach ja? Und wo befindet sich dieser Brief jetzt?«

Der General warf Verna einen Seitenblick zu.

»Ich will ganz ehrlich sein«, sagte Verna, »als ich ihn las, war ich recht aufgebracht und…«

»… und daraufhin hat sie ihn zusammengeknüllt und ins Feuer geschmissen«, beendete Warren den Satz für sie.

Verna errötete, brachte aber nichts zu ihrer Verteidigung hervor. Zedd hatte für diesen Gefühlsausbruch Verständnis, trotzdem hätte er ihn gerne mit eigenen Augen gelesen. Er zwang sich zu lächeln.