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Den Tränen nahe, stöhnte sie vor Selbstmitleid und schlug mit der Faust gegen das Bett. Sie wälzte ihren Kopf nach links, vom Fenster fort, schloss die Augen und beschloss ein wenig zu schlafen, um nicht an ihren Durst zu denken. Wenn sie aufwachte, würden Richard und Cara zurück sein und ihr Wasser geben; und Richard würde etwas zu hören bekommen.

Der Schweiß rann ihr in den Nacken. Draußen rief unablässig irgendein Vogel, dessen sich ewig wiederholender Gesang sich wie ein kleines Mädchen anhörte, das mit hoher Stimme fragte: »Was, ich?« Wenn einer dieser Vögel erst einmal angefangen hatte, konnte sich seine Darbietung in die Länge ziehen. Kahlan hatte kaum noch einen anderen Gedanken als den Wunsch, etwas zu trinken.

Sie konnte nicht einschlafen. Ein ums andere Mal wiederholte der lästige Vogel seine Frage, und mehr als ein Mal ertappte sie sich dabei, wie sie leise mit »Ja, du« antwortete. Richard verwünschend, schloss sie fest die Augen und versuchte, ihren Durst, die Hitze und den Vogel zu vergessen und endlich einzuschlafen. Ihre Augen gingen immer wieder auf.

Kahlan löste das Nachthemd von ihrer Brust und bewegte es in Wellen auf und ab, um sich ein wenig Kühlung zu verschaffen. Sie merkte, dass sie das Wasser auf dem Fensterbrett anstarrte, das für sie – weit drüben auf der anderen Seite des Zimmers – unerreichbar schien. So unbedacht konnte Richard nicht sein. Sie überlegte, dass sie den Becher, wenn es ihr gelang, sich aufzurichten und bis zum Fußende zu rutschen, vielleicht mit der Hand erreichen konnte.

Wutschnaubend schleuderte sie die leichte Decke von ihren dürren Beinen. Ihr eigener Anblick war ihr unerträglich. Warum war Richard nur so gedankenlos? Was war los mit ihm? Mit dem Vorsatz, ihm bei seiner Rückkehr gehörig die Meinung zu sagen, schwang sie ihre Beine über die Bettkante.

Die Matratze bestand aus einer nachgiebigen, geflochtenen, mit Gräsern, Federn und Werg gefüllten Matte. Sie war recht bequem, und Kahlan war mit ihrem gemütlichen Lager ganz zufrieden. Unter großen Mühen stemmte sie sich hoch. Den Kopf in den Händen, blieb sie eine ganze Weile auf der Bettkante hocken und verschnaufte. Ihr gesamter Körper pochte vor Schmerzen.

Zum ersten Mal hatte sie sich ganz aus eigener Kraft aufgesetzt.

Sie wusste nur zu gut, was Richard damit beabsichtigte. Für seine Methode, sie zum Aufstehen zu zwingen, brachte sie trotzdem kein Verständnis auf. Noch war sie nicht so weit, sie war noch immer schwer verletzt. Sie brauchte ihre Bettruhe, um wieder zu Kräften zu kommen. Ihre eiternden Wunden hatten sich zwar endlich geschlossen und waren verheilt, trotzdem war sie überzeugt, immer noch zu verwundet zu sein, um das Bett zu verlassen. Sie hatte Angst, ihre gebrochenen Knochen auszuprobieren.

Unter ausgiebigem Stöhnen und Ächzen zog sie sich bis ans Fußende des Bettes. Als sie dort saß, eine Hand auf dem Fußteil des Bettes, um sich abzustützen, war sie immer noch zu weit vom Fenster entfernt, um das Wasser zu erreichen. Sie würde ganz aufstehen müssen.

In Gedanken ihren Mann verwünschend, hielt sie einen Augenblick inne.

Viele Wochen zuvor hatte Richard ihr, nachdem sie bereits eine ganze Weile gerufen und er ihre schwache Stimme nicht gehört hatte, eine leichte Stange dagelassen, mit der sie bis zur Wand oder Tür hinüberlangen und dagegen klopfen konnte, falls sie dringend Hilfe brauchte. Unter großen Mühen schloss Kahlan jetzt ihre Finger um die längs neben ihrem Bett liegende Stange und richtete sie senkrecht in die Höhe. Das dickere Ende auf den Boden gestemmt, ließ sie sich auf die Stange gestützt vorsichtig vom Bett heruntergleiten, bis ihre Füße den kühlen Lehmfußboden berührten. Als sie ihre Beine belastete, verschlug es ihr vor Schmerz den Atem.

Halb stehend, halb auf das Bett gestützt, war sie bereit loszuschreien, musste jedoch feststellen, dass es eher die Erwartung der brutalen Schmerzen war, die ihr den Atem stocken ließ, als der tatsächliche Schmerz. Es tat zwar durchaus weh, sie stellte aber fest, dass es zu ertragen war. Die Erkenntnis, dass es nicht annähernd so schlimm war wie zuvor, verstimmte sie ein wenig; eigentlich hatte sie Richard mit den Höllenqualen, die er ihr in seinem Hochmut aufgenötigt hatte, zu Tränen rühren wollen.

Sie belastete ihre Füße noch ein wenig mehr und zog sich mit Hilfe der Stange hoch. Schließlich stand sie, triumphierend, wenn auch wackelig; sie war tatsächlich auf den Beinen, und sie hatte es ganz aus eigener Kraft geschafft.

Kahlan schien ihre Beine nicht in die gewünschte Richtung lenken zu können. Um an das Wasser zu kommen, würde sie sie dazu bringen müssen, ihren Befehlen zu gehorchen – zumindest bis zum Erreichen des Fensters. Danach konnte sie getrost auf dem Boden zusammenbrechen, wo Richard sie finden würde. Sie schwelgte in den vor ihrem inneren Auge vorüberziehenden Bildern. Bestimmt würde er seinen Plan, sie zum Aufstehen zu bewegen, dann für nicht mehr ganz so schlau halten.

Mit Hilfe der kräftigen Stange als Stütze und ihrer Zunge im Mundwinkel zur Wahrung ihres Gleichgewichts, schlurfte sie langsam Richtung Fenster. Kahlan nahm sich vor, im Falle eines Sturzes dort zusammengesunken ohne Wasser auf dem Boden liegen zu bleiben, bis Richard zurückkam und sie mit aufgeplatzten Lippen, stöhnend, dem Verdursten nahe, fand. Dann würde es ihm Leid tun, ihr einen so erbarmungslosen Streich gespielt zu haben. Er würde sich für das, was er ihr angetan hatte, den Rest seines Lebens schuldig fühlen – dafür würde sie schon sorgen.

Sich mit jedem schwierigen Schritt auf ihrem langen Weg fast wünschend, sie möge stürzen, schaffte sie es schließlich bis zum Fenster. Um sich zu stützen, warf Kahlan einen Arm über das Fensterbrett, schloss die Augen und versuchte keuchend in kleinen Zügen zu atmen, um ihre Rippen nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Als sie wieder bei Atem war, zog sie sich zum Fenster hoch. Sie schnappte sich den Becher und stürzte das Wasser hinunter.

Den leeren Becher aufs Fensterbrett knallend, spähte sie nach draußen, während sie abermals verschnaufte.

Unmittelbar vor dem Haus hockte Richard auf der Erde, die Arme um die Knie geschlungen, die Hände gefaltet.

»Hallo«, begrüßte er sie grinsend.

Cara, die unmittelbar neben ihm saß, hob ungerührt den Kopf. »Wie ich sehe, seid Ihr auf.«

Kahlan hätte ihn am liebsten angeschrien, stattdessen stellte sie fest, dass sie mit aller Gewalt ein Lachen zu unterdrücken versuchte. Plötzlich überkam sie ein überwältigendes Gefühl der Torheit, weil sie nicht früher versucht hatte, eigenständig aufzustehen.

Tränen schossen ihr in die Augen, als sie hinaussah und die endlosen Wälder erblickte, die kräftigen, leuchtenden Farben, die majestätischen Berge und die gewaltige, mit langsam in der Ferne entschwindenden, sanft dahinschwebenden weißen Wolken übersäte Himmelsfläche. Die Größe der Berge, ihre üppigen Farben, übertraf alles, was sie je zuvor gesehen hatte. Wie war es möglich, dass sie sich nicht mehr als alles andere gewünscht hatte, aufstehen und die Welt um sie herum sehen zu können?

»Dir ist natürlich klar, dass du einen großen Fehler begangen hast«, sagte Richard.

»Wie meinst du das?«, fragte Kahlan.

»Nun, wärst du nicht aufgestanden, hätten wir dich weiter umsorgt – zumindest eine Weile. Jetzt, da du uns bewiesen hast, dass du alleine aufstehen und umhergehen kannst, werden wir damit weitermachen und Dinge aus deiner Umgebung entfernen und dich auf diese Weise zwingen, umherzugehen und dir selbst zu helfen.«

Obwohl sie ihm insgeheim dankte, war sie nicht – noch nicht – bereit, ihm rundheraus zu sagen, wie Recht er damit hatte. Im Stillen liebte sie ihn jedoch nur umso mehr, weil er, um ihr zu helfen, ihren Zorn auf sich geladen hatte.

Cara wandte sich an Richard. »Sollten wir ihr nicht zeigen, wo sie den Tisch findet?«

Richard zuckte mit den Achseln. »Wenn sie Hunger bekommt, wird sie das Schlafzimmer verlassen und ihn schon finden.«

In der Hoffnung, das gezierte Grinsen aus seinem Gesicht zu wischen, warf Kahlan mit dem Becher nach ihm. Er fing ihn auf.