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Einer der ersten Spaziergänge, auf den Richard sie mitnahm, als sie darauf beharrte, sie sei im Stande, ein kurzes Stück zu gehen, führte durch besagten Tunnel im dichten, dunklen Wald bis hin zu jenem Lichtpunkt am anderen Ende, wo ein Bach eine felsige Rinne herabfloss. Am Hang oberhalb von ihnen lag der Bach geschützt unter einer dichten Baumreihe. Eine gewaltige Wasserlast stürzte über das stufenartige Felsengewirr hinab, umspülte Flusssteine und ergoss sich in glasähnlichen Kaskaden über Felsvorsprünge. Viele der bärengroßen Steine in den schattigen Wasserbecken waren mit Büscheln von dunkelgrünem Moos bewachsen und mit den langen bräunlich-gelben Nadeln jener Kiefernarten übersät, die mit Vorliebe an felsigen Hängen wuchsen. Auf den glasklaren Tümpeln tanzten glitzernd Flecken des durch das dichte Blätterdach zwinkernden Sonnenlichts.

Am Fuß dieser Felsenrinne, in jenem sonnendurchfluteten, engen Bergtal ein Stück hinter ihrer Hütte, wo der Pfad den Wald verließ, wurde der Bach breiter und langsamer und mäanderte durch das ausgedehnte, von Ehrfurcht gebietend aufregendem Gebirge umringte Tal. Manchmal ließ Kahlan ihre knochendürren Beine über eine Uferböschung baumeln und ihre Füße vom kühlen Wasser umschmeicheln. Dort konnte sie sich im warmen Gras sitzend von der Sonne wärmen lassen und dabei zusehen, wie die Fische durch das kristallklare, über Kieselbetten dahinfließende Wasser schwammen. Richard hatte Recht gehabt mit seiner Behauptung, dass Forellen Orte von besonderer Schönheit liebten.

Es machte ihr großen Spaß, den Fischen zuzusehen, den Fröschen, den Panzerkrebsen und sogar den Salamandern. Oft lag sie auf dem niedrigen grasbewachsenen Ufer auf dem Bauch, das Kinn auf die Handrücken gestützt, und sah stundenlang zu, wie die Fische unter versunkenen Baumstämmen und Felsen oder aus den verborgenen Tiefen der größeren Tümpel hervorkamen, um ein Insekt von der Wasseroberfläche wegzuschnappen. Kahlan fing Grillen, Grashüpfer und Maden und warf sie den Fischen in regelmäßigen Abständen vor. Richard lachte, wenn sie sich mit den Fischen unterhielt und sie aufforderte, aus ihren finsteren Schlupfwinkeln hervorzukommen und sich ein leckeres Insekt zu holen. Manchmal stand ein eleganter Reiher auf seinen dünnen Beinen in den nicht weit entfernten flachen, morastigen Stellen und durchbohrte ab und an einen Fisch oder Frosch mit seinem messerspitzen Schnabel.

Kahlan vermochte sich nicht zu erinnern, in ihrem ganzen Leben jemals an einem so von Leben sprühenden Ort gewesen zu sein, umgeben von solcher Herrlichkeit. Richard zog sie auf und erzählte ihr, eigentlich habe sie überhaupt noch nichts gesehen, und machte sie damit neugierig, ja geradezu versessen darauf, weiter zu Kräften zu kommen, um immer neue Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Sie kam sich vor wie ein kleines Mädchen in einem verzauberten Königreich, das nur ihnen und ihnen allein gehörte. Aufgewachsen als Konfessor, hatte Kahlan nie viel Zeit unter freiem Himmel verbracht, um Tiere zu beobachten, zuzusehen, wie Wasser über Felsen in die Tiefe stürzt, oder die Wolken oder einen Sonnenuntergang zu betrachten. Sie hatte eine ganze Reihe von prachtvollen Dingen gesehen, doch stets im Zusammenhang mit Reisen, mit Städten, Gebäuden und Menschen. Nie hatte sie an einem Ort auf dem Land lange genug verweilt, um all dies wirklich in sich aufzunehmen.

Trotzdem verfolgte eine Überlegung sie bis in ihre verborgensten Gedanken; sie wusste, dass sie und Richard eigentlich anderswo gebraucht wurden; sie trugen Verantwortung. Richard wich dem Thema jedes Mal aus, wenn sie darauf zu sprechen kam; er hatte seine Gründe bereits dargelegt und war überzeugt, das Richtige zu tun.

Seit langem schon hatten sie keinen Besuch von Boten mehr erhalten. Auch diese Sorge ging ihr durch den Kopf, Richard jedoch hielt dagegen, er könne es sich nicht erlauben, Einfluss auf die Armee zu nehmen, daher spiele es keine Rolle, dass General Reibisch offensichtlich das Schicken von Berichten eingestellt hatte. Außerdem, sagte er, gefährde dies nur unnötig die Boten, die diese Reisen unternahmen.

Vorläufig wusste Kahlan, dass sie gesund werden müsse, und ihr abgeschiedenes Leben in den Bergen ließ sie – vermutlich wie nichts anderes dies vermocht hätte – mit jedem Tag kräftiger werden. Wenn sie erst in den Krieg zurückkehrten – sobald sie ihn überzeugt hatte, dass sie zurückkehren mussten –, würde dieses friedliche Dasein nur noch eine überaus angenehme Erinnerung sein. Solange es währte, beschloss sie zu genießen, was sie ohnehin nicht ändern konnte.

Einmal, nachdem es mehrere Tage hintereinander geregnet hatte und Kahlan ihre Spaziergänge zum Bach, um die Fische zu beobachten, zu vermissen begann, tat Richard etwas noch nie Dagewesenes.

Er begann, ihr Fische in einem Glas zu bringen, lebende Fische, einfach nur zum Anschauen.

Nachdem er einen leeren Lampenölkrug und mehrere Gläser mit weiter Öffnung gereinigt hatte, die Eingemachtes, Kräuter, Salben für ihre Verletzungen und andere, von ihm nach ihrer Abreise aus Anderith erstandene Vorräte enthalten hatten, bedeckte er ihren Boden mit ein wenig Kies und füllte sie mit Wasser aus dem Bach. Anschließend fing er einige schwarze Tanzelritzen und legte sie in die Glasbehälter. Auf dem Rücken waren sie gelblich-oliv mit schwarzen Sprenkeln, am Bauch weiß, mit einem dicken, schwarzen Streifen an beiden Seiten. Er versah sie mit einigen Wasserpflanzen aus dem Bach, damit sie ein Versteck hatten und sich geborgen fühlen konnten.

Kahlan staunte, als Richard das erste Glas mit lebenden Fischen mit nach Hause brachte. Sie stellte die Gläser – alles in allem vier Stück – sowie einen Krug neben einige von Richards kleineren Schnitzereien auf das Fensterbrett im mittleren Zimmer. Beim Essen saßen Richard, Kahlan und Cara an dem kleinen Holztisch und betrachteten das kleine Wunder aus in Gläsern lebenden Fischen.

»Gib ihnen bloß keine Namen«, sagte Richard, »denn sie werden eines Tages sterben.«

Was sie anfangs für eine alberne Idee gehalten hatte, zog sie schließlich ganz in seinen Bann. Selbst Cara, die die Fische im Glas für eine beispiellose Verrücktheit hielt, fand Gefallen an den kleinen Tierchen. Es schien, als halte jeder Tag in den Bergen mit Richard ein neues Wunder bereit, um sie von ihren Schmerzen und Sorgen abzulenken.

Nachdem sich die Fische an die Menschen gewöhnt hatten, vermittelten sie einem das Gefühl, als wäre das Leben in einem Glas für sie die natürlichste Sache der Welt. Ab und zu schüttete Richard einen Teil des Wassers fort, um es gegen frisches Wasser aus dem Bach auszutauschen. Kahlan und Cara fütterten die kleinen Fische mit Brotkrumen oder winzigen Essensresten sowie kleinen Insekten. Die Fische fraßen gierig und verbrachten die meiste Zeit damit, am Kies auf dem Glasboden herumzuknabbern, umherzuschwimmen und sich die Welt draußen anzuschauen. Nach einer Weile hatten die Fische herausgefunden, wann sie gefüttert wurden. Sobald sich jemand näherte, warteten sie ungeduldig zappelnd auf der anderen Seite der Glaswand – jungen Hunden gleich, die sich freuen, ihr Herrchen zu sehen.

Im Hauptzimmer gab es einen kleinen Kamin, den Richard aus zu Ziegeln geformtem, in der Sonne getrocknetem und schließlich im Feuer gebackenem Ton von der Uferböschung des Baches gebaut hatte. Sie hatten einen Tisch, den er gemacht hatte, dazu aus ineinander verschlungenen und zusammengebundenen Ästen gefertigte Stühle. Sitzflächen und Rückenlehnen der Stühle hatte er aus lederartiger Innenrinde geflochten.