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Cara hielt den roten Lederstab – ihren Strafer – fest mit ihrer Hand umklammert und nahm eine kauernde Haltung ein. Die Muskeln ihrer Beine, Arme und Schulter waren auf eine Weise angespannt, die nach Entspannung geradezu schrie.

»Cara! Nicht!«, brüllte Richard.

Er war bereits ungestüm über die Wiese rennend unterwegs, als Cara aufsprang und Nicci ihren Strafer seitlich gegen den Hals rammte.

Nicci stieß einen gellenden Schmerzensschrei aus und sackte auf die Knie. Auch Kahlan stürzte, ebenfalls vor Schmerzen schreiend, auf die Knie, ihre Bewegung fast ein Ebenbild von Nicci.

Cara krallte eine Faust in Niccis Haar und riss ihren Kopf nach hinten. »Deine Zeit ist abgelaufen, Hexe!«

Nicci tat nichts, um Cara Einhalt zu gebieten, als der Strafer nur wenige Zoll vor ihrer Kehle verharrte.

Richard stürzte sich in der verzweifelten Hoffnung auf die Mord-Sith, nicht zu spät zu kommen. Caras Strafer streifte soeben Niccis Hals, als Richard sie an der Hüfte packte und nach hinten riss. Für einen kurzen Augenblick war die Berührung überraschend – seidenweiche Haut über stahlharten Muskeln. Als sie auf dem Boden landeten, nahm der Aufprall ihr den Atem.

Cara war so außer sich, so wild zum Kampf entschlossen, dass sie mit ihrem Strafer blindlings, ohne ihn zu erkennen, nach Richard schlug. Sie wusste nur eins: Jemand hinderte sie daran, Kahlan zu beschützen.

Der unsanfte Stoß der Waffe seitlich gegen sein Gesicht glich einem Hieb mit einer Eisenstange, auf den unmittelbar ein Blitzschlag folgte. Der Schmerz schien ihm den Schädel zu spalten und raubte ihm vorübergehend das Augenlicht. Ihm klangen die Ohren, die Erschütterung nahm ihm außerdem den Atem, brachte ihn ins Wanken und rief in einem einzigen Augenblick eine ganze Flut grauenhafter Erinnerungen zurück.

Caras ganzes Augenmerk zielte auf Vernichtung, und jede Einmischung ließ sie außer sich geraten. Richard kam gerade noch rechtzeitig zur Besinnung, um sie an den Handgelenken zu packen und auf den Boden zu drücken, bevor sie sich auf Nicci stürzen konnte. Zweifellos besaß eine Mord-Sith ungeheure Kräfte, allerdings hatte man diesen Frauen eingetrichtert, gegen Magie zu kämpfen und nicht gegen Muskelkraft. Aus diesem Grund hatte sie Nicci auch dazu verleiten wollen, ihre Kraft einzusetzen; nur so konnte sie die Magie der Gegnerin einfangen und sie überwältigen.

Caras sich windender, nackter Körper unter ihm drang kaum bis in sein Bewusstsein vor. Er schmeckte Blut. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf ihren Strafer gerichtet, und darauf, zu verhindern, dass sie ihn damit berührte. Ein schmerzhaftes Klingen pochte in seinem Kopf, und er musste nicht nur Cara, sondern auch eine drohende Bewusstlosigkeit abwehren. Mit letzter Kraft gelang es ihm, Cara niederzuhalten.

In diesem Augenblick war die Mord-Sith eine größere Bedrohung für Kahlans Leben als Nicci. Wenn Nicci die Absicht hatte, Kahlan umzubringen, so hätte sie dies mit Sicherheit längst tun können. Vielleicht hatte Richard noch nicht genau verstanden, was Nicci im Einzelnen tat, doch was er bis jetzt gesehen hatte, gab ihm einen ungefähren Eindruck.

Blut tropfte auf Caras nackte Brust, leuchtend rot auf der weiten Fläche ihrer weißen Haut.

»Hört auf, Cara!« Er konnte seinen Kiefer, wenn auch unter Schmerzen, bewegen, also war er vermutlich nicht gebrochen.

»Ich bin es. Hört auf, Ihr bringt Kahlan noch um.« Cara, unter ihm, beruhigte sich und starrte mit einem Ausdruck verwirrter Wut zu ihm hoch. »Was immer Ihr Nicci antut, widerfährt auch Kahlan.«

»Ihr solltet auf ihn hören«, bestätigte Nicci mit der ihr eigenen samtenen Stimme hinter seinem Rücken.

Kaum hatte Richard ihre Handgelenke losgelassen, langte Cara nach oben und betastete seinen Mundwinkel. »Das tut mir Leid«, entschuldigte sie sich leise, als sie sah, was sie angerichtet hatte. Ihr Ton verriet ihm, dass sie es ehrlich meinte. Richard nickte kurz, dann erhob er sich und zog sie auf die Beine, bevor er sich zu Nicci umwandte.

Nicci stand erhobenen Hauptes vor ihm, aufrecht, in ihrer typischen, stolzen und korrekten Körperhaltung, Aufmerksamkeit und Magie auf Kahlan gerichtet. Die ruhige und doch zerstörerische Kraft in Richards Innerem war erwacht und harrte seiner Befehle, nur wusste Richard nicht, wie er Nicci damit stoppen sollte. Aus Angst, die Gefahr für Kahlan noch zu erhöhen, ganz gleich, was er tat, wartete er erst einmal ab.

Auch Kahlan war mittlerweile wieder auf den Beinen, auch wenn der milchige Lichtstrang sie erneut an die Hüttenwand spießte. Ihre grünen Augen waren vor Schmerz weit aufgerissen, und sie zitterte am ganzen Körper unter den Qualen, die Nicci ihr soeben zufügte.

Nicci legte ihr Handflächen auf das Herz, über das Licht. Obwohl sie Richard den Rücken zukehrte, konnte er das Licht durch sie hindurch sehen, ein Feuer, das sich mitten durch ein Stück Papier fraß, ein weiß glühendes Loch, das nach außen immer größer wurde, bis es sie ganz zu verzehren schien. Das verschlungen lodernde Licht machte dasselbe mit Kahlan und schien sich durch sie hindurchzubrennen, Richard erkannte jedoch, dass es sie nicht tötete. Sie atmete noch, bewegte sich noch, lebte noch – und verhielt sich auch ansonsten nicht wie ein Mensch, in den gerade Löcher hineingebrannt wurden. Wenn Magie im Spiel war, war er klug genug, seinen Augen nicht zu trauen.

Unterhalb ihrer Hände begann Niccis Oberkörper sich wieder zu verfestigen und sich dort, wo das Licht sich erschöpft und bis zur Peripherie ihres Körpers vorgearbeitet hatte, neu zu bilden.

Das Licht setzte aus. Kahlan, die Hände gegen die Wand hinter sich gepresst, sackte erleichtert zusammen, als es erlosch, und schloss die Augen, so als sei der Anblick der vor ihr stehenden Frau nicht länger zu ertragen.

Richard war ganz unterdrückter Zorn. Seine Muskeln schrien nach Befreiung. Die Magie in seinem Innern glich einer eingerollten Giftschlange, die nur darauf wartete vorzuschnellen. Beinahe mehr als alles andere wollte er diese Frau niederstrecken, und nur ein einziger Wunsch war stärker: Kahlans Sicherheit.

Nicci bedachte Kahlan mit einem liebenswürdigen Lächeln, bevor sie sich zu Richard umdrehte. Ihre ruhigen, blauen Augen erfassten kurz die weißen Knöchel seiner Faust am Heft des Schwertes.

»Es ist lange her, Richard. Gut siehst du aus.«

»Was habt Ihr getan?«, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen.

Sie lächelte. Es war dasselbe Lächeln, das eine Mutter ihrem Kind schenkte – ein Lächeln voller Milde und Nachsicht. Sie atmete tief durch, als ob sie sich von einer schwierigen Arbeit erholen müsse, und deutete auf Kahlan.

»Ich habe deine Gemahlin mit einem Bann belegt, Richard.«

Unmittelbar hinter seiner linken Schulter hörte Richard Caras Atem. Sie stand so, dass sie seinen Schwertarm nicht behinderte.

»In welcher Absicht?«, fragte er.

»Nun, um dich gefangen zu nehmen, natürlich.«

»Was wird mit ihr geschehen? Was habt Ihr ihr angetan?«

»Angetan? Gar nichts. Wenn ihr tatsächlich etwas zustoßen sollte, dann nur durch deine Hand.«

Richard runzelte die Stirn, er begriff; dabei hätte er sich sehr viel lieber getäuscht. »Soll das etwa heißen, wenn ich Euch verletze, wird Kahlan dasselbe widerfahren wie Euch?«

Nicci lächelte das gleiche scharfsichtige, entwaffnende Lächeln, das ihr schon damals eigen war, als sie gekommen war, um ihn zu unterrichten. Er konnte kaum glauben, dass er sich damals vorgestellt hatte, sie sehe aus wie eine Fleisch gewordene gütige Seele.

Richard spürte das Knistern der Magie, die diese Frau umgab, er hatte mittlerweile gelernt, mit Hilfe seiner eigenen Gabe zu erkennen, ob jemand die Gabe besaß. Was andere nicht zu sehen vermochten, er sah es, er sah es ihnen an den Augen an, und manchmal spürte er die magische Aura, die sie umgab. Nur selten war er Frauen mit der Gabe begegnet, die sogar die sie umgebende Luft mit ihrer Kraft zum Knistern brachten. Verschlimmernd kam jedoch hinzu, dass es sich bei Schwester Nicci um eine Schwester der Finsternis handelte.