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MacEwan hämmerte wieder gegen die Wand und rief: „Der Nidianer mit dem Schlüssel liegt unter dem Transporter, und der läßt sich ja wiederum nicht bewegen. Aber wer sagt denn, daß die Abdeckhaube unzerbrechlich ist? Hier in den Trümmern liegen überall Eisenstangen herum, die Streben von den Sitzmöbeln. Falls ich die Haube nicht aufkriege, werde ich versuchen, sie aufzuhebeln oder einzuschlagen. Inzwischen könnten Sie schon mal herausfinden, was ich überhaupt tun muß, sobald die Haube entfernt ist.“

Aber der Colonel war ihm um eine Nasenlänge voraus, denn er hatteden Nidianern bereits dieselbe Frage gestellt. Um die versehentliche Betätigung der Schalter durch nichtnidianische Finger von vornherein auszuschließen, hatten die Tunnel Schalter die Form von sechs versenkten Knöpfen, die in einer bestimmten Reihenfolge gedrückt werden mußten. MacEwan würde also einen Stift oder etwas Ähnliches benutzen müssen, um sie überhaupt betätigen zu können, denn seine Finger waren viel zu dick. Er hörte den Erklärungen des Colonels aufmerksam zu, signalisierte ihm, daß er alles verstanden hatte, und kehrte dann zu den Verletzten zurück.

Grawlya-Ki hatte MacEwans Beiträge zu der durch die Hallenwand gebrüllten Unterhaltung mitbekommen und bereits zwei Metallstangen aufgetrieben. Er war gerade dabei, über das Pult herzufallen, als MacEwan hinzukam. Die Stangen waren zwar robust genug, hatten aber nicht das notwendige Gewicht und somit auch nicht die erforderliche Trägheit. Bei jedem Schlag auf die Abdeckhaube prallten oder rutschten die Stangen ab, ohne auch nur eine Spur zu hinterlassen.

Diese verdammten Nidianer mit ihrem steinharten Kunststoff!

MacEwan kochte. Er versuchte die Haube aufzuhebeln, aber die Fuge war kaum zu erkennen, und auch die Scharniere schlossen mit dem Sockel des Schaltpults bündig ab. Er fluchte und versuchte es noch einmal.

Grawlya-Ki sagte nichts, weil er inzwischen pausenlos husten mußte. Das Chlor griff seine Augen so stark an, daß die Schläge immer häufiger völlig ins Leere gingen, anstatt das Pult zu treffen. MacEwan spürte eine allmähliche Verschlechterung der eigenen Luftversorgung. Dabei hatte er nicht den Eindruck, durch die Ränder der Maske die vergiftete Hallenluft anzusaugen, sondern eher das Gefühl, daß sein Behälter fast leer war und er Sauerstoff einzuatmen versuchte, der gar nicht mehr vorhanden war.

Die Verletzten ringsherum regten sich zwar immer noch, ihre Bewegungen waren aber inzwischen krampfartig geworden, als würden sie bereits im Endstadium des Erstickens mit dem Tod ringen. Durch diese krampfartigen Zuckungen wurden die Verletzungen natürlich nur noch schlimmer. Die beiden Hudlarer waren die einzigen, die vollkommen reglos blieben. Sie schwebten, von den sechs tentakelartigen Gliedern getragen, nur wenige Zentimeter über dem Boden. MacEwan stellte sich auf die Zehenspitzen, hob die Metallstange hoch in die Luft, und schlug sie mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft nach unten.

Als ihm die furchtbare Erschütterung des Aufpralls vom Handgelenk bis zu den Schultern durch die Arme fuhr, stöhnte er vor Schmerz laut auf, und die Stange fiel ihm kraftlos aus den Händen. Er fluchte abermals und blickte hilflos umher.

Durch die Glaswände des Büros beobachtete ihn der Colonel. Hinter den Innenwänden der Halle konnte MacEwan die Fernsehteams des nidianischen Sendenetzes sehen, die ihn mit ihren Kameras verfolgten und jedes einzelne Wort, jedes Husten und Stöhnen der Eingeschlossenen hörten und aufnahmen. Da sich mittlerweile der Staub gelegt hatte und die meisten der störenden Vorhänge heruntergerissen worden waren, konnte er die Besatzungsmitglieder der schweren nidianischen Abschleppfahrzeuge erkennen, die ihm allesamt gebannt zusahen. Er brauchte dem Colonel bloß ein Zeichen zu geben — schon würden die Hilfstrupps den beschädigten Transporter rückwärts herausziehen, und binnen weniger Minuten könnten die Ärzte mit der Behandlung der Verletzten beginnen.

Aber wie würde wohl die Spezies der Illensaner darauf reagieren? Technologisch stand sie auf einer hohen Entwicklungsstufe. So besaßen die Illensaner Hunderte von Kolonialwelten, die sie ihren komplexen Umweltbedürfnissen erst einmal hatten anpassen müssen. Und obwohl sie die am weitesten gereiste Spezies der Föderation waren, stellten sie die eigentliche unbekannte Größe dar, denn ihre Planeten waren so gefährlich und unwirtlich, daß sie in der Tat nur äußerst selten von anderen Wesen besucht wurden. Würde diese Spezies Nidia die Schuld an dem Unfall und dem Tod ihrer Angehörigen geben oder gar die anderen warmblütigen Sauerstoffatmer dafür verantwortlich machen, daß deren Angehörige auf Kosten der Illensaner überlebt hatten?

Aber wenn alle Beteiligten zauderten und unentschlossen blieben, bis schließlich sämtliche Verletzten mit Ausnahme der Illensaner tot waren, wiewürden dann wiederum die Weltregierungen von Kelgia, Traltha, Melf, Orligia und der Erde reagieren?

Wahrscheinlich würden sie sich deshalb nicht gleich gegen Illensa verbünden, noch müßte wegen dieses Zwischenfalls gleich ein Krieg ausbrechen, jedenfalls nicht offiziell. Aber egal, welche Spezies gerettet oder welche geopfert wurde, der Grundstein dazu wäre immerhin gelegt, sogar dann, wenn alle Verwundeten sterben sollten. Ein solcher Krieg würde nicht beginnen, weil ihn irgend jemand gewollt hätte, sondern wegen eines höchst unwahrscheinlichen Unfalls, zu dem eine Anzahl von Umständen beigetragen hatte, die größtenteils hätten vermieden werden können.

Selbst den plötzlichen Kollaps des nidianischen Fahrers am Steuer des Transporters hätte man durch strengere ärztliche Kontrollen des Bodenpersonals umgehen können. Daß der Zwischenfall ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt passieren mußte, war bloßes Pech, und das zu starr ausgelegte Sicherheitssystem hatte dann für den Rest gesorgt. Die meisten Todesfälle aber würde es aus Angst und Unwissenheit geben, dachte MacEwan verärgert. Alle Betroffenen waren einfach im Umgang miteinander zu ängstlich und deshalb zu rücksichtsvoll gewesen, um an irgendwelche Fremdweltler mit der Bitte heranzutreten, ihnen rasch ein paar grundlegende Lektionen in Erster Hilfe beizubringen.

Neben ihm war Grawlya-Ki mittlerweile in die Knie gesunken. Der Orligianer hustete, hielt aber immer noch die Metallstange fest. Der Colonel mußte jeden Moment einen Entschluß fassen, weil MacEwan, der einzige Terrestrier am Ort des Geschehens, für eine eigene Entscheidung moralisch viel zu feige war. Aber zu welchem Entschluß der Colonel auch immer kommen würde, sei es, die Illensaner zu retten oder die Sauerstoffarmer, in beiden Fällen wäre die Entscheidung falsch. MacEwan ging näher an einen der reglosen Hudlarer heran und schwenkte die Hand vor einem der großen, weit auseinanderstehen Augen.

Mehrere endlose Sekunden lang zeigte der Hudlarer keinerlei Reaktion. MacEwan fragte sich schon, ob das bedauernswerte Geschöpf bereits tot war, als der Hudlarer plötzlich fragte: „Was ist denn los, Terrestrier?“

MacEwan wollte tief durch die Nase einatmen, merkte aber, daß ihm die Luft ausgegangen war. Einen Augenblick lang geriet er in Panik und hätte fast durch den Mund Luft geholt, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig davor hüten. Er deutete auf die Abdeckhaube des Pults und fragte mit dem letzten Rest Luft, den er in seiner fast leeren Lunge hatte: „Schaffen Sie es vielleicht, die Abdeckhaube aufzubrechen? Nur die Haube. Die Schalter, kann ich selbst. betätigen.“

Verzweifelt kämpfte er gegen den Drang an, die chlorverseuchte Luft in die eingefallenen Lungenflügel einzusaugen, während der Hudlarer langsam einen Tentakel ausstreckte und ihn um die Abdeckhaube schlang, der jedoch von der glatten, halbrunden Oberfläche sofort wieder abrutschte. Als ein zweiter Versuch erfolglos blieb, zog der Hudlarer den Tentakel ein kleines Stück zurück und stieß mit seinen scharfen, stahlharten Fingerkuppen gegen die Haube. Im Kunststoff zeigte sich zwar ein kleiner Kratzer, doch waren keinerlei Bruchspuren zu erkennen. Daraufhin zog er den Tentakel wieder zurück, dieses Mal allerdings ein ganzes Stück weiter.