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Die von Prilicla geschilderten Symptome wie auch die Befunde der weiteren Untersuchung verwirrten Conways cinrusskischen Teil seines Gehirns genauso wie den terrestrischen. Beide Teile waren sich aber absolut sicher, daß Prilicla kurz vor dem Tod stand — und in diesem Punkt basierte die Übereinstimmung auf der persönlichen Erfahrung des Urhebers des GLNO-Bands auf der einen und auf Conways über viele Jahre hinweg im Orbit Hospital erworbenen Kenntnissen auf der anderen Seite.

Das Zittern des Empathen verstärkte sich schlagartig, wurde aber wieder schwächer, als sich Conway erneut zu sachlicher Distanz zwang und beherrscht feststellte: „Ich kann keinerlei Deformationen, Verstopfungen, Verletzungen oder Infektionen als Ursache der von Ihnen beschriebenen Symptome feststellen. Genausowenig kann ich irgendeinen Grund für die Atembeschwerden entdecken, die Sie gehabt haben. Wie mir mein cinrusskisches Alter ego mitteilt, tritt bei Ihrer Spezies in jugendlichem Alter zwar ein gewisses Maß an Überempfindlichkeit auf, aber das läßt sich natürlich nicht im entferntesten mit der von Ihnen geschilderten Heftigkeit vergleichen. Am ehesten kommt für mich eine Beeinträchtigung des zentralen Nervensystems in Betracht, die allerdings nicht durch Krankheitserreger oder Gifte hervorgerufen wurde.“

„Sie glauben, das ist psychosomatisch?“ fragte O’Mara scharf, wobei er energisch mit einem Finger in Richtung Prilicla zeigte. „Das da?“

„Diese Möglichkeit würde ich zumindest nicht ausschließen, so lieb mir das auch wäre“, antwortete Conway ruhig, und an Prilicla gewandt sagte er: „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Ihren Fall gern mit O’Mara vor der Tür diskutieren.“

„Selbstverständlich, mein Freund“, entgegnete der Empath. Durch das ununterbrochene Zittern schien der zarte Körper regelrecht auseinanderzufalten. „Aber lassen Sie bitte das Cinrusskerband so bald wie möglich wieder löschen. Ihr gesteigertes Maß an Besorgnis und Sympathie hilft nämlich keinem von uns beiden. Und bedenken Sie, mein Freund, der Urheber Ihres Bands war auf Cinruss einmal eine große medizinische Kapazität. Allerdings kann ich in aller Bescheidenheit behaupten, daß ich vor meinem Dienstantritt im Orbit Hospital und durch die Vorbereitung auf meine hiesige Arbeit auf diesem Gebiet ein ähnlich hohes Ansehen erlangt hatte.

In der medizinischen Geschichte unserer Spezies gibt es nichts, das diesem Zustand auch nur im entferntesten ähnelt, und auch in der Symptomatologie ist absolut kein Präzedenzfall bekannt. Ich kann natürlich nicht vollkommen objektiv sein, wenn es darum geht, daß mein Gesundheitszustand womöglich keine körperlichen Ursachen hat, aber ich war schon immer ein glückliches und sehr ausgeglichenes Wesen und weder als Kind noch als Jugendlicher oder Erwachsener geistig verwirrt. Freund O’Mara hat ja mein Psychogramm und wird das bestätigen können. Ich hoffe, diese eigenartigen Symptome klingen ebenso schnell wieder ab, wie sie aufgetreten sind.“

„Vielleicht könnte Thornnastor…“, begann Conway.

„Schon der Gedanke daran, daß sich mir dieser. dieser Koloß in der Absicht nähert, mich zu untersuchen, würde mich zu einer sofortigen Kündigung veranlassen. Außerdem ist Thornnastor sowieso beschäftigt. Freund Edanelt, seien Sie vorsichtig!“

Prilicla hatte seine Aufmerksamkeit plötzlich wieder dem Bildschirm zugewandt und fuhr fort: „Selbst wenn Sie nur kurz auf diese Stelle drücken, nehmen die unbewußten Emotionen des EGCL schon merklich ab. Deshalb schlage ich vor, Sie nähern sich diesem Nervenstrang von vorne durch die Öffnung in der.“

Conway hörte den Rest nicht mehr, denn O’Mara hatte ihn einfach am Arm vorsichtig aus dem Zimmer nach draußen gezogen, was bei der dort herrschenden geringen Schwerkraft keine Kunst war.

„Das war ein erstklassiger Rat von Prilicla“, sagte der Chefpsychologe, als sie sich ein Stück von der Station entfernt hatten. „Lassen Sie uns das Band löschen und das Problem unseres kleinen Freunds auf dem Weg in mein Büro besprechen, Doktor.“

Conway schüttelte entschieden den Kopf. „Nicht jetzt. Prilicla hat da drinnen alles gesagt, was man über den Fall sagen kann. Unumstößliche Tatsache ist, daß die Cinrussker nicht gerade zu den robustesten Spezies der Föderation gehören. Aus welchem Grund auch immer besitzen sie überhaupt keine Widerstandskraft und haben ebensowenig Kraftreserven, um den Auswirkungen irgendeiner Verletzung oder Krankheit über einen längeren Zeitraum zu widerstehen. Wir wissen doch alle — ich persönlich genauso wie mein Alter ego und vermutlich auch Sie —, daß Prilicla innerhalb weniger, vielleicht höchstens zehn Stunden sterben wird, wenn man ihn nicht schleunigst behandelt und von den Symptomen befreit.“

Der Major nickte.

„Solange Sie selbst keine bessere Idee haben — und ich würde es diesmal wirklich begrüßen, wenn Sie eine hätten —, werde ich weiterhin mit dem Cinrusskerband im Kopf herumlaufen“, fuhr er grimmig fort. „Es hat zwar bisher nicht viel geholfen, aber ich will ohne jede Beschränkung nachdenken können und keine gehirnakrobatischen Tricks anwenden müssen, nur um in der Gegenwart meines Patienten zu starke Emotionen zu vermeiden. An diesem Fall ist irgend etwas äußerst merkwürdig, irgend etwas, das ich übersehe.

Also, ich mach jetzt einen Spaziergang“, schloß Conway plötzlich. „Ich geh nicht weit weg. Gerade so weit, daß ich, wie ich hoffe, nicht mehr in Reichweite von Priliclas empathischen Fähigkeiten bin.“

O’Mara nickte erneut und entfernte sich ohne ein Wort.

Conway zog einen leichten Schutzanzug an und begab sich drei Ebenen nach oben in die Abteilung, die den stacheligen, membranösen und chloratmenden Illensanern vorbehalten war, die man als PVSJs bezeichnete. Die Bewohner von Illensa stellten nach terrestrischen Maßstäben keine besonders gesellige Spezies dar, deshalb hoffte Conway, die neblig gelben Stationen und Korridore ohne Unterbrechung durchqueren zu können, während er mit seinem Problem kämpfte. Aber genau das Gegenteil trat ein.

Chefarzt Dr. Gilvesh, der erst vor ein paar Monaten zusammen mit Conway eine Operation an einem dwerlanischen DBPK durchgeführt hatte, war heute auf für ihn untypische Weise nach Geselligkeit zumute und wollte gern mit seinem Chefarztkollegen fachsimpeln. Die beiden Ärzte trafen sich auf einem schmalen Korridor, der zur Apotheke auf dieser Ebene führte, und Conway hatte keine Möglichkeit, sich einem Gespräch zu entziehen.

Gilvesh hatte Probleme. Es sei einer dieser Tage, berichtete der illensanische Arzt, an denen sämtliche Patienten ein ungeheures Maß an Aufmerksamkeit und vollkommen unnötige Mengen von Schmerzlinderungsmitteln verlangten, deren Verabreichung persönliche Überwachung erforderte. Die rangniedrigeren Ärzte und der Schwesternstab standen deshalb natürlich unter Druck, und ganz offensichtlich herrschte ein ungewöhnlich hohes Ausmaß verbaler Überreaktionen und schlechter Laune vor. Gilvesh rechtfertigte und entschuldigte sich im voraus für jegliche scheinbare Unhöflichkeit, mit der seine Mitarbeiter solch einem wichtigen Chefarzt wie Conway bei seinem Besuch begegnen könnten. Er habe mehrere Fälle, so beteuerte Gilvesh, die bestimmt Conways Interesse erregen würden. Vor allem brauchte er aber seinen Rat.

Genauso wie alle anderen Ärzte, die man für den Dienst in einem Hospital mit vielfältigen Umweltbedingungen ausgebildet hatte, verfügte auch Conway über eingehende Grundlagenkenntnisse auf den Gebieten der Physiologie und des Metabolismus von Extraterrestriern. Ebenso waren ihm die geläufigeren Krankheiten sämtlicher Spezies bekannt, die Mitglieder der Föderation waren. Für eine genaue Untersuchung und Diagnose der PVSJ-Patienten brauchte er allerdings unbedingt ein illensanisches Physiologieband, und das wußte Gilvesh genausogut wie er. Folglich schien der illensanische Chefarzt derart über den gegenwärtigen Zustand seiner Patienten beunruhigt zu sein, daß er sich umgehend die Meinung eines Vertreters einer anderen Spezies einholen wollte.