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Immer mit der Ruhe, ermahnte sich MacEwan selbst, schließlich ist dieser Mann kein Feind.

Laut sagte er: „Ich wollte eigentlich nur darauf aufmerksam machen, daß man sich schon von Natur aus in eine äußerst wacklige Position begibt, wenn man sich ein Bein ausreißt. Dieser übertrieben höfliche Umgang mit Extraterrestriern ist doch völlig gekünstelt, ja sogar verlogen. Die dadurch erzeugten Spannungen müssen letztendlich zu Problemen führen, und das selbst bei den handverlesenen und hochintelligenten Wesen, denen als einzigen Kontakte mit anderen Planeten gestattet sind. Diese Form der Kontaktaufnahme bewegt sich auf einem viel zu schmalen Pfad, ist zu begrenzt. So lernen sich die Mitgliedsspezies der Föderation nicht wirklich kennen und können auch gar kein Vertrauen zueinander fassen. Das werden sie erst dann, wenn der Kontakt entspanntere und natürlichere Formen angenommen hat. So, wie die Dinge stehen, ist derzeit nicht einmal ein freundschaftlich geführtes Streitgespräch mit einem Extraterrestrier möglich.

Wir müssen die Extraterrestrier endlich richtig kennenlernen, Colonel“, setzte MacEwan seinen Appell schnell fort. „Und zwar so gut, daß man nicht andauernd so verdammt freundlich sein muß. Wenn ein Tralthaner einen Nidianer oder einen Terrestrier anrempelt, muß man ihn gut genug kennen, um ihm sagen zu können, daß er gefälligst aufpassen soll, wo er hintritt. Und man muß ihn dabei mit allen, dem Vorfall angemessen erscheinenden Schimpfwörtern überhäufen dürfen. Wenn man hingegen selbst Schuld hat, muß man eben mit der gleichen Behandlung rechnen. Der Durchschnittsterrestrier — und eben nicht eine sorgfältig ausgewählte und geschulte Elite von Raumreisenden — muß die Fremdweltler so gut kennenlernen, daß er mit ihnen kontrovers diskutieren oder sich sogar ohne körperliche Gewalt mit ihnen streiten kann, ohne daß sofort.“

„Genau das ist der Grund, weshalb Sie Nidia verlassen werden“, unterbrach ihn der Monitor und stand auf. „Wegen massiver Störung des Friedens.“

Ohne viel Hoffnung versuchte MacEwan einen letzten Erklärungsversuch. „Man muß endlich eine gemeinsame Grundlage finden, auf der die normalen Staatsbürger der Föderation aufeinander zugehen können, Colonel. Und zwar nicht nur zum wissenschaftlichen und kulturellen Austausch oder wegen interstellarer Handelsverträge. Diese gemeinsame Basis muß etwas Grundlegendes sein, etwas, das uns allen stark am Herzen liegt, eine Idee oder ein Projekt, das wir erst zusammen wirklich vorantreiben können. Trotz unserer vielgerühmten Föderation und der Wachsamkeit Ihres Monitorkorps — vielleicht auch gerade wegen dieser Wachsamkeit — lernt man sich gegenseitig eben nicht richtig kennen.

Und wenn wir das nicht schaffen, ist der nächste Krieg schon vorprogrammiert. Aber darüber macht sich ja niemand Sorgen. Sie und Ihresgleichen haben die Schrecken des Kriegs anscheinend schon völlig vergessen.“

Er verstummte, als der Colonel langsam auf den Solidographen auf dem Schreibtisch deutete und die Hand wieder sinken ließ. „Das ist uns eine ständige Mahnung“, gab er zu bedenken.

Danach sagte der Colonel nichts mehr, blieb aber in strammer Grundhaltung stehen, bis Grawlya-Ki und MacEwan das Büro verlassen hatten.

Die Abflughalle war über die Hälfte mit dichtgedrängten, sich aber voneinander absondernden kleinen Gruppen von Tralthanern, Melfanern, Kelgianern und Illensanern gefüllt. Auch zwei untersetzte Wesen mit Tentakeln von einem Planeten mit hoher Schwerkraft befanden sich in der Halle und waren offenbar damit beschäftigt, sich gegenseitig mit Farbe zu besprühen. Diese Wesen stellten eine für MacEwan unbekannte Lebensform dar. Ein teddybärartiger Nidianer, der die blaue Schärpe des nichttechnischen Bodenpersonals trug und sich hinter ihnen befand, ging zwar schnell weiter, um dem feinen Sprühnebel zu entkommen, schenkte den Wesen selbst aber keine Beachtung.

Die chloratmenden Illensaner wiederum hatten einen guten Grund, unter sich zu bleiben: Der weite, durchsichtige Stoff ihrer Schutzhüllen wirkte äußerst empfindlich. Über das farbensprühende Paar wußte MacEwan zwar nichts, aber bei den anderen handelte es sich samt und sonders um warmblütige, sauerstoffatmende Lebensformen, die allesamt ähnliche Druckverhältnisse und eine annähernd gleiche Schwerkraft benötigten — und diese Extraterrestrier hätten doch wenigstens die Anwesenheit der jeweils anderen Wesen zur Kenntnis nehmen müssen, auch wenn sie die sicher vorhandene gegenseitige Neugier nicht offen zeigten. MacEwan drehte sich verärgert um und studierte die Start- und Landezeiten auf den elektronischen Anzeigetafeln.

Im Orbit befand sich gerade ein illensanisches Fabrikschiff, dessen Fähre vor wenigen Minuten aufgesetzt hatte, da es aufgrund seiner Größe und eingeengten Manövrierfähigkeit selbst nicht landen konnte. Ein nidianischer Bodentransporter, ausgerüstet mit allen Lebenserhaltungsmaßnahmen für Chloratmer, befand sich bereits auf dem Weg zur Fähre, um die Passagiere aufzunehmen.

MacEwans und Grawlya-Kis auf Traltha gebautes und mit Tralthanern besetztes Passagierschiff war demnächst zur Aufnahme der Passagiere bereit und wartete schon auf dem Vorfeld jenseits der Hauptstartbahn. Es war eins der neuen Schiffe, die sich rühmen konnten, komfortable Sitzplätze für sechs verschiedene sauerstoffatmende Spezies zu bieten. Aber Bequemlichkeit ist etwas Relatives, und MacEwan, Grawlya-Ki und die anderen nichttralthanischen Wesen in der Halle würden sich bald selbst ein Urteil darüber bilden können.

Außer der illensanischen Fähre und dem tralthanischen Schiff bestand der einzige Luftverkehr aus nidianischen Atmosphäreschiffen, die alle paar Minuten starteten und landeten. Dabei handelte es sich zwar nicht um große Schiffe, aber sie mußten auch keine tausend Nidianer transportieren. Da sich diese Schiffe nur durch ihre Registrierungskennzeichen unterschieden, hatte man den Eindruck, als würde ununterbrochen immer dieselbe Maschine starten und landen.

MacEwan drehte sich schließlich um und blickte wieder einmal zornig auf die schreckliche und zugleich vertraute Skulptur, weil sie durch ihren markanten Platz im Zentrum der Halle automatisch alle Augen auf sich zog und es sonst nichts im Raum gab, was seine Aufmerksamkeit voll in Anspruch nehmen konnte.

Grawlya-Ki hatte den Blick schon vorher auf das Objekt geheftet und wimmerte jetzt leise vor sich hin.

Bei der Skulptur handelte es sich um eine Nachbildung des alten orligianischen Kriegsmahnmals in Originalgröße — um eine der abertausend Kopien, die öffentliche Ehrenplätze einnahmen oder in Miniaturausführung die Schreibtische oder Wohnungen verantwortungsbewußter und engagierter Wesen auf allen Planeten der Föderation zierten. Das Original hatte mehr als zwei Jahrhunderte innerhalb eines Schutzschilds auf dem Marktplatz im Zentrum von Orligias Hauptstadt gestanden. In all den Jahren hatten immer wieder viele mit Intelligenz und Sensibilität ausgestattete Einheimische und Touristen vergeblich zu beschreiben versucht, welche Wirkung dieses Monument auf sie gehabt hatte.

Denn bei dem Mahnmal handelte es sich um keine in Marmor geschlagene, ästhetisch verherrlichende Darstellung, in der gottgleiche Gestalten durch übertriebene Gesten kühnen Widerstand ausdrücken oder aber mit äußerst vorteilhaft angeordneten Gliedmaßen erhaben sterbend daniederliegen. Statt dessen bestand es aus einem Orligianer und einem Terrestrier inmitten zertrümmerter Reste eines Cockpits, das zu einem inzwischen längst veralteten Schiffstyp gehörte.

Der Orligianer stand nach vorn gebeugt, sein Brustpelz und Gesicht waren von Blut bedeckt. Einige Meter entfernt lag der ganz eindeutig sterbende Terrestrier. Das Vorderteil der Uniform hing in Fetzen an ihm herunter und enthüllte die gräßlichen Wunden, die er davongetragen hatte. Schon mit bloßem Auge konnte man ganz deutlich normalerweise von Haut bedeckte Unterleibsorgane, subkutane Gewebeschichten und Muskeln sehen. Dennoch kämpfte sich dieser Mann, der eigentlich gar nicht mehr hätte leben, geschweige denn sich bewegen dürfen, zum Orligianer voran.