„Na gut“, erwiderte der Captain. Er drückte auf den Sendeknopf und fuhr langsam und deutlich sprechend fort: „Hier Ambulanzschiff Rhabwar vom Orbit Hospital im galaktischen Sektor zwölf im Einsatz. Antworten hiermit auf Ihre vor über sechs Stunden ausgesetzte Notsignalbake. Wir nähern uns Ihnen in.“
„Dreiundfünfzig Minuten“, ergänzte Dodds.
„.falls Sie eine Verbindung herstellen können, identifizieren Sie sich bitte. Machen Sie genaue Angaben über die Art Ihrer Schwierigkeiten, und teilen Sie uns die Anzahl der Opfer und deren Verletzungsarten mit.“
Der auf einem überzähligen Platz sitzende Conway lehnte sich aufmerksam nach vorne, obwohl sich der Unterschied von ein paar Zentimetern wohl kaum auf die Verständlichkeit eines eingehenden Funkspruchs auswirken konnte. Als dann tatsächlich eine Stimme zu vernehmen war, klang sie eher entschuldigend als der Verzweiflung nah.
„Hier spricht das Aufklärungsschiff des Monitorkorps Tyrell, unter dem Kommando von Major Nelson“, meldete die Stimme. „Die Notsignalbake ist zwar von uns, aber wir haben sie für das Wrack ausgesetzt, das Sie neben uns sehen. Auch wenn sich unser medizinischer Offizier nicht ganz sicher ist — Sie müssen wissen, daß sich seine medizinischen Kenntnisse nur auf drei Spezies erstrecken —, so glaubt er doch, daß noch Leben an Bord sein könnte.“
„Doktor.“, begann der Captain und blickte zu Conway hinüber. Aber bevor er fortfahren konnte, hatte Haslam schon Neues zu berichten.
„Sir! Noch ein. nein, zwei Echobilder. Ähnliche Form und Größe wie das in Not geratene Schiff Außerdem kleinere, weit verstreute Metalltrümmer.“
„Das ist der zweite Grund, warum wir die Notsignalbake ausgesetzt haben“, erklärte Nelsons Stimme von der Tyrell. „Wir verfügen zwar nicht über Ihre weitreichenden Sensoren — unsere Ausrüstung besteht hauptsächlich aus photooptischen Geräten, Computereinrichtungen und Sensoren, die in erster Linie für Vermessungsarbeiten notwendig sind —, aber dieses Gebiet scheint von Wrackteilen zu wimmeln. Und obwohl ich nicht vollkommen die Ansicht unseres Arztes teile, daß in einigen dieser Trümmerstücke Überlebende stecken könnten, besteht doch immerhin die Möglichkeit, daß.“
„Sie hatten völlig recht, um Hilfe zu rufen, Captain Nelson“, unterbrach ihn Conway. „Wir reagieren viel lieber ein dutzendmal auf einen Fehlalarm, als das Risiko einzugehen, auch nur einen einzigen wirklich notwendigen Rettungseinsatz zu verpassen. Raumunfälle sind nun einmal so gelagert, daß die Hilfe meistens sowieso zu spät eintrifft. Unabhängig davon benötigen wir dringend die physiologische Klassifikation der Überlebenden im Wrack sowie Angaben über Art und Ausmaß der Verletzungen, damit wir mit den Vorbereitungen für die Unterbringung und Behandlung beginnen können.
Ich bin übrigens Chefarzt Conway“, schloß er. „Könnte ich bitte mit Ihrem medizinischen Offizier sprechen?“
In der Funkverbindung war jetzt lange Zeit nur ein Zischen zu vernehmen, und Haslam meldete in dieser Zeit mehrere neue Echobilder. Wie er weiterhin berichtete, lieferten die bisher vorliegenden Informationen zwar noch lange kein vollständiges Bild, doch war er sich wegen der Verteilung der Wrackstücke ziemlich sicher, daß der Unfall auf einem sehr großen Schiff stattgefunden hatte, das dabei in relativ gleichmäßig große Teile zersprengt worden war. Bei den Trümmern neben der Tyrell und den übrigen gleichartigen Teilen, die überall auf den Bildschirmen erschienen, handelte es sich um Rettungsboote. Im übrigen hatte sich die Katastrophe, nach der breiten Streuung der bisher entdeckten Wrackstücke zu urteilen, keineswegs erst in jüngster Zeit ereignet.
Schließlich drang eine matte, ausdruckslose Stimme aus den Lautsprechern, der durch den Übersetzungsvorgang jegliche Betonung genommen war. „Ich bin Schiffsarzt Lieutenant Krach-Yul, Doktor Conway“, stellte sich der Arzt der Tyrell vor. „Meine Kenntnisse auf dem Gebiet der Physiologie von anderen Spezies sind sehr begrenzt, da ich bisher nur bei der Behandlung von Terrestriern, Nidianern und meiner eigenen orligianischen Spezies medizinische Erfahrungen sammeln konnte. Wie Sie wissen, handelt es sich bei diesen Spezies ausnahmslos um warmblütige Sauerstoffatmer der Klassifikation DBDG.“
Während Krach-Yuls Bericht ging Conway durch den Kopf, daß sich die Bewohner von Orligia und dem benachbarten Planeten Nidia von der Körpergröße her zwar deutlich von Terrestriern unterschieden und die Körper der Nidianer sogar von oben bis unten von einem dichten, krausen Pelz überzogen waren, sich aber diese relativ geringfügigen Abweichungen nicht auf die aus vier Buchstaben bestehende Klassifikation auswirkten. Diese geringfügigen Unterschiede hatten übrigens auch bei der geringfügigen Meinungsverschiedenheit keine Rolle gespielt, wegen der Orligia und die Erde in den frühen Tagen ihrer Weltraumerforschung den ersten kurzen und bisher einzigen interstellaren Krieg gegeneinander geführt hatten.
Aus diesem Grund war der Umgang der Orligianer und der Terrestrier miteinander mehr als freundlich, sie strengten sich heutzutage sogar besonders an, einander zu helfen. Es war sehr schade, daß Krach-Yul zuwenig Berufserfahrung hatte, um eine wirkliche Hilfe zu sein. Conway konnte nur hoffen, daß der orligianische Arzt genug Vernunft besessen hatte, seine fachliche Neugier zu zügeln und seine freundliche Pelznase nicht in eine Situation zu stecken, die weit über seinen Erfahrungshorizont hinausging.
„Wir sind nicht an Bord des Wracks gegangen“, berichtete der Orligianer gerade, „weil unsere Besatzungsmitglieder keine Experten für Alientechnologie sind und die Gefahr bestand, daß sie, ohne es zu wollen, eher zur Verstärkung des Problems als zu seiner Lösung beigetragen hätten. Ich hatte darüber nachgedacht, ein Loch durch den Rumpf zu bohren und aus dem Wrack Atmosphäreproben zu nehmen in der Hoffnung, daß die eventuell Überlebenden warmblütige Sauerstoffatmer wie wir sind und man einfach Luft ins Wrack pumpen könnte. Aber dann hab ich mich doch gegen dieses Vorgehen entschieden, weil es sich bei der Schiffsatmosphäre genausogut um eine exotische Mischung hätte handeln können, mit der wir einen Überlebenden gar nicht hätten versorgen können, und wir in so einem Fall nur den Innendruck des Wracks ohne den geringsten Nutzen gesenkt hätten.
Wir sind uns natürlich nicht sicher, ob überhaupt ein Überlebender im Wrack ist, Doktor“, fuhr Krach-Yul fort. „Laut Sensorenabtastung enthält das Wrack noch atmosphärischen Druck. Außerdem zeigen die Sensoren eine kleine Energiequelle und die Existenz einer großen Masse organischer Materie an, die man zum Teil auch durch die Sichtluken sehen kann. Aber ob diese organische Masse lebt, das wissen wir natürlich nicht.“
Conway seufzte — auf den Gebieten der extraterrestrischen Physiologie und Medizin mochte dieser Krach-Yul noch relativ unerfahren sein, aber gewiß mangelte es ihm nicht an Intelligenz. Conway konnte sich nur zu gut vorstellen, wie der Orligianer nach der Ausbildung auf seinem Heimatplaneten zur Weiterbildung auf den Nachbarplaneten Nidia geflogen war, um danach seine Kenntnisse über ETs beim Monitorkorps zu vertiefen. Und während er heute die leichten Krankheiten und Verletzungen der terrestrischen Besatzung eines Aufklärungs- und Vermessungsschiffs kurierte, hatte er bestimmt ständig auf einen Zwischenfall wie diesen gehofft. Wahrscheinlich platzte der große, pelzige Orligianer mittlerweile fast vor Neugier auf den organischen Inhalt des Wracks, aber zumindest kannte er die Grenzen seiner fachlichen Leistungsfähigkeit. Conway entwickelte bereits Sympathie für diesen orligianischen Arzt, bevor er ihn überhaupt gesehen hatte.