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„Ich bin im Labor auf dem Unfalldeck, Captain“, sagte er. Lächelnd streckte er den Arm aus, um Fletcher beruhigend auf die Schulter zu klopfen, und fügte hinzu: „Das machen Sie ganz großartig, Captain. Denken Sie einfach daran, daß der Flottenkommandant früher einmal auch nicht mehr als ein Major gewesen ist.“

Als er auf dem Unfalldeck ankam, konnte man das Gespräch zwischen Fletcher und dem Flottenkommandanten der beiden auf dem Repeaterschirm nur visuell verfolgen, weil Prilicla über eine andere Tonfrequenz dem medizinischen Offizier eines Aufklärungsschiffs gerade die Anweisung gab, eine von diesem gefundene Leiche Murchison zur Untersuchung auf die Rhabwar zu bringen. Murchison und Naydrad waren immer noch mit dem ersten Exemplar beschäftigt, das inzwischen in sämtliche Bestandteile zerlegt worden war.

Murchison wies mit dem Kopf in Richtung Repeaterschirm und sagte: „Du scheinst ja alles, was du brauchst, gekriegt zu haben. Hatte O’Mara ausnahmsweise gute Laune?“

„Sarkastisch und hilfsbereit wie immer“, antwortete Conway grinsend und gesellte sich zu ihr an den Seziertisch. „Wissen wir inzwischen schon mehr über diese riesige Boa constrictor?“

„Ich hab zwar keine Ahnung, was wir wissen“, entgegnete Murchison mürrisch, „aber ich bin schon ein wenig schlauer als zuvor und fühle mich allerdings mehr als nur ein wenig verwirrt, was ich dabei herausgefunden hab. Zum Beispiel ist.“

Die dicke Ganglienkette mit den örtlich konzentrierten Knoten und Verdickungen, die durch die Mitte des zylindrischen Körpers verlief, war mit fast absoluter Gewißheit das einem Gehirn entsprechende Organ des CRLT, so daß die Vorstellung eines fehlenden Kopfs und Schwanzes allmählich unwahrscheinlich schien — besonders weil die durchsichtige Schutzschicht auf den wunden Stellen an den Körperenden genauso widerstandsfähig wie die lederne Haut des Wesens war, auch wenn sie nicht so aussah.

Murchison war es geglückt, die Nervenverbindungen zwischen den Ganglien und den Augen, Mündern und Greiforganen zu verfolgen und eine Verknüpfung beider Enden des zentralen Nervenstrangs mit der verwirrenden Muskulatur, die unter den wunden Stellen am vorderen und hinteren Ende des Wesens lag, ausfindig zu machen.

Die Leiche schien männlichen Geschlechts zu sein — zumindest waren die weiblichen Genitalien am anderen Körperende geschrumpft und befanden sich anscheinend schon in einem frühen Stadium völligen Schwunds —, und Murchison hatte das Organ zur Produktion der männlichen Geschlechtszellen und die Methode der Übertragung zum Weibchen entdeckt.

„Es gibt Anzeichen für eine unnatürliche Organverlagerung“, fuhr sie fort, „deren einzige Ursache Schwerelosigkeit sein kann, denn natürliche oder künstliche Schwerkraft ist für diese Lebensform physiologisch unbedingt notwendig. Während des Winterschlafs macht die Schwerelosigkeit diesen Wesen nichts aus, wenn sie aber bei Bewußtsein sind, ruft sie schwere Übelkeit, eine Beeinträchtigung der Sinneswahrnehmung und, dessen bin ich mir ziemlich sicher, psychische und physische Schmerzen hervor.“

Das Wesen mußte sich zur Wiederbelebung demnach also entweder am Rand seines rotierenden Schiffs befinden oder unter der Einwirkung natürlicher Schwerkraft stehen, nämlich der des Zielplaneten.

Dieser Patient braucht keinen Arzt, sondern einen Wundertäter, dachte Conway spöttisch.

„Mit Unterstützung des Captains konnten wir nachweisen“, fuhr Murchison fort, „daß sich in dem Spender, in dem sich zum größten Teil das Medikament befindet, durch das der Winterschlaf hervorgerufen und oder verlängert wird, auch geringere Mengen eines komplexen organischen Sekrets enthalten sind, bei dem es sich nur um ein Mittel zur Wiederbelebung handeln kann. Fletcher hat sogar den Fühler des automatischen Sensors und Auslösers gefunden, der den Spender vom Winterschlaf auf Wiederbelebung umschaltet, und entdeckt, daß dieser Fühler auf das gleichzeitige Vorhandensein von Schwerkraft und Außendruck reagiert. Derselbe Mechanismus ist auch für das Abwerfen der Abschlußplatten des Zylinders verantwortlich, damit der CRLT seinen Container verlassen kann.

Früher oder später werden wir eins dieser Wesen wieder zum Leben erwecken müssen“, sagte sie zum Abschluß ihres kurzen Berichts mit besorgter Stimme, „und bis dahin sollten wir uns fast absolut sicher sein, das wir überhaupt wissen, was wir tun.“

Conway hatte sich bereits den Raumanzug ausgezogen und stieg gerade in den Chirurgenoverall. „Möchtest du, daß ich irgend etwas Bestimmtes tue?“

Während sie sich mit der Leiche beschäftigten, wurden aus den auf der Digitalanzeige der Uhr verstreichenden Minuten erst Tage und dann Wochen. Von Zeit zu Zeit traf über SubreumM: eine kurze Nachricht von Thornnastor ein, die Murchisons und Conways Befunde bestätigte oder neue Untersuchungsmethoden vorschlug, aber selbst so schienen sie nur langsame bis gar keine Fortschritte zu machen.

Gelegentlich blickten sie von der Arbeit auf und sahen zum Repeaterschirm hinüber, um sich über die Ereignisse zu informieren, aber auch das geschah immer seltener.

Fletcher, ein hudlarischer Fachmann für Weltraumkonstruktionen und unterschiedlich befähigte Offiziere des Monitorkorps zeigten sich gegenseitig über die verschiedenen Bildkanäle zumeist irgendwelche verbogenen Metallstücke, verglichen Kennzeichnungssymbole und führten endlose Gespräche darüber. Zweifellos war das alles immens wichtig, aber für den Zuhörer einfach todlangweilig. Außerdem hatten Conway und Murchison ja ihr eigenes, aus organischen Teilen bestehendes Puzzle, über das sie sich den Kopf zerbrechen konnten.

Eine angenehme Unterbrechung dieser alltäglichen Routine bot sich immer dann, wenn sie einen kurzen Abstecher in den Weltraum machen mußten, um einen Blick auf eine der neu herangeschafften Leichen zu werfen. Die toten Aliens wurden an der Außenhaut befestigt, weil der Platz auf der Rhabwar immer nur für einen CRLT zur gleichen Zeit reichte. Bei diesen Gelegenheiten führten sie die Untersuchungen in der Schwerelosigkeit durch und schnitten nur besonders interessante organische Substanzen zum späteren Studium heraus. Dabei stießen sie auf eine verblüffend vielfältige Mischung aus Alter und Geschlecht, die darauf hinzudeuten schien, daß es sich bei den älteren CRLTs um gut entwickelte Männchen handelte, deren wunde Stellen an den Körperenden eine bräunliche Färbung aufwiesen, während die jüngeren eindeutig Weibchen waren, die unter der durchsichtigen Schutzschicht blaßrosa Stellen hatten.

Einmal mußten die ermüdenden Untersuchungsarbeiten unterbrochen werden, was allerdings unangenehm war. Schon mehrere Stunden lang hatten sich Conway und Murchison mit einem schlaffen, leicht violetten Gewebestück befaßt, das der organische Auslöser der Winterschlafphase des Wesens hätte gewesen sein können. Sie hatten noch immer keine Fortschritte gemacht, als plötzlich Prilicla in ihr verärgertes, angespanntes Schweigen hereinplatzte.

„Meine Freundin Murchison ist müde“, stellte der Empath fest.

„Nein, bin ich nicht“, protestierte die Pathologin mit einem Gähnen, das ihr den kräftigen und dennoch hübsch geformten Unterkiefer auszurenken drohte. „Zumindest war ich das nicht, bis Sie mich daran erinnert haben.“

„Genau wie Sie, mein Freund.“, sagte Prilicla zu Conway, bevor er unterbrochen wurde — denn statt irgendeines der Teile des Alienschiffs erschienen jetzt die pelzigen Gesichtszüge von Schiffsarzt Lieutenant Krach-Yul auf dem Repeaterschirm.

„Doktor Conway“, sagte der orligianische Arzt, „ich muß einen Unfall melden. Zwei terrestrische DBDGs, einfache Frakturen, keine Dekompressionsverletzungen.“

„Na gut“, erwiderte Conway und biß die Zähne zusammen, um nicht zu gähnen. „Jetzt haben Sie endlich einmal wieder die Chance, chirurgische Erfahrungen mit anderen Spezies zu sammeln.“