„Aber warum brauchen Sie dazu.?“ begann Con-way.
„Ich bin doch gerade dabei, Ihnen zu erklären, warum, Doktor!“ erwiderte der Flottenkommandant in scharfem Ton. Die Bildschirmdarstellung veränderte sich wieder, und Dermod fuhr fort: „Die beiden Großkampfschiffe und die Descartes nehmen in dichter Formation hintereinander Aufstellung und koppeln sich mit synchronisierten Traktor- und Pressorstrahlen zusammen. Dadurch werden die drei Schiffe zu einer einzigen, starren Konstruktion, die den zentralen Kern des Alienschiffs ersetzt, und als Stützverstrebungen, durch die die Spule zusammengehalten wurde, werden uns ebenfalls nichtmaterielle, aber genauso starre Traktor- und Pressorstrahlen dienen.
Bei der Landung wird sich die Vespasian am unteren Ende befinden“, fuhr Dermod fort, wobei sich ein Hauch von Stolz in seine Stimme einschlich. „Schließlich sind unsere Triebwerke in der Lage, die anderen beiden Schiffe und das Alienschiff beim Abbremsen und während der Landung zu tragen. Dabei müssen die Claudius und die Descartes für die Seitenstabilität sorgen und uns durch auf den Boden gerichtete Pressorstrahlen ein wenig von der Last abnehmen. Nach dem Aufsetzen reichen die Energiereserven aller drei Schiffe aus, um das ganze Gebilde mindestens noch zwölf Stunden lang zusammenzuhalten. Ich hoffe, das reicht dem Alien zum Aussteigen. Das heißt, falls wir irgendeine geeignete Stelle für ihn finden können.“
Die Darstellung verschwand vom Bildschirm und wurde wieder durch das Gesicht des Flottenkommandanten ersetzt. „Sie sehen also, Doktor, ich brauche die Claudius, um diese, diese teilweise nichtmaterielle Konstruktion zu vervollständigen und ihre Praxistauglichkeit in der Schwerelosigkeit zu testen, bevor ich die beim Landemanöver auftretenden Belastungen errechnen kann. Ebenso dringend sind die notwendigen Berechnungen für die Ausdehnung der Hyperraumhüllen der drei Schiffe, damit wir die Spule darin einschließen und mit ihr schleunigst in den Hyperraum springen können, bevor wir dieser verdammten Sonne zu nahe kommen.“
Conway schwieg einen Augenblick lang — ihm schauderte bei der Vorstellung, welch verheerenden Dinge schiefgehen konnten, wenn drei aneinandergekoppelte Schiffe gleichzeitig in den Hyperraum sprangen. Aber er traute sich nicht, seine Besorgnis zu äußern, denn die Durchführung von Schiffsmanövern lag einzig und allein in der Verantwortung des Flottenkommandanten und gehörte nicht zu den Aufgaben eines Chefarztes, und genau das hätte ihm Dermod auch mit Fug und Recht entgegnet. Außerdem hatte Conway genug eigene Probleme am Hals, für die er auf der Stelle Hilfe brauchte.
„Sir“, antwortete er etwas verlegen, „Ihr Lösungsvorschlag ist wirklich genial, und vielen Dank auch für die Erläuterungen. Aber ich wollte Sie eigentlich gar nicht fragen, warum Sie die Claudius anfordern wollen, sondern warum Sie in dieser Angelegenheit meine Hilfe brauchen.“
Einen Moment lang starrte ihn der Flottenkommandant verblüfft an, dann wurde sein Gesichtsausdruck jedoch wieder milder, als er entgegnete: „Entschuldigen Sie, Doktor, falls ich Ihnen gegenüber ein wenig ungeduldig gewesen sein sollte. Die Situation ist folgende: Wegen der neuen Weisung des Föderationsrats bezüglich extraterrestrischer Rettungsaktionen seitens der Rhabwar muß ich mir bei solch einer kombinierten medizinischen und militärischen Großoperation Ihre Zustimmung einholen, wenn ich zusätzliche Mannschaften und weiteres Material anfordern will, erst recht, wenn es um ein zweites Großkampfschiff geht. Ich nehme an, Sie sind einverstanden, oder?“
„Natürlich“, antwortete Conway.
Trotz seiner offensichtlichen Verlegenheit nickte Dermod freundlich, aber rund um seinen Mund stellten sich bereits wieder die ungeduldigen Falten ein, als er fortfuhr: „Es reicht völlig, wenn Sie als leitender Arzt dieses Falls mit ein paar Worten auf Band erläutern, daß die Claudius zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Sicherheit und zur Gewährleistung des weiteren Wohlbefindens Ihres Patienten hier dringend benötigt wird. Aber Sie wollten ja eigentlich etwas von mir, Doktor. Kann ich Ihnen helfen?“
„Ja, Sir“, erwiderte Conway und fuhr schnell fort: „Sie haben sich darauf konzentriert, die einzelnen Teile des Spulenschiffs in der richtigen Reihenfolge zusammenzusetzen. Jetzt muß ich damit anfangen, den Patienten wieder zusammenzusetzen, wobei der Schwerpunkt auf der Zusammenfügung der Segmente liegt, die sich zur Zeit in keiner Reihenfolge befinden — also diejenigen, die von den Winterschlafcontainer getrennt wurden, in denen sich tote Insassen befanden. Wir sind uns inzwischen nämlich sicher, daß es sich bei dem Alien um ein Gruppenwesen handelt, dessen einzelne Mitglieder über eigene Intelligenz verfügen und sich unter den richtigen Bedingungen vielleicht auf natürliche Art mit den benachbarten Mitgliedern der Gruppe verbinden können. So lautet zumindest die Theorie, Sir, die aber erst noch durch Experimente bestätigt werden muß.
Die Wesen in falscher Reihenfolge könnten noch ernsthafte Probleme aufwerfen“, fuhr Conway fort. „Man muß sie aus ihren Containern herausholen und jeden Alien an den anderen legen, damit ich das Ausmaß des chirurgischen Eingriffs ermitteln kann, das beim Zusammensetzen des Gruppenwesens erforderlich wird.“
„Also wollen Sie damit sagen, daß Sie noch dringender Hilfe benötigen als ich, Doktor, stimmt’s?“ entgegnete Dermod, wobei er das Gesicht kurz zu einer mitleidsvollen Miene verzog. „Nun gut, Sie haben jetzt das Sagen. Also, was genau brauchen Sie?“
Dermod ist wie O’Mara, dachte Conway, Ungeduld gepaart mit einer völlig abwegigen Denkweise.
„Ich brauche zwei kleine Schiffe, die die CRLT-Segmente, die ich noch genau bestimmen werde, zu mir transportieren und zum richtigen Platz in der Spule zurückbringen“, sagte er. „Außerdem einen großen Frachtraum, in dem ich zwei gekoppelte Container samt den zwei Wesen, die ich aus den Zylindern herausholen werde, unterbringen kann. Die Schleuse muß mit künstlichen Schwerkraftgittern und Traktor- und Pressorstrahlbatterien ausgerüstet sein, um die CRLTs ruhigstellen zu können, falls sie bei Wiedererlangung des Bewußtseins verwirrt und aggressiv reagieren sollten. Außerdem benötige ich natürlich das zur Bedienung der Geräte erforderliche Personal. Mir ist klar, daß man dafür den Laderaum und die Frachtschleuse eins der größten Schiffe nehmen muß, aber ich brauche wirklich nur den Frachtraum. Das Schiff kann trotzdem die ihm zugeteilten Aufgaben weiter erfüllen.“
„Vielen Dank“, erwiderte Dermod trocken. Er hielt kurz inne, weil jemand außerhalb des Bildschirms leise mit ihm sprach. Dann fuhr er fort: „Sie können den vorderen Laderaum der Descartes benutzen, die Ihnen auch das Personal stellen wird. Die beiden Planetenlandefähren dieses Schiffs stehen Ihnen zum Holen und Transportieren der CRLTs zur Verfügung. Gibt’s sonst noch was?“
Conway schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht, Sir, nur noch eine kurze Funkmeldung. Die Archivare der Föderation glauben, den Heimatplaneten der CRLTs gefunden zu haben. Er ist aber wegen dramatischer Veränderungen der Umlaufbahn und der damit verbundenen großflächigen seismischen Störungen nicht mehr bewohnbar. Die Abteilung für Kolonisierung hat schon einen neuen Planeten ins Auge gefaßt und wird uns die Koordinaten geben, wenn man sich absolut sicher ist, daß die dort herrschenden Umweltbedingungen und die physiologische Klassifikation der CRLTs zusammenpassen. Damit hätten wir also einen Ort, an den wir unser kleines Dickerchen bringen können, sobald wir ihn wieder zusammengeflickt haben.
Alle Anzeichen sprechen jedenfalls dafür, daß es sich bei dieser Spule nicht um ein einfaches Kolonisierungsschiff handelt, das in irgendwelcheSchwierigkeiten geraten ist“, schloß Conway seinen Bericht in ernstem Ton, „sondern um ein planetarisches Rettungsboot, das die letzten Überlebenden dieser Spezies an Bord hatte.“