Выбрать главу

Conway blickte sich besorgt in dem riesigen vorderen Laderaum der Descartes um — hätte er geahnt, daß sich dort so viele Schaulustige versammeln würden, hätte er von vornherein um einen sehr viel größeren Operationssaal gebeten. Glücklicherweise handelte es sich bei einem der Schaulustigen um Colonel Okaussie, den befehlshabenden Offizier des Schiffs. Er sorgte dafür, daß niemand im Weg stand und keiner außer Conway, Murchison, Naydrad, Prilicla, Fletcher und ihm selbst Zutritt zu dem Bereich des Decks hatte, in dem sich die beiden gekoppelten Zylinder befanden. Über eins war sich Conway nun sicher: Egal, ob sich der erste Verbindungsversuch der CRLTs als Erfolg oder Fehlschlag herausstellen sollte, auf jeden Fall würde es nicht die geringste Chance geben, das Ergebnis geheimzuhalten.

Er benetzte die Lippen und ordnete in ruhigem Ton an: „Entkoppeln Sie die Zylinder, und schieben Sie die Verbindungsseiten drei Meter weit auseinander. Erhöhen Sie die künstliche Schwerkraft bis zum terrestrischen Normalwert, aber langsam, und stellen Sie die Atmosphäre mit dem normalen Druck und der Zusammensetzung für diese Lebensform her. Die Werte dafür haben Sie ja.“

Während er die Verbindungsflächen der beiden Zylinder beobachtete, schmiegte sich der Stoff des leichten Raumanzugs langsam an seinen Körper, und gegen seine Fußsohlen preßte ein allmählich steigender Druck. Auf einmal rutschten die runden Abschlußplatten aus ihren Befestigungsschlitzen, schlugen klirrend auf den Boden und rollten wie riesige, eiernde Münzen aus. Die Winterschlafcontainer waren jetzt auf beiden Seiten offen, und die beiden CRLTs konnten sich nun aufeinander zubewegen, sich voneinander entfernen oder sich von einem Zylinder in den anderen begeben.

„Prima!“ rief Fletcher. „Wenn das Spulenschiff durch den Weltraum fliegt, wird der Insasse durch die Zentrifugalkraft gegen die Außenseite des Zylinders gedrückt. Sobald die Rotation aufgrund der Einwirkung echter Schwerkraft aufhört und die luftdichten Luken nach unten fallen, steht der einzelne Zylinder allen anderen Wesen offen. Daraufhin verläßt nun der Alien, das heißt, das komplette Gruppenwesen, das Schiff, indem die Mitglieder der Gruppe heckwärts durch sämtliche Zylinder hinunterrutschen, bis sie alle auf der Planetenoberfläche angelangt sind. Da die Druck- und Gravitationssensoren mit den Medikamentenbehältern verbunden sind, wachen diese Wesen aus ihrem Winterschlaf auf. Also haben Sie gerade die Bedingungen reproduziert, die nach der Landung auf einem Planeten zur Wiederbelebung führen, Doktor, stimmt’s?“

Conway nickte nur und fragte dann Prilicla: „Können Sie schon irgend etwas feststellen?“

„Bisher noch nicht, mein Freund.“

Sie gingen näher an die zwei geöffneten Zylinder heran, um einen Blick hineinwerfen zu können, wobei sie abwechselnd die beiden Insassen betrachteten, die schlaff dalagen und deren Greiforgane kraftlos vom Rücken über die Seiten herunterhingen. Dann zuckte plötzlich einer der riesigen röhrenförmigen Körper, und auf einmal bewegten sich beide schwerfällig aufeinander zu.

„Bitte alle zurücktreten!“ forderte Conway die anderen auf. „Prilicla?“

„Die beiden kommen wieder zu Bewußtsein, mein Freund“, antwortete der Empath, der sowohl aufgrund der eigenen als auch wegen der Aufregung der anderen automatisch zittern mußte. „Allerdings nur langsam. Die momentanen Bewegungen sind instinktiv, unwillkürlich.“

Als sich die vordere Seite des einen CRLT der hinteren des anderen näherte, weichte bei beiden die organische Schutzschicht über den wunden Stellen auf, verflüssigte sich und tropfte schließlich zu Boden. Mitten auf der Vorderseite des ersten Aliens formte sich jetzt ein stumpfer Kegel, der von Muskelgewebe umgeben war, das sich zuckend in Erhebungen, Vertiefungen und unregelmäßige Spalten legte. Auf der Hinterseite des zweiten CRLT hatten sich ebenfalls Vertiefungen und Löcher gebildet, die exakt den Beulen des ersten entsprachen, genauso wie vier dreieckige Muskellappen, die sich wie die fleischigen Blütenblätter einer bizarren Blume öffneten. Und dann befand sich mit einem Mal nur noch ein einziges Wesen von doppelter Länge und mit einer praktisch völlig unsichtbaren Nahtstelle im Laderaum.

Und ich Idiot hab mir darüber den Kopf zerbrochen, wie ich die beiden miteinander verbinde! dachte Conway. Dabei könnte das eigentliche Problem darin bestehen, die Aliens auseinanderzuhalten…

„Sind wir hier gerade Zeugen einer körperlichen Vereinigung zur Fortpflanzung?“ fragte Murchison ganz allgemein in die Runde.

„Meine Freundin“, entgegnete Prilicla, „nach der emotionalen Ausstrahlung beider Wesen zu urteilen, handelt es sich weder um einen bewußten noch um einen unbewußten sexuellen Akt. Ein treffenderer Vergleich wäre ein Kleinkind, das den beruhigenden Körperkontakt mit einem Elternteil sucht. Die Aliens suchen jedenfalls beide beruhigenden körperlichen und geistigen Kontakt und strahlen zudem Gefühle der Verwirrung und des Verlustes aus. Erstaunlicherweise decken sich diese Emotionen bei beiden so genau, daß als einzige Erklärung gemeinsames Denken bleibt.“

„Achtung, Techniker an den Traktorstrahlen!“ rief Conway energisch. „Ziehen Sie die Aliens wieder auseinander, aber sachte!“

Zwar freute er sich über die Entdeckung, daß wahrscheinlich sämtliche Aliens, die zusammen das riesige Gruppenwesen bildeten, unter normalen Bedingungen auf natürliche Weise miteinander verschmelzen würden, doch könnte das vielleicht nicht mehr der Fall sein, wenn durch den Unfall zu viele dazwischenliegende Zylinder zerstört worden waren. Auf gar keinen Fall wünschte er sich aber bereits zu diesem Zeitpunkt eine vorzeitige, dauerhafte Verschmelzung der beiden Aliens im Laderaum. Man mußte sie wieder in den scheintoten Zustand versetzen und an ihren Platz in der Spule bringen, weil sie sich sonst womöglich für immer vom Gruppenwesen getrennt und praktisch wie Waisen vorkommen könnten.

Obwohl die Traktorstrahlen längst nicht mehr sanft zogen, widersetzten sich die beiden CRLTs noch immer hartnäckig einer Trennung. Sie entwickelten dabei sogar eine um so größere körperliche Aktivität und versuchten, ihre Winterschlafcontainer ganz zu verlassen. Ihre emotionale Ausstrahlung bereitete Prilicla zusehends ernstliche Unannehmlichkeiten.

„Irgendwie müssen wir es doch schaffen, den Vorgang wieder umzukehren,“, begann Conway.

„Die Sensoren reagieren auf Schwerkraft und Luftdruck“, unterbrach ihn Fletcher schnell. „Wir können zwar nicht die Atmosphäre aus dem Laderaum ablassen, ohne die Aliens zu töten, aber wenn wir nur die künstliche Schwerkraft abschalten, dann hört vielleicht.“

„Aber der Auswurfmechanismus der Abschlußplatten war doch auch mit diesen Sensoren verbunden“, entgegnete Conway. „Und die Abschlußplatten können wir nicht wieder in die Befestigungsschlitze zurückschieben, ohne die beiden Wesen dabei auseinanderzuschneiden, und das bestimmt an der falschen Stelle.“

„… dann hört vielleicht die Verabreichung der Wiederbelebungsmedikamente auf“, fuhr Fletcher fort, „und die Einschläferungsphase wird erneut gestartet. Noch stecken die Nadeln in beiden Wesen, und der Verbindungsschlauch ist biegsam und bislang unbeschädigt geblieben. Allerdings nicht mehr lange, wenn wir die Wesen nicht bald davon abhalten, die Zylinder zu verlassen. Wenn man die Wiederbelebungsschläuche der beiden Aliens mit einer Klemme unterbrechen würde, Doktor, dann könnte ich vielleicht den Auslöser der Abschlußplatten überbrücken und dadurch die medikamentöse Einleitung des Winterschlafs starten.“

„Aber dazu müßten Sie neben zwei sehr großen und aggressiven Aliens direkt in den Zylindern arbeiten“, gab Murchison zu bedenken.

„Nein, Murchison“, erwiderte der Captain. „Ich bin weder tollkühn, noch hab ich einen Hang zur Xenophobie. Ich werde durch eine Abdeckplatte in der Außenhaut arbeiten. Das dauert ungefähr zwanzig Minuten.“