Bevor sich Conway dazu äußern konnte, bewegten sich die Aliens schon wieder aufeinander zu. Diesmal hielt der vordere CRLT still, während der hintere seine Verbindungsseite für einen erneuten Versuch in eine etwas andere Stellung drehte, aber mit demselben Ergebnis.
Diese Berührungen waren ganz offensichtlich äußerst unangenehm, und der daraus resultierende Schmerz hatte die unwillkürliche Muskelbewegung ausgelöst, die die Aliens auseinanderspringen ließ. Aber die CRLTs gaben nicht so leicht auf, obwohl es zunächst den Anschein erweckte. Sie entfernten sich voneinander, bis sie sich wieder in ihren Containern befanden. Dann setzten sich ihre Stummelbeine in rasende Bewegung, und die beiden CRLTs schossen regelrecht aufeinander zu, wobei sie anscheinend allein mit roher Gewalt und der Trägheit der Körpermasse eine Verschmelzung zu erzwingen versuchten. Als sie schließlich mit einem lauten, mehrfachen Klatschen zusammenstießen, zuckte Conway zusammen.
Aber auch dieser Versuch war vergeblich. Die beiden CRLTs prallten wieder auseinander und blieben ungefähr einen Meter voneinander entfernt liegen, ihre Rückengliedmaßen zuckten schwach, und beim Ein- und Ausatmen zischte die Luft laut durch die Atemöffnungen. Dann gingen die Aliens wieder langsam aufeinander zu.
„Die bemühen sich wirklich redlich“, stellte Murchison leise fest.
„Freund Conway“, sagte Prilicla, „die emotionale Ausstrahlung der beiden Aliens ist inzwischen differenzierter geworden. Zwar empfinden sie immer noch tiefe Besorgnis, aber meiner Meinung nach keine persönliche Angst mehr. Außerdem nehme ich Verständnis und große Entschlossenheit wahr, wobei letztere deutlich überwiegt.
Ich würde sagen, daß beide Wesen die Situation völlig verstehen und sich verzweifelt bemühen, zur Lösung des Problems beizutragen. Aber diese erfolglosen Andockversuche bereiten ihnen große Schmerzen, mein Freund.“
Es war typisch für den kleinen Empathen, daß er seine eigenen Schmerzen nicht erwähnte, die nur um Nuancen geringer als die der CRLTs waren. Doch das unkontrollierte Zittern der bleistiftdünnen Beine und des zerbrechlichen Eierschalenkörpers des Empathen sagte mehr als tausend Worte.
„Befördert die CRLTs wieder in den Schlaf!“ ordnete Conway an.
Während die Winterschlafmedizin langsam wirkte, herrschte allgemeines Schweigen, das schließlich von Prilicla unterbrochen wurde. „Die CRLTs verlieren zwar allmählich das Bewußtsein“, sagte er, „aber in der emotionalen Ausstrahlung ist eine merkliche Änderung eingetreten. Sie empfinden jetzt zwar immer noch Besorgnis, aber auch Hoffnung. Ich glaube, die erwarten von uns, daß wir ihr Problem lösen, mein Freund.“
Alle Augen im Laderaum richteten sich auf den kleinen Empathen, aber erst Naydrad, deren wogendes Fell ihre Verwirrung und Besorgnis verriet, stellte die Frage, die sich aus Höflichkeit niemand anders zu stellen traute.
„Und wie?“
Conway antwortete nicht sofort. Er dachte darüber nach, daß zwei hochintelligente, ältere CRLTs aus dem Heck des Spulenschiffs schon beim ersten gescheiterten Verschmelzungsversuch hätten erkennen müssen, daß eine Verbindung zwischen ihnen unmöglich war. Trotzdem hatten sie noch zwei weitere Versuche unternommen — den ersten, als der hintere Alien sich und seine Verbindungsseite in eine andere Stellung drehte, und den zweiten, als beide CRLTs eine Verschmelzung durch rohe Gewalt erzwingen wollten. Conway begann sich zu fragen, ob der kurz zuvor stattgefundene Kommunikationsversuch mit den Aliens wirklich nur einseitig verlaufen war. Erst wenn man den Linguisten der Descartes die Gelegenheit geben könnte, die CRLT-Sprache zu erlernen, würde ein klarer Gedankenaustausch möglich werden. Wie sich allerdings bereits gezeigt hatte, waren Bilder bei der Vermittlung von Informationen sehr wirkungsvoll, und sie schienen alle vergessen zu haben, daß Taten — genauso wie Bilder — oftmals mehr sagten als Worte.
Conway rief sich die drei erfolglosen Andockversuche in die Erinnerung zurück und fragte sich, ob die beiden CRLTs tatsächlich versucht hatten, ihnen zu demonstrieren, daß für sie eine Verbindung ohne Hilfe zwar unmöglich, aber durchaus zu bewerkstelligen war, wenn man ihre Positionen verlagerte, vielleicht einige Manipulationen an der Oberflächenstruktur der Verbindungsflächen vornahm und zusätzlich ein bißchen Gewalt anwandte.
„Freund Conway strahlt Optimismus aus“, verkündete Prilicla erleichtert.
„Vielleicht erläutert er ja sogar uns Nichtempathen den Grund für seinen Optimismus — natürlich nur, wenn’s dem Herrn recht ist“, warf Murchison ungeduldig ein.
Conway überhörte einfach die giftige Bemerkung und umriß kurz seine jüngsten Gedankengänge, obwohl er selbst seine momentanen Gefühle eher als schwache Hoffnung denn als Optimismus bezeichnet hätte. „Deshalb glaube ich, die CRLTs haben uns mitzuteilen versucht, daß zwar ein chirurgischer Eingriff, aber keine rohe Gewalt zur Verschmelzung notwendig ist. Und gerade ist mir eingefallen, daß es für so ein Verfahren bereits einen Präzedenzfall gibt. Bei einer der auf der Rhabwar untersuchten Leichen waren nämlich auf der vorderen Verbindungsseite Spuren eines chirurgischen Eingriffs zu erkennen. Und das könnte bedeuten.“
„Aber dabei handelte es sich um einen jugendlichen CRLT, selbst wenn er körperlich schon ausgewachsen war“, unterbrach ihn Murchison. „Außerdem war der chirurgische Eingriff nicht der Rede wert, und wir waren beide der Meinung, daß man ihn wahrscheinlich nur aus kosmetischen Gründen operiert hatte.“
„Dann haben wir uns vermutlich geirrt“, erwiderte Conway und fuhr aufgeregt fort: „Denk mal an den körperlichen Aufbau des Gruppenwesens. Am Kopf befindet sich der körperlich reifste, männliche Erwachsene und am Schwanz das zuletzt geborene Kind, weil es, wie wir wissen, ohne Abtrennung von seinem Elternteil zu voller körperlicher Reife heranwächst. Zwischen Kopf und Schwanz besteht also eine allmähliche und gleichmäßige Abfolge von den ältesten und intelligentesten männlichen Individuen bis zu den immer jüngeren weiblichen Kindern, aus denen sich der Schwanz zusammensetzt. Aber Prilicla hat von Anomalien in dieser Abfolge berichtet. So weisen junge CRLTs, die sich relativ dicht am Schwanz befinden, Anzeichen höheren körperlichen Alters und eines weiter entwickelten Gehirns auf als Individuen im Mittelteil. Bisher konnte ich mir keinen Grund für diese Anomalien vorstellen.
Aber laß uns jetzt einfach mal annehmen, dieses Gruppenwesen ist bei den Vorbereitungen zu einem umfassenden Kolonisierungsprojekt künstlich verlängert worden. Die außergewöhnlich hohe Anzahl von Individuen in der Gruppe hat mich zwar schon immer gestört, aber jetzt gibt es dafür eine einfache Erklärung.
Angenommen, es gibt einen Kopf oder, genauer gesagt, die vorderen Segmente bestehen aus einer recht großen Anzahl älterer Individuen, hinter denen der Reihe nach mehrere Schwänze gehängt wurden. Eigentlich müßte es sich dann um sehr junge Schwänze handeln, weil ein operativer Eingriff, der eine solche Verschmelzung erst ermöglicht, bei jungen CRLTs bestimmt viel einfacher durchzuführen ist. Das für die Kolonisierung zusammengefügte Gruppenwesen besteht aus älteren Individuen mit Intelligenz und Erfahrung am Kopf, der mit einem künstlich verlängerten Schwanz verbunden ist, der sich aus etlichen jungen und unerfahrenen Untergruppen zusammensetzt. Die Verbindungen zwischen diesen Untergruppen sind durch operative Eingriffe ermöglicht worden, und das nur als vorübergehende Maßnahme, dessen bin ich mir jetzt sicher. Denn nach der Landung auf dem Zielplaneten könnten sich die einzelnen Untergruppen wieder voneinander trennen, die jungen Individuen am Kopf würden zu voller körperlicher Reife heranwachsen, und die Gefahr der Inzucht wäre gebannt.