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Ich schickte die Mail ab. Sobald sie weg war, durchfuhr mich Panik.

Nicht Jamie!

Ihre Stimme war laut und so deutlich wie meine eigene. Ich schauderte vor Entsetzen.

Während ich noch gegen die Angst vor dem, was da passierte, ankämpfte, packte mich das wahnwitzige Verlangen, der Sucherin noch eine E-Mail zu schicken und mich dafür zu entschuldigen, sie mit meinen verrückten Träumen belästigt zu haben. Ihr zu sagen, dass ich noch halb schlief und sie die konfuse Nachricht, die ich ihr geschickt hatte, am besten gar nicht beachtete.

Das Verlangen war nicht mein eigenes. Ich schaltete den Computer aus.

Ich hasse dich, zischte die Stimme in meinem Kopf.

»Warum verziehst du dich dann nicht?«, fuhr ich sie an. Der Klang meiner Stimme, die ihr laut antwortete, ließ mich erneut zusammenfahren.

Bis heute hatte sie noch nie mit mir gesprochen. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie stärker wurde. Genau wie die Träume.

Und es war auch klar, dass ich morgen meiner Helferin einen Besuch abstatten musste. Bei dem Gedanken daran traten mir Tränen der Enttäuschung und der Demütigung in die Augen.

Ich ging zurück ins Bett, vergrub den Kopf unter dem Kissen und versuchte, an überhaupt nichts zu denken.

Ungetröstet

»Hallo, Wanderer! Wollen Sie sich nicht setzen? Machen Sie es sich bequem.«

Ich zögerte auf der Türschwelle zum Sprechzimmer der Helferin. Mit einem Fuß stand ich schon drin, der andere war noch draußen.

Sie lächelte, es war nur eine winzige Bewegung ihrer Mundwinkel. Ich war inzwischen schon viel besser darin, Gesichtsausdrücke zu lesen. Nachdem ich jetzt schon seit Monaten damit konfrontiert war, waren mir die leichten Bewegungen der Muskeln vertraut geworden. Ich konnte erkennen, dass meine widerstrebende Haltung die Helferin amüsierte. Gleichzeitig spürte ich ihre Enttäuschung darüber, dass ich mich immer noch unwohl fühlte, wenn ich zu ihr kam.

Mit einem lautlosen resignierten Seufzer betrat ich den kleinen, bunten Raum und nahm meinen üblichen Platz ein, in dem roten Plüschsessel, der am weitesten von ihrem entfernt war.

Sie schob die Lippen vor.

Um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen, starrte ich durch das offene Fenster auf die Wolken, die vor der Sonne vorbeihuschten. Der leichte Geruch nach salzigem Meerwasser wehte sanft durch den Raum.

»Nun, Wanderer. Es ist eine Weile her, seit Sie das letzte Mal bei mir waren.«

Ich warf ihr einen schuldbewussten Blick zu. »Ich habe eine Nachricht hinterlassen wegen des letzten Termins. Einer meiner Studenten wollte ...«

»Ja, ich weiß.« Sie lächelte wieder ihr winziges Lächeln. »Ich habe Ihre Nachricht bekommen.«

Sie sah gut aus für eine ältere Frau - älter, wie es Menschen nun mal wurden. Ihr Haar war grau - es war weich und tendierte eher zu Weiß als zu Silber, und sie trug es lang, zu einem lockeren Pferdeschwanz gebunden. Ihre Augen waren von einem interessanten Grün, das ich sonst noch nie bei jemandem gesehen hatte.

»Es tut mir leid«, sagte ich, da sie auf eine Antwort zu warten schien.

»Schon in Ordnung. Ich kann verstehen, dass es schwierig für Sie ist, hierherzukommen. Sie wünschen sich so sehr, dass es nicht nötig wäre. Es war bisher noch nie nötig. Das macht Ihnen Angst.«

Ich starrte auf den Holzfußboden. »Ja, Helferin.«

»Ich glaube, ich hatte Sie gebeten, mich Kathy zu nennen.«

»Ja ... Kathy.«

Sie lachte leise. »Die Menschennamen kommen Ihnen nochnicht so leicht über die Lippen, stimmt's, Wanderer?«

»Nein. Um ehrlich zu sein, kommt es mir vor ... wie eine Kapitulation.«

Ich blickte auf und sah sie langsam nicken. »Nun, ich kannverstehen, warum ausgerechnet Sie diesen Eindruck haben.«

Ich schluckte schwer bei ihren Worten und sah wieder zu Boden.

»Lassen Sie uns erst mal über was Leichteres reden«, schlug Kathy vor. »Gefällt Ihnen Ihre Berufung immer noch?«

»Ja.« Das war wirklich leichter. »Das neue Semester hat gerade angefangen. Ich hatte ein bisschen Angst, ob es nicht langweilig werden würde, denselben Stoff zu wiederholen, aber bisher ist es das überhaupt nicht. Die neuen Zuhörer verwandeln auch die Geschichten wieder in etwas Neues.«

»Von Curt höre ich nur Gutes über Sie. Er sagt, Ihre Vorlesung gehört zu den gefragtesten der Universität.«

Meine Wangen fühlten sich warm an von dem Lob. »Das freut mich zu hören. Wie geht es Ihrem Mann?«

»Curt geht es prima, danke. Unsere Wirte sind in sehr gutem Zustand für ihr Alter. Ich denke, wir haben noch viele Jahre vor uns.«

Ich hätte gern gewusst, ob sie in dieser Welt bleiben und einen anderen menschlichen Wirt beziehen würde, wenn die Zeit gekommen war, oder ob sie die Erde verlassen würde. Aber ich wollte keine Fragen stellen, die uns vorzeitig auf schwierigeres Terrain geführt hätten.

»Das Unterrichten macht mir großen Spaß«, sagte ich stattdessen. »Es besteht eine gewisse Verbindung zu meiner Berufung als Sehtang, was es leichter macht als etwas, das völlig neu für mich wäre. Ich bin Curt sehr dankbar, dass er mich angefordert hat.«

»Alle an der Uni sind froh, Sie zu haben.« Kathy lächelte herzlich. »Wissen Sie, wie ungewöhnlich es für einen Geschichtsprofessor ist, Erfahrung mit auch nur zwei Planeten im Lebenslauf vorweisen zu können? Sie dagegen haben auf fast allen ein ganzes Leben verbracht. Und dann auch noch der Ursprung! Es gibt keine einzige Universität auf diesem Planeten, die Sie uns nicht liebend gerne wegnehmen würde. Curt ist ständig darauf bedacht, Sie beschäftigt zu halten, damit Sie keine Zeit haben, über einen Wechsel nachzudenken.«

»Honorarprofessor«, verbesserte ich sie.

Kathy lächelte und holte dann tief Luft, während das Lächeln erstarb.

»Als Sie so lange nicht hergekommen sind, habe ich gedacht, dass sich Ihre Probleme von selbst gelöst hätten. Aber dann fragte ich mich, ob der Grund für Ihre Abwesenheit vielleicht eher war, dass sie schlimmer geworden sind.«

Ich starrte auf meine Hände und schwieg.

Meine Hände waren hellbraun - ein Braun, das nie verblasste, egal, ob ich mich in der Sonne aufhielt oder nicht. Auf der Haut gleich über dem linken Handgelenk war eine dunkle Sommersprosse zu sehen. Meine Nägel waren kurz geschnitten. Ich mochte keine langen Nägel. Es war ein unangenehmes Gefühl, wenn man damit über die Haut streifte. Außerdem waren meine Finger sowieso schon so lang und dünn - wenn dann noch lange Fingernägel dazukamen, sahen sie seltsam aus. Sogar für einen Menschen.

Nach einer Weile räusperte sie sich. »Ich schätze, meine Vermutung war richtig.«

»Kathy.« Ich sprach ihren Namen langsam aus, um Zeit zu ge- winnen. »Warum haben Sie Ihren Menschennamen behalten? Haben Sie dadurch eher das Gefühl, Sie würden eine ... Einheit bilden? Mit Ihrem Wirt, meine ich.« Ich hätte auch gerne mehr über Curts Entscheidung erfahren, aber das war eine so persönliche Frage - es wäre nicht richtig gewesen, irgendjemanden außer Curt selbst danach fragen, noch nicht einmal seine Frau. Ich fürchtete, auch so schon unhöflich gewesen zu sein, aber sie lachte.

»Gute Güte, nein, Wanderer. Habe ich Ihnen das nicht erzählt? Hmm. Wahrscheinlich nicht, schließlich ist es nicht mein Job zu reden, sondern zuzuhören. Die meisten Seelen, mit denen ich spreche, brauchen nicht so viel Ermutigung wie Sie. Wussten Sie, dass ich mit einem der ersten Siedlerschübe auf die Erde gekommen bin, bevor die Menschen überhaupt wussten, dass wir hier waren? Ich war von menschlichen Nachbarn umgeben. Curt und ich mussten mehrere Jahre lang vorgeben, unsere Wirte zu sein. Und so wurde Kathy einfach zu mir. Dazu kam, dass die Übersetzung meines letzten Namens vierzehn Wörter umfasste und sich nicht gut abkürzen ließ.« Sie grinste. Das Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel, schien ihr in die Augen und ließ ihren silbrig grünen Widerschein über die Wand tanzen. Einen Augenblick lang schillerten die smaragdgrünen Iris.