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Geh weg. Das ist jetzt mein Platz. Niemals.

»Wanderer, meine Liebe, nein. Wir wissen beide, dass Sie nicht schwach sind.«

»Hmpf.«

»Hören Sie. Sie sind stark. Ungewöhnlich stark. Wir sind uns normalerweise alle so ähnlich, aber Sie ragen aus der Masse hervor. Es ist erstaunlich, wie mutig Sie sind. Davon zeugen Ihre vergangenen Leben.« Meine vergangenen Leben vielleicht, aber dieses? Wo war jetzt meine Stärke?

»Die Menschen unterscheiden sich viel mehr voneinander«, fuhr Kathy fort. »Es gibt unter ihnen eine so große Bandbreite an Individuen und manche sind viel stärker als andere. Ich bin überzeugt, dass Melanie jeden anderen, den man in diesen Wirt implantiert hätte, innerhalb weniger Tage vernichtet hätte. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht ist es Schicksal, aber mir scheint, dass die stärkste Vertreterin unserer Art von der stärksten ihrer Art beherbergt wird.«

»Spricht nicht gerade für unsere Art, oder?«

Sie hörte den Hintersinn in meinen Worten. »Sie ist nicht dabei zu gewinnen, Wanderer. Sie sind diese wunderbare Person hier neben mir. Sie ist nur ein Schatten in einer Ecke Ihres Gehirns.«

»Sie spricht mit mir, Kathy. Sie denkt immer noch ihre eigenen Gedanken. Sie hat immer noch ihre Geheimnisse vor mir.«

»Aber sie spricht nicht für Sie, oder? Ich bezweifle, dass ich das an Ihrer Stelle behaupten könnte.«

Ich antwortete nicht. Ich fühlte mich zu elend.

»Ich denke, Sie sollten eine Re-Implantation in Betracht ziehen.« »Kathy, Sie haben gerade gesagt, sie würde eine andere Seele

vernichten. Ich weiß nicht, ob Sie das wirklich glauben – wahr- scheinlich versuchen Sie nur, Ihre Arbeit zu machen und mich zu trösten. Aber sie ist wirklich so stark, dass es unfair wäre, sie jemand anderem zu geben, nur weil ich nicht mit ihr fertigwerde. Wer sollte sie übernehmen?«

»Ich habe das nicht nur gesagt, um Sie zu trösten, meine Liebe.«

»Na, gerade dann ...«

»Ich glaube nicht, dass dieser Wirt wieder verwendet würde.« »Oh.«

Es lief mir kalt den Rücken hinunter. Und ich war nicht die Einzige, die von dieser Vorstellung aus dem Konzept gebracht wurde.

Der Gedanke schreckte mich sofort ab. Ich war kein Drückeberger. Während der langsamen Umdrehungen meines letzten Planeten um seine Sonnen - der Welt des Sehtangs, wie sie hier genannt wurde - hatte ich abgewartet. Obwohl der Dauerzustand des Verwurzeltseins viel schneller langweilig geworden war, als ich gedacht hatte, und obwohl das Leben des Sehtangs auf diesem Planeten in Jahrhunderten gemessen würde, hatte ich meinen Wirt nicht vor dem Ende seiner Lebensspanne verlassen. Das zu tun, wäre verschwenderisch, falsch, undankbar. Es widersprach unserem ureigensten Wesen als Seelen. Wir machten aus unseren Welten bessere Orte, sonst verdienten wir sie nicht.

Wir verschwendeten nichts. Alles, was wir uns nahmen, machten wir besser, friedlicher und schöner. Und die Menschen waren nun mal roh und unbändig. Sie hatten sich in so großer Zahl gegenseitig umgebracht, dass Mord ein selbstverständlicher Bestandteil ihres Lebens gewesen war. Die unzähligen Foltermethoden, die sie sich in den wenigen Jahrtausenden ihrer Existenz ausgedacht hatten, waren zu viel für mich gewesen; ich hatte nicht mal den trockenen, offiziellen Überblick ertragen können. Auf fast allen Kontinenten hatten Kriege gewütet. Sanktionierter Mord, angeordnet und entsetzlich effektiv. Die Bewohner friedlicher Staaten hatten weggeschaut, als Vertreter ihrer eigenen Spezies auf ihrer Türschwelle verhungert waren. Die üppigen Ressourcen des Planeten waren alles andere als gerecht verteilt gewesen. Am abstoßendsten war jedoch, dass sogar ihre Kinder - die nächste Generation, die meine Art wegen ihrer Verheißung geradezu verehrte -oft Opfer abscheulicher Verbrechen geworden waren. Und nicht etwa nur durch die Hand von Fremden, sondern auch durch die der Bezugspersonen, denen sie anvertraut waren. Sogar der mächtige Erdball selbst war durch ihr achtloses und habgieriges Verhalten in Gefahr geraten. Keiner, der das Vorher mit dem Nachher verglich, kam umhin zuzugeben, dass dieser Planet dank uns ein besserer Ort geworden war.

Ihr rottet eine komplette Spezies aus und klopft euch auch noch auf die Schulter.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten.

Ich könnte dich ausrangieren lassen, erinnerte ich sie.

Nur zu. Mach den Mord an mir amtlich. Ich bluffte, aber Melanie ebenfalls.

Sie dachte also, sie wolle sterben. Sie hatte sich schließlich in den Aufzugschacht gestürzt. Aber das war in einem Augenblick der Panik und Verzweiflung geschehen. Von einem bequemen Sessel aus betrachtet, sah die Sache plötzlich ganz anders aus. Ich spürte, wie Adrenalin - Adrenalin, das von ihrer Angst herrührte - durch meine Gliedmaßen schoss, als ich den Umzug in einen gefügigeren Körper in Erwägung zog.

Es wäre schön, wieder allein zu sein. Mein Gehirn wieder für mich zu haben. Diese Welt hatte auf ganz neuartige Weise so viel Schönes zu bieten und es wäre wunderbar, das alles genießen zu können, ohne von einem wütenden, verdrängten Überbleibsel abgelenkt zu werden, dem nichts Besseres einfiel, als hier unerwünscht herumzulungern.

Melanie wand sich in meinem Hinterkopf, als ich versuchte, vernünftig darüber nachzudenken. Vielleicht sollte ich wirklich aufgeben ...

Allein die Worte ließen mich jeden Muskel anspannen. Ich, Wanderer, aufgeben? Mich drücken? Mein Scheitern eingestehen und es mit einem schwachen Wirt ohne Rückgrat, der mir keinerlei Probleme bereiten würde, noch einmal versuchen?

Ich schüttelte den Kopf. Der Gedanke war mir unerträglich.

Außerdem ... dies hier war mein Körper. Ich hatte mich daran gewöhnt, wie er sich anfühlte. Es gefiel mir, wie sich die Muskeln über den Knochen spannten, die Gelenke sich beugten und die Sehnen sich strafften. Ich wusste, wie mein Spiegelbild aussah. Die sonnengebräunte Haut, meine hohen, ausgeprägten Wangen- knochen, die kurze seidige Kappe aus mahagonifarbenem Haar, das dunkle Braungrün meiner Augen - das war ich.

Ich wollte mich selbst behalten. Ich würde nicht zulassen, dass zerstört wurde, was jetzt mir gehörte.

Verfolgt

Draußen vor dem Fenster begann es endlich zu dämmern. Der Tag, ein heißer Tag für März, hatte sich in die Länge gezogen, als sträubte er sich zu enden und mich freizugeben.

Ich schniefte und knüllte das nasse Taschentuch wieder zusammen. »Kathy, Sie haben doch bestimmt noch was anderes vor. Curt fragt sich sicher schon, wo Sie bleiben.«

»Er wird Verständnis haben.«

»Ich kann doch nicht ewig hier sitzen. Und wir sind immer noch meilenweit von einer Antwort entfernt.«

»Blitz-Problemlösungen sind nicht meine Spezialität. Sie haben sich also gegen einen neuen Wirt entschieden ...«

»Ja.«

»Dann wird es vermutlich einige Zeit dauern, das hier in den Griff zu kriegen.«