Frustriert biss ich die Zähne zusammen.
»Und es wird schneller und einfacher gehen, wenn Sie Hilfe haben.«
»Ich verspreche, in Zukunft meine Termine regelmäßiger wahrzunehmen.«
»Das hoffe ich, aber ich meinte eigentlich etwas anderes.«
»Sie meinen Hilfe von ... jemand anderem als Ihnen?« Beim Gedanken daran, den heutigen Tag mit einem Fremden noch einmal zu durchleben, verkrampfte ich mich. »Ich bin sicher, Sie sind genauso gut wie jeder andere Helfer - wenn nicht noch besser.«
»Ich spreche nicht von einem anderen Helfer.« Sie verlagerte ihr Gewicht auf dem Sessel und streckte ihre steifgewordenen Glieder. »Wie viele Freunde haben Sie, Wanderer?«
»Sie meinen die Leute bei der Arbeit? Ich sehe ein paar der anderen Dozenten fast täglich. Mit einigen Studenten unterhalte ich mich auf dem Flur ...«
»Und außerhalb der Uni?«
Ich sah sie verständnislos an.
»Menschliche Wirte brauchen Sozialkontakte. Sie sind nicht an Einsamkeit gewöhnt, meine Liebe. Sie haben die Gedanken eines ganzen Planeten geteilt ...«
»Wir sind nicht oft ausgegangen.« Mein Versuch, einen Witz zu machen, misslang.
Sie lächelte schwach und fuhr fort: »Sie sind so in Ihr Problem verstrickt, dass Sie an nichts anderes denken können. Eine Lösungsmöglichkeit wäre vielleicht, dass Sie sich nicht so sehr darauf konzentrieren. Sie haben gesagt, dass sich Melanie während Ihrer Arbeitszeit langweilt ... dass sie sich dann still verhält. Wenn Sie sich mehr mit anderen Leuten abgeben, langweilt sie das vielleicht auch.«
Ich kräuselte nachdenklich die Lippen. Melanie, die von diesem langen Tag mit seinem Hilfsversuch ganz träge war, schien von dem Gedanken tatsächlich nicht gerade angetan zu sein.
Kathy nickte. »Kümmern Sie sich lieber um Ihr Leben als um sie.«
»Das klingt vernünftig.«
»Und dann sind da noch die körperlichen Triebe dieser Wirte. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen oder gehört. Eins der schwierigsten Dinge, die wir während der ersten Besatzungsphase in den Griff kriegen mussten, war der Paarungsinstinkt. Glauben Sie mir, die Menschen merkten es, wenn man das nicht schaffte.« Sie grinste und verdrehte die Augen, als sie daran zurückdachte. Als ich nicht so reagierte, wie sie es offenbar erwartet hatte, seufzte sie und verschränkte ungeduldig die Arme. »Ach, kommen Sie, Wanderer. Das müssen Sie doch bemerkt haben.«
»Na ja, klar«, murmelte ich. Melanie wand sich unruhig hin und her. »Natürlich. Ich habe Ihnen doch von den Träumen erzählt ...«
»Nein, ich meinte nicht nur die Erinnerungen. Ist Ihnen nie jemand begegnet, von dem sich Ihr Körper angezogen gefühlt hat - rein chemisch gesehen?«
Ich dachte gut über ihre Frage nach. »Ich glaube nicht. Zumindest nicht, dass ich wüsste.«
»Glauben Sie mir«, sagte Kathy trocken, »das wüssten Sie.« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht sollten Sie sich ein bisschen umschauen und mal bewusst darauf achten. Es würde Ihnen bestimmt sehr guttun.«
Mein Körper schreckte vor dem Gedanken zurück. Ich registrierte Melanies Abscheu, der sich in meinem eigenen widerspiegelte.
Kathy deutete meinen Gesichtsausdruck. »Lassen Sie sie nicht darüber bestimmen, wie Sie mit Ihresgleichen in Kontakt treten. Lassen Sie sie nicht über sich bestimmen.«
Meine Nasenflügel bebten. Ich antwortete nicht direkt, sondern versuchte, meine Wut zu zügeln, an die ich mich immer noch nicht so richtig gewöhnt hatte.
»Sie bestimmt nicht über mich.« Kathy hob eine Augenbraue.
Die Wut schnürte mir die Kehle zu. »Der Radius, in dem Sie nach Ihrem aktuellen Partner gesucht haben, war nicht allzu groß. Hat darüber jemand bestimmt?«
Sie ignorierte meine Wut und dachte ernsthaft über die Frage nach.
»Vielleicht«, sagte sie schließlich. »Schwer zu sagen. Aber der Punkt geht an Sie.« Sie zupfte an einem Faden am Saum ihres T-Shirts, dann faltete sie energisch die Hände und straffte die Schultern, als hätte sie gemerkt, dass sie meinem Blick auswich. »Wer weiß, wie viel von dem jeweils aktuellen Wirt auf dem jeweils aktuellen Planeten stammt. Wie schon gesagt, glaube ich, dass die Zeit Ihnen helfen wird. Dass sie entweder mit der Zeit immer stiller und abwesender wird und Ihnen so die Möglichkeit gibt, sich neben diesem Jared für jemand anderen zu entscheiden ... oder, na ja, die Sucher machen ihre Sache ziemlich gut. Sie suchen schon nach ihm und vielleicht fällt Ihnen noch was ein, das ihnen helfen kann.«
Ich rührte mich nicht, als die Bedeutung dessen, was sie sagte, in mein Bewusstsein sickerte. Sie schien nicht zu bemerken, dass ich völlig erstarrt war.
»Vielleicht wird Melanies Geliebter gefunden und Sie könnten zusammenkommen. Wenn seine Gefühle auch nur annähernd so stark sind wie ihre, wird die neue Seele wahrscheinlich offen dafür sein.«
»Nein!« Ich war mir nicht sicher, wer schrie. Es hätte durchaus ich sein können. Ich war ebenfalls entsetzt.
Schwankend kam ich auf die Beine. Meine Augen blieben ausnahmsweise tränenlos, während meine geballten Fäuste zitterten.
»Wanderer?«
Aber ich drehte mich um und rannte zur Tür, während ich die Worte unterdrückte, die nicht aus meinem Mund kommen durften. Worte, die nicht meine sein konnten. Worte, die nur Sinn ergaben, wenn sie von ihr stammten, die sich aber so anfühlten, als wären es meine. Sie konnten nicht meine sein. Sie durften nicht ausgesprochen werden.
Das bringt ihn um! Dann gibt es ihn nicht mehr! Ich will keinen anderen. Nie. Niemals! Ich will Jared und nicht irgendeinen Fremden in seinem Körper. Ohne ihn ist der Körper nichts.
Ich hörte, wie Kathy hinter mir herrief, als ich auf die Straße rannte.
Ich wohnte nicht weit entfernt von der Praxis der Helferin, aber die Dunkelheit auf der Straße verwirrte mich. Ich war schon zwei Häuserblocks entfernt, als ich merkte, dass ich in die falsche Richtung rannte.
Leute wurden auf mich aufmerksam. Ich trug keine Sportkleidung und ich joggte auch nicht, sondern floh. Aber niemand belästigte mich; alle wandten höflich den Blick ab. Sie nahmen vermutlich an, dass ich neu in diesem Wirt war. Mich aufführte wie ein Kind.
Ich verlangsamte meine Schritte und bog Richtung Norden ab, um auf dem Rückweg nicht wieder an Kathys Praxis vorbeizumüssen.
Ich ging zügig und hörte, wie meine Schritte zu schnell auf dem Bürgersteig auftrafen, als versuchten sie, das Tempo mitreißender Tanzmusik zu halten. Klack, klack, klack, machte es auf dem Asphalt. Nein, das war nicht der Rhythmus eines Schlagzeugs, dafür klang es zu zornig. Zu gewalttätig. Klack, klack, klack. Wie jemand, der einen anderen schlug. Das schreckliche Bild ließ mich schaudern.
Ich konnte schon die Lampe über meiner Wohnungstür brennen sehen. Ich hatte nicht lange für den Weg gebraucht. Allerdings überquerte ich nicht die Straße.
Mir war schlecht. Ich erinnerte mich, wie es war, sich zu übergeben, obwohl ich es noch nie getan hatte. Kalter Schweiß perlte auf meiner Stirn, ein dumpfes Geräusch dröhnte mir in den Ohren. Ich war ziemlich sicher, dass ich kurz davor war, selbst diese Erfahrung zu machen.
Neben dem Bürgersteig war ein Grünstreifen, auf dem eine gut gestutzte Hecke eine Straßenlaterne umschloss. Ich hatte keine Zeit, mir einen besseren Platz zu suchen. Ich stolperte in den Lichtkegel und stützte mich am Laternenpfahl ab. Mir war schwindlig vor Übelkeit.