Ich schlief allein, in dem Bett, das am weitesten von der Tür entfernt stand, und fühlte mich unwohl deswegen. Die beiden großen Männer passten nicht ohne Weiteres in das andere Bett. Ian neigte dazu, sich im Schlaf auszubreiten, und Jared hatte keine Hemmungen, ihn dann in die Seite zu boxen. Beide würden bequemer schlafen, wenn ich das Bett mit einem von ihnen teilte - ich rollte mich jetzt zum Schlafen immer ganz eng zusammen; vielleicht lag es an der offenen, ungeschützten Umgebung, in der ich mich den ganzen Tag über aufhalten musste, dass ich mich nachts in mich selbst zurückzog, oder vielleicht war ich auch einfach nur so daran gewöhnt, mich zum Schlafen in der winzigen Lücke auf dem Boden hinter dem Beifahrersitz zusammenzurollen, dass ich vergessen hatte, wie man ausgestreckt schlief.
Aber ich wusste, warum niemand mich darum bat, das Bett mit einem von beiden zu teilen. In der ersten Nacht, in der die Männer sich wenig erfreut darüber klargeworden waren, dass ich eine Hoteldusche brauchte, hatte ich über das Surren der Badezimmerlüftung hinweg gehört, wie sich Ian und Jared über mich unterhalten hatten.
»... nicht fair, sie wählen zu lassen«, sagte Ian. Er sprach leise, aber die Lüftung reichte nicht aus, um ihn zu übertönen. Das Hotelzimmer war sehr klein.
»Warum nicht? Ist es fairer, zu bestimmen, wo sie schlafen soll? Glaubst du nicht, es wäre höflicher ...«
»Bei jemand anderem ja. Aber Wanda wird sich deswegen quälen. Sie wird so sehr versuchen, es uns beiden recht zu machen, dass sie selbst dabei unglücklich wird.«
»Schon wieder eifersüchtig?«
»Diesmal nicht. Ich weiß einfach, wie sie tickt.«
Es herrschte Schweigen. Ian hatte Recht. Er wusste wirklich, wie ich tickte. Er konnte sich wahrscheinlich denken, dass ich - sofern es auch nur die Spur einer Andeutung gab, dass Jared das wollte - entscheiden würde, neben Jared zu schlafen. Und dass ich dann wach liegen und mir Sorgen machen würde, dass meine Anwesenheit Jared unglücklich machte und ich außerdem Ians Gefühle verletzt hatte.
»Na gut«, sagte Jared barsch. »Aber wenn du heute Nacht versuchst, dich an mich ranzumachen ... dann kann ich für nichts garantieren, O'Shea.«
Ian lachte. »Ohne übermäßig arrogant klingen zu wollen, aber um ehrlich zu sein, Jared, sollte ich schwul sein, könnte ich wohl etwas Besseres kriegen.«
Obwohl ich Schuldgefühle hatte, weil ich so viel Platz verschwendete, war es wahrscheinlich wirklich besser, dass ich allein schlief.
Wir mussten nicht noch einmal ins Hotel. Die Tage verstrichen immer schneller, als wollten sogar die Sekunden schnell nach Hause. Ich spürte, wie es meinen Körper auf seltsame Weise Richtung Westen zog. Wir sehnten uns alle danach, in unseren dunklen, überfüllten Hafen zurückzukehren.
Sogar Jared wurde unvorsichtig.
Es war spät, hinter den Bergen im Westen war nicht das kleinste bisschen Sonnenlicht mehr zu sehen. Hinter uns wechselten sich Ian und Kyle mit dem Fahren des großen Umzugswagens ab, der mit unserer Beute beladen war, so wie Jared und ich uns mit dem Lieferwagen abwechselten. Sie waren mit dem schweren Fahrzeug langsamer als Jared mit dem Lieferwagen. Die Scheinwerfer waren immer weiter
zurückgeblieben, bis sie hinter einer langgestreckten Kurve ganz verschwunden waren.
Wir waren fast zu Hause; Tucson lag bereits hinter uns. In ein paar wenigen Stunden würde ich Jamie wiedersehen. Wir würden die sehnlichst erwarteten Vorräte abladen, umringt von lächelnden Gesichtern. Eine richtige Heimkehr.
Meine erste, stellte ich fest.
Ausnahmsweise würde die Rückkehr nichts als Freude bereiten. Diesmal hatten wir keine todgeweihten Geiseln dabei.
Ich dachte an nichts anderes als meine Vorfreude. Die Straße schien nicht allzu schnell vorbeizufliegen; was mich betraf, konnte sie das gar nicht schnell genug tun.
Die Scheinwerfer des Lastwagens hinter uns tauchten wieder auf. »Anscheinend fährt Kyle jetzt wieder«, murmelte ich. »Sie holen auf.«
Und dann gingen in der dunklen Nacht hinter uns plötzlich die roten und blauen Lichter an. Sie wurden von allen Spiegeln reflektiert. Bunte Flecken tanzten über das Dach, die Sitze, unsere erstarrten Gesichter und das Armaturenbrett, wo der Zeiger des Tachos anzeigte, dass wir über dreißig Stundenkilometer schneller fuhren als erlaubt.
Das Aufheulen einer Sirene durchbrach die Stille der Wüste.
Angehalten
Die roten und blauen Lichter drehten sich im Takt zum Geheul der Sirene.
Bevor die Seelen hierhergekommen waren, hatten diese Lichter und Geräusche immer dasselbe angekündigt: das Gesetz, die Hüter der Ordnung, die Verfolger von Verbrechern.
Jetzt kündigten die blinkenden Farben und das wütende Geräusch auch nur eines an. Etwas ganz Ähnliches. Immer noch die Hüter der Ordnung. Immer noch die Verfolger. Sucher.
Der Anblick und das Geräusch waren nicht ganz so verbreitet wie früher. Polizeikräfte waren nur nötig, um bei Unfällen oder in anderen Notsituationen zu helfen, nicht, um das Gesetz durchzusetzen. Die meisten hatten keine Fahrzeuge mit Sirene, außer sie fuhren einen Krankenwagen oder gehörten zur Feuerwehr.
Der lange, glänzende Wagen hinter uns war nicht für die Unfallhilfe gedacht. Es war ein Fahrzeug, das zur Verfolgung diente. Ich hatte so etwas bisher noch nie gesehen, aber ich wusste genau, was das zu bedeuten hatte.
Jared war erstarrt, sein Fuß immer noch auf dem Gaspedal. Ich sah, dass er versuchte, eine Lösung zu finden, eine Möglichkeit, sie in diesem altersschwachen Lieferwagen abzuhängen, ihnen zu entkommen - unsere breite, weiße Silhouette hinter dem kümmerlichen Buschwerk der Wüste zu verstecken -, ohne sie zu den anderen zu führen. Ohne alle zu verraten. Wir waren schon so nah bei ihnen. Sie schliefen, ahnungslos ...
Als er nach zwei Sekunden fieberhaften Nachdenkens aufgab, atmete er schwer aus.
»Es tut mir so leid, Wanda«, flüsterte er. »Ich hab's verbockt.«
»Jared?«
Er griff nach meiner Hand und nahm den Fuß vom Gas. Der Wagen wurde langsamer.
»Hast du deine Kapsel?« Er konnte kaum sprechen.
»Ja«, flüsterte ich.
»Kann Mel mich jetzt hören?«
Ja. Der Gedanke war ein Schluchzen.
»Ja.« Meine Stimme war auch kurz davor, ein Schluchzen zu werden.
»Ich liebe dich, Mel. Tut mir leid.«
»Sie liebt dich. Mehr als alles auf der Welt.« Ein kurzes, schmerzvolles Schweigen.
»Wanda, du ... du bedeutest mir auch viel. Du bist so gut, Wanda. Du verdienst etwas Besseres als das, was ich dir gegeben habe. Etwas Besseres als das hier.«
Er hielt etwas Kleines - etwas viel zu Kleines, um so tödlich zu sein - zwischen seinen Fingern. »Warte«, stieß ich hervor. Er durfte nicht sterben.
»Wanda, wir dürfen es nicht darauf ankommen lassen. Wir können sie nicht abhängen, nicht in diesem Fall. Wenn wir versuchen, abzuhauen, werden Tausende von ihnen hinter uns ausschwärmen. Denk an Jamie.«
Der Lieferwagen wurde immer langsamer und fuhr rechts ran.
»Gib mir einen Versuch«, bat ich. Ich kramte schnell nach der Kapsel in meiner Tasche. Dann nahm ich sie zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie hoch. »Lass mich versuchen, hier mit Hilfe einer Luge herauszukommen. Ich schlucke sie sofort, wenn etwas schiefgeht.«
»Einen Sucher kannst du nicht belügen!«
»Lass es mich versuchen. Schnell!« Ich schnallte mich ab, kauerte mich neben ihn und öffnete auch seinen Gurt. »Tausch den Platz mit mir. Schnell, bevor sie so nah dran sind, dass sie uns sehen können.«
»Wanda ...«
»Ein Versuch. Schnell!«
Er war der Beste, wenn es darum ging, in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zu treffen. Mit einer flüssigen und schnellen Bewegung war er vom Fahrersitz und über meinen zusammengekauerten Körper gerutscht. Ich richtete mich auf seinem Sitz auf, während er meinen einnahm.