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Ja, ich würde garantiert gleich erfahren, wie es war, sich zu übergeben.

»Wanderer, sind Sie das? Wanderer, sind Sie krank?«

Ich war nicht in der Lage, mich auf die Stimme zu konzentrieren, die mir irgendwie bekannt vorkam. Aber die Tatsache, dass ich Publikum hatte, während ich mich über die Hecke beugte und krampfartig meine letzte Mahlzeit hervorwürgte, machte alles nur noch schlimmer.

»Wer ist Ihr Heiler hier?«, fragte die Stimme, die durch das Summen in meinen Ohren weit entfernt klang. Eine Hand berührte meinen gebeugten Rücken. »Brauchen Sie einen Krankenwagen?«

Ich hustete zweimal hintereinander und schüttelte den Kopf.

Ich war sicher, dass es vorbei war; mein Magen war leer.

»Ich bin nicht krank«, sagte ich, während ich mich am Laternenpfahl hochzog. Ich sah auf, um herauszufinden, wer diesen peinlichen Moment beobachtet hatte.

Die Sucherin aus Chicago hielt ihr Handy in der Hand und überlegte, wen sie anrufen sollte. Ich sah sie einmal kurz an und beugte mich sofort wieder über das Blattwerk. Leerer Magen hin oder her, sie war die Letzte, die ich gerade sehen wollte.

Aber während sich mein Magen vergeblich zusammenzog, wurde mir klar, dass es einen Grund für ihre Anwesenheit geben musste.

0 nein! 0 nein, nein, nein, nein, nein, nein!

»Warum?«, brachte ich mühsam hervor. Panik und Übelkeit nahmen meiner Stimme alle Kraft. »Warum sind Sie hier? Was ist passiert?« Die beunruhigenden Worte der Helferin dröhnten in meinem Kopf.

Ich starrte die Hände, die die Sucherin am Kragen ihres schwarzen Anzugs gepackt hatten, zwei Sekunden lang an, bevor ich begriff, dass es meine waren.

»Aufhören!«, sagte sie mit wütendem Gesicht. Ihre Stimme vibrierte.

Ich schüttelte sie immer noch.

Mein Griff löste sich und ich schlug mir die Hände vors Gesicht. »Entschuldigung!«, stieß ich hervor. »Tut mir leid. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«

Die Sucherin warf mir einen bösen Blick zu und strich ihren Blazer glatt. »Es geht Ihnen nicht gut und vermutlich habe ich Sie erschreckt.«

»Ich hatte Sie nicht erwartet«, flüsterte ich. »Warum sind Sie hier?«

»Wir bringen Sie am besten erst mal in eine Heileinrichtung, bevor wir uns unterhalten. Wenn Sie eine Infektion haben, sollte man sie zügig heilen. Es gibt keinen Grund, Ihren Körper davon schwächen zu lassen.«

»Ich habe keine Infektion. Ich bin nicht krank.«

»Haben Sie was Verdorbenes gegessen? Dann müssen Sie melden, wo Sie es herhatten.«

Ihre Fragerei machte mich wahnsinnig. »Ich habe auch nichts Verdorbenes gegessen. Ich bin gesund.«

»Warum lassen Sie nicht einen Heiler nachsehen? Einmal kurz durchleuchten - Sie sollten Ihren Wirt nicht

vernachlässigen. Das ist unverantwortlich. Vor allem, wo wir so einfach und effektiv seine Gesundheit wiederherstellen können.«

Ich atmete tief durch und widerstand dem Drang, sie erneut zu schütteln. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als ich. Den Kampf würde ich gewinnen.

Den Kampf? Ich wandte ihr den Rücken zu und ging schnell auf meine Wohnung zu. Ich war in einer gefährlich emotionalen Stimmung. Ich musste mich irgendwie beruhigen, bevor ich noch etwas tat, für das es keine Entschuldigung gab.

»Wanderer? Warten Sie! Der Heiler ...«

»Ich brauche keinen Heiler«, sagte ich, ohne mich umzudrehen. »Ich war nur ... emotional ein bisschen aus dem Gleichgewicht. Jetzt bin ich wieder okay.«

Die Sucherin antwortete nicht. Ich fragte mich, wie sie meine Worte auffassen würde. Ich hörte, wie ihre Schuhe - mit hohen Absätzen - hinter mir herklapperten, also ließ ich die Tür offen stehen, da ich wusste, dass sie mir folgen würde. Ich ging zur Spüle und füllte ein Glas mit Wasser. Sie wartete schweigend, während ich mir den Mund ausspülte und das Wasser wieder ausspuckte. Als ich fertig war, lehnte ich mich an die Arbeitsplatte und starrte ins Becken.

Ihr wurde bald langweilig.

»Nun, Wanderer ... hören Sie überhaupt noch auf diesen Namen? Ich will nicht unhöflich sein, indem ich Sie so nenne.«

Ich sah sie nicht an. »Ich höre immer noch auf Wanderer.« »Interessant. Ich hätte gewettet, dass Sie zu denen gehören,

die sich selbst einen Namen aussuchen.«

»Ich habe einen ausgesucht. Ich habe Wanderer ausgesucht.« Es war mir schon lange klar, dass die Sucherin die Schuld an

dem kleinen Wortwechsel trug, den ich am ersten Tag, als ich in der Heileinrichtung aufgewacht war, mit angehört hatte. Die Sucherin war die streitsüchtigste Seele, der ich in neun Leben begegnet war. Mein erster Heiler, Fords Deep Waters, war sogar für eine Seele ausgesprochen ruhig, freundlich und verständnisvoll gewesen. Trotzdem hatte er nicht umhingekonnt, aggressiv zu reagieren. Dadurch fühlte ich mich weniger schuldig wegen meiner eigenen aggressiven Reaktion.

Ich drehte mich zu ihr um. Sie hatte es sich auf meinem kleinen Sofa bequem gemacht, als hätte sie vor, länger zu bleiben. Sie machte ein selbstzufriedenes Gesicht, ihre hervorstehenden Augen schienen belustigt. Ich unterdrückte das Verlangen, die Stirn zu runzeln.

»Warum sind Sie hier?«, fragte ich erneut. Meine Stimme klang ruhig. Beherrscht. Ich würde vor dieser Frau nicht noch einmal die Kontrolle verlieren.

»Es ist eine Weile her, seit ich das letzte Mal von Ihnen gehört habe, deshalb dachte ich, ich schaue mal persönlich vorbei. Wir sind in Ihrem Fall noch nicht wirklich weitergekommen.«

Meine Hände umklammerten den Rand der Arbeitsplatte hinter mir, aber ich hielt die unsägliche Erleichterung aus meiner Stimme fern.

»Das kommt mir etwas ... übereifrig vor. Außerdem habe ich Ihnen gestern Nacht eine Nachricht geschickt.«

Sie zog wie immer die Augenbrauen zusammen, auf eine Art, die sie gleichzeitig ärgerlich und vorwurfsvoll aussehen ließ, als wäre nicht sie selbst, sondern der andere verantwortlich für ihren Ärger. Sie packte ihren Computer aus und berührte mehrmals den Bildschirm.

»Oh«, sagte sie steif. »Ich habe meine Mails heute noch nicht abgerufen.«

Sie schwieg, während sie überflog, was ich geschrieben hatte.

»Es war noch sehr früh am Morgen«, sagte ich. »Ich habe noch halb geschlafen. Ich weiß nicht genau, wie viel von dem, was ich geschrieben habe, Erinnerung war oder Traum oder was ich vielleicht sogar im Schlaf getippt habe.«

Ich ließ zu, dass die Worte - Melanies Worte - aus meinem Mund sprudelten. Ich fügte sogar mein eigenes unbeschwertes Lachen am Ende hinzu. Mein Verhalten war unehrlich, beschämend. Aber ich würde die Sucherin nicht spüren lassen, dass ich schwächer war als mein Wirt.

Ausnahmsweise reagierte Melanie nicht mit Triumph, obwohl sie mich ausgestochen hatte. Sie war zu erleichtert, zu dankbar, dass ich sie nicht verriet, wenn auch aus meinen eigenen niederen Beweggründen.

»Interessant«, murmelte die Sucherin. »Noch einer, der frei herumläuft.« Sie schüttelte den Kopf. »Wir sind immer noch meilenweit vom Frieden entfernt.« Der Gedanke schien sie nicht weiter aufzuregen -im Gegenteil, er schien ihr zu gefallen.

Ich biss mir auf die Lippe. Melanie wollte unbedingt noch weitergehen und behaupten, der Junge sei nur Teil eines Traums gewesen.

Du spinnst, erklärte ich ihr. Das wäre viel zu offensichtlich.

Es sagte einiges über die unsympathische Art der Sucherin aus, dass es ihr gelang, Melanie und mich zu Verbündeten zu machen.

Ich hasse sie.

Ich weiß, ich weiß. Ich wünschte, ich hätte leugnen können, dass es mir genauso ging. Hass war ein absolut unverzeihliches Gefühl. Aber es war ... sehr schwierig, die Sucherin zu mögen. Unmöglich.