Die Lichter wurden langsamer, als sie sich näherten.
Fahr einfach vorbei, bettelte ich in Gedanken. Halt nicht an, halt nicht an, halt nicht an.
Lass Kyle am Steuer sitzen, fügte Melanie hinzu wie ein Gebet. Halt nicht an. Fahr einfach weiter. Halt nicht an. Fahr einfach weiter.
»Miss?«
Ich blinzelte und versuchte mich zu konzentrieren. »Äh, Hellwach?«
»Atmen Sie das einfach ein, Leaves Above.« Er hielt eine schmale weiße Sprühdose in der Hand und versprühte eine Nebelwolke vor meinem Gesicht. Gehorsam beugte ich mich vor und atmete tief ein, während mein Blick gleichzeitig zum Rückspiegel schnellte.
»Es riecht nach Grapefruit«, sagte der Sucher. »Angenehm, oder?«
»Sehr angenehm.« Mein Verstand war plötzlich scharf und konzentriert.
Der große Umzugswagen wurde langsamer und blieb mit laufendem Motor auf der Straße stehen.
Nein!, riefen Mel und ich gleichzeitig. Für den Bruchteil einer Sekunde wanderte mein Blick auf den dunklen Fahrzeugboden und ich hoffte entgegen aller Wahrscheinlichkeit, dass ich die kleine Kapsel entdeckte. Ich konnte noch nicht einmal meine Füße erkennen.
Der Sucher warf einen geistesabwesenden Blick auf den Lastwagen und winkte ihn dann vorbei.
Mit einem gezwungenen Lächeln im Gesicht drehte ich mich ebenfalls zu dem Lastwagen um. Ich konnte nicht erkennen, wer fuhr. Meine Augen reflektierten das Scheinwerferlicht und glühten schwach auf.
Der Lastwagen zögerte.
Der Sucher winkte wieder, heftiger diesmal. »Fahr schon vorbei«, murmelte er vor sich hin.
Fahr! Fahr! Fahr!
Jareds Hand neben mir war zu einer Faust geballt.
Schließlich schaltete der Lastwagen in den ersten Gang und fuhr dann langsam zwischen dem Wagen der Sucher und unserem hindurch. Der Scheinwerfer der Sucher ließ zwei Silhouetten sichtbar werden, zwei schwarze Profile, die beide starr geradeaus sahen. Das auf dem Fahrersitz hatte eine krumme Nase.
Mel und ich atmeten beide erleichtert auf. »Wie fühlen Sie sich?«
»Wach«, erklärte ich dem Sucher.
»In etwa vier Stunden lässt die Wirkung nach.«
»Danke.«
Der Sucher lachte. »Ich danke Ihnen, Leaves Above. Als wir sie die Straße entlangrasen sahen, dachten wir schon, wir hätten Menschen vor uns. Ich habe ganz schön geschwitzt, aber nicht wegen der Hitze!«
Ich schauderte.
»Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung. Wenn Sie möchten, können wir Ihnen bis nach Phoenix hinterherfahren ...«
»Das ist nicht nötig. Nur keine Umstände meinetwegen.«
»Schön, Sie zu treffen. Ich freue mich schon drauf, dass meine Schicht zu Ende geht und ich nach Hause fahren kann und meiner Lebensgefährtin erzählen, dass ich eine andere Blume mit den Blättern oben getroffen habe. Sie wird ganz happy sein deswegen.«
»Ähm ... richten Sie ihr >hellste Sonne, längster Tag< von mir aus.« Das war die irdische Übersetzung der üblichen Gruß- und Abschiedsformel auf dem Blumenplaneten.
»Mach ich. Gute Fahrt.«
»Und Ihnen eine gute Nacht.«
Er trat zurück und der Scheinwerfer traf mich erneut ins Auge. Ich blinzelte hektisch.
»Schalt aus, Hank«, rief der Sucher und bedeckte seine Augen, als er sich umdrehte, um zum Wagen zurückzugehen. Die Nacht wurde wieder schwarz und ich zwang mich zu einem weiteren Lächeln für den unsichtbaren Sucher namens Hank.
Mit zitternden Händen ließ ich den Motor an.
Die Sucher waren schneller. Der kleine schwarze Wagen mit dem unproportionalen Lichtbalken auf dem Dach sprang an. Er vollführte einen scharfen U-Turn und dann konnten wir nur noch die Rücklichter sehen. Sie verschwanden schnell in der Nacht.
Ich lenkte den Lieferwagen zurück auf die Straße. Mein Herz pumpte mit festen, kleinen Stoßen das Blut durch meine Adern. Ich konnte meinen Puls bis in die Fingerspitzen spüren.
»Sie sind weg«, flüsterte ich durch meine plötzlich klappernden Zähne.
Ich hörte, wie Jared schluckte.
»Das war ... knapp«, sagte er.
»Ich dachte, Kyle würde anhalten.« »Ich auch.«
Keiner von uns bekam mehr als ein Flüstern heraus.
»Der Sucher hat dir alles abgekauft.« Er hatte vor Nervosität immer noch die Zähne zusammengebissen.
»Ja.«
»Das hätte ich nicht. Deine Schauspielkunst ist nicht viel besser geworden.«
Ich zuckte mit den Schultern. Mein Körper war so steif, dass sich alles andere mitbewegte. »Es ist einfach unmöglich, dass sie mir nicht glauben. Was ich bin, ist ... na ja, es ist etwas Undenkbares. Etwas, das es nicht geben sollte.«
»Etwas Unglaubliches«, pflichtete er mir bei. »Etwas Wunderbares.«
Sein Lob ließ etwas von dem Eis in meinem Magen, in meinen Adern, schmelzen.
»Die Sucher sind gar nicht so anders als die anderen«, murmelte ich vor mich hin. »Nichts, wovor man besondere Angst haben müsste.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Es gibt nichts, was du nicht kannst, oder?«
Ich wusste nicht genau, was ich darauf erwidern sollte.
»Dich bei uns zu haben, wird alles verändern«, fuhr er leise fort; er sprach jetzt mit sich selbst.
Ich spürte, dass seine Worte Melanie traurig machten, aber diesmal war sie nicht böse. Sie war resigniert.
Du kannst ihnen helfen. Du kannst sie besser schützen, als ich es konnte. Sie seufzte.
Die langsamen Rücklichter, die auf der Straße vor uns auftauchten, erschreckten mich nicht. Sie waren vertraut, eine Erleichterung. Ich gab Gas - nur ein bisschen, immer noch mehrere Stundenkilometer unterhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung -, um sie zu überholen.
Jared nahm eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach. Ich wusste, was er vorhatte: Beruhigung.
Er leuchtete sich mit der Lampe in die Augen, als wir am Führerhaus des Lastwagens vorbeifuhren. Ich sah an ihm vorbei durch das Seitenfenster. Kyle nickte Jared zu und atmete tief durch. Ian beugte sich nervös vor, seine Augen auf mich gerichtet. Ich winkte einmal und er verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.
Wir näherten uns unserer versteckten Ausfahrt.
»Soll ich bis nach Phoenix weiterfahren?«
Jared dachte darüber nach. »Nein. Wir könnten ihnen auf dem Rückweg wieder begegnen und sie würden uns vielleicht noch mal anhalten. Ich glaube nicht, dass sie uns folgen. Sie konzentrieren sich auf die Straße.«
»Nein, sie werden uns nicht folgen.« Dessen war ich mir sicher.
»Dann lass uns nach Hause fahren.«
»Nach Hause«, stimmte ich aus vollem Herzen zu.
Ich schaltete das Licht aus und Kyle hinter uns ebenfalls.
Wir würden mit beiden Fahrzeugen bis an die Höhlen heranfahren und sie schnell entladen, so dass wir sie rechtzeitig vor Tagesanbruch wieder verstecken konnten. Der kleine Vorsprung am Eingang würde sie nicht vor Blicken schützen.
Ich verdrehte die Augen, als ich an den Ein- und Ausgang der Höhlen dachte. Das »große Geheimnis«, das ich allein nicht hatte lüften können. Jeb war so ein schlauer Fuchs.