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Wir bogen in die beleuchtete Sackgasse ein. Brandt und Aaron, die so weit wie möglich vom Ende des Tunnels, wo die Sucherin hin- und herging, entfernt saßen, jeweils mit einer Waffe in der Hand, seufzten erleichtert, als sie uns sahen.

»Endlich«, murmelte Brandt. Sein Gesicht war von tiefen Kummerfalten durchzogen.

Die Sucherin hielt inne.

Ich war überrascht, als ich sah, unter welchen Bedingungen sie hier festgehalten wurde.

Sie saß nicht in dem winzigen, engen Loch, sondern konnte sich relativ frei bewegen und die paar Schritte, die die Höhle hergab, hin- und herstapfen. Auf dem Boden, ganz am Ende des Tunnels lagen eine Matte und ein Kissen. Ein Plastiktablett stand etwa in der Mitte der Höhle schräg an die Wand gelehnt; ein paar Yambohnenwurzeln und eine Suppenschale lagen daneben. Rundherum war Suppe verspritzt. Das erklärte das Klappern, das ich gerade gehört hatte - sie hatte mit ihrem Essen geworfen. Es sah allerdings so aus, als hätte sie vorher das meiste davon gegessen.

Ich starrte auf dieses relativ humane Bild und spürte ein seltsames Ziehen in der Magengrube.

Wen hatten wir denn umgebracht?, murmelte Melanie schmollend. Auch sie schmerzte dieser Anblick.

»Willst du eine Minute mit ihr allein sein?«, fragte mich Brandt und erneut verspürte ich ein schmerzhaftes Ziehen. Hatte Brandt mich jemals mit einem weiblichen Pronomen bedacht?

Ich war nicht überrascht, dass Jeb so von der Sucherin sprach, aber alle anderen?

»Ja«, flüsterte ich.

»Vorsicht«, warnte Aaron. »Sie ist ganz schön wütend.«

Ich nickte.

Es fiel mir schwer, die Augen zu heben, dem Blick zu begegnen, den ich wie kalte Finger auf meinem Gesicht spüren konnte.

»Na so was, hallo, Melanie«, sagte sie höhnisch. »Warum hat es denn so lange gedauert, dass du zu Besuch kommst?«

Ich antwortete nicht. Ich ging langsam auf sie zu und gab mir große Mühe, zu glauben, dass der Hass, der durch meinen Körper strömte, nicht zu mir gehörte.

»Glauben deine kleinen Freunde, ich würde mit dir reden? All meine Geheimnisse ausplaudern, nur weil du eine geknebelte und hirnlose Seele in deinem Kopf herumträgst, die sich in deinen Augen spiegelt?« Sie lachte rau.

Ich blieb zwei große Schritte von ihr entfernt stehen, mein Körper zur Flucht bereit. Sie griff mich nicht an, aber es gelang mir trotzdem nicht, meine Muskeln zu entspannen. Es war nicht wie bei dem Sucher auf dem Highway - ich hatte nicht das übliche Gefühl von Sicherheit, das ich gegenüber den anderen, freundlichen Vertretern meiner Art verspürte. Erneut durchfuhr mich die seltsame Überzeugung, dass sie noch lange nach mir am Leben sein würde.

Sei nicht albern. Stell ihr deine Fragen. Sind dir welche eingefallen?

»Also, was willst du? Hast du um Erlaubnis gebeten, mich persönlich umzubringen, Melanie?«, zischte die Sucherin.

»Man nennt mich hier Wanda«, sagte ich.

Sie zuckte leicht zusammen, als ich den Mund aufmachte, um zu sprechen, als erwartete sie, ich würde brüllen. Meine leise, gleichmäßige Stimme schien sie stärker aus der Fassung zu bringen, als das Geschrei, das sie erwartet hatte.

Ich musterte ihr Gesicht, aus dem mich ihre hervortretenden Augen anstarrten. Es war dreckig, mit rötlichem Staub und getrocknetem Schweiß überzogen. Abgesehen davon war es unversehrt. Ich spürte erneut einen seltsamen Stich.

»Wanda«, wiederholte sie leise. »Nun, worauf wartest du? Haben sie dir das Okay noch nicht gegeben? Wirst du es mit bloßen Händen tun oder meine Waffe benutzen?«

»Ich bin nicht gekommen, um Sie umzubringen.«

Sie lächelte säuerlich. »Wozu dann, um mich zu verhören? Wo sind deine Folterinstrumente, Mensch?«

Ich erschauderte. »Ich werde Ihnen nicht wehtun.«

Eine Spur von Unsicherheit tauchte auf ihrem Gesicht auf und Verschwand dann hinter ihrem höhnischen Grinsen. »Wozu halten sie dich dann hier fest? Glauben sie, sie können mich zähmen so wie die Seele, die du dir als Haustier hältst?«

»Nein. Sie ... sie wollten Sie nur nicht töten, ohne mich zu fragen. Falls ich vorher mit Ihnen sprechen will.«

Sie senkte die Lider und ihre Augen verengten sich. »Und? Hast du mir etwas zu sagen?«

Ich schluckte. »Ich habe mich gefragt ...«

Ich hatte nur die eine Frage, die ich mir selbst nicht beantworten konnte.

»Warum? Warum konnten Sie mich nicht für tot erklären wie alle anderen? Warum waren Sie so entschlossen, mich aufzuspüren? Ich wollte niemandem Schaden zufügen. Ich wollte nur ... meinen eigenen Weg gehen.«

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und schob den Kopf vor. Jemand stellte sich hinter mich, aber mehr konnte ich nicht hören - sie schrie mir ins Gesicht.

»Weil ich Recht hatte!«, kreischte sie. »Mehr als Recht! Sieh sie dir doch an! Ein ekelhaftes Nest von Mördern, die hier auf der Lauer liegen! Genau wie ich es mir gedacht hatte, nur noch viel schlimmer! Ich wusste, dass du hier draußen bei ihnen bist! Eine von ihnen! Ich habe ihnen gleich gesagt, dass wir in Gefahr schweben! Ich habe es ihnen gleich gesagt!«

Sie hielt keuchend inne und trat einen Schritt zurück, wobei sie mir über die Schulter sah. Ich schaute nicht weg, um nachzusehen, was sie zum Rückzug bewogen hatte. Ich nahm an, es hatte etwas damit zu tun, was Jeb mir eben gesagt hatte - sobald sie die Waffen auf sie richten, kuscht sie. Ich musterte einen Moment ihren Gesichtsausdruck, während ihr schwerer Atem langsamer wurde.

»Aber sie haben nicht auf Sie gehört. Also sind Sie allein hergekommen.«

Die Sucherin antwortete nicht. Sie trat noch einen Schritt zurück, und in ihrer Miene schien Zweifel auf. Einen Augenblick lang sah sie seltsam verletzlich aus, als hätten meine Worte den Schild weggerissen, hinter dem sie sich versteckt hatte.

»Sie werden nach Ihnen suchen, aber eigentlich haben sie Ihnen nie geglaubt, stimmt's?«, sagte ich und beobachtete, wie jedes meiner Worte von ihren verzweifelten Augen bestätigt wurde. Das machte mich vollkommen sicher. »Also werden sie die Suche nicht forcieren. Wenn sie Sie nicht finden, wird ihr Interesse nachlassen. Wir werden vorsichtig sein, wie immer. Sie werden uns nicht finden.«

Jetzt konnte ich zum ersten Mal echte Angst in ihren Augen sehen. Das - für sie - entsetzliche Wissen, dass ich Recht hatte. Und ich schöpfte plötzlich Zuversicht für mein kleines Menschennest, meine kleine Familie. Ich hatte wirklich Recht. Sie waren in Sicherheit. Allerdings war ich im Hinblick auf mich selbst seltsamerweise kein bisschen zuversichtlicher.

Ich hatte keine weiteren Fragen mehr an die Sucherin. Wenn ich wegging, würde sie sterben. Würden sie warten, bis ich weit genug weg war, um den Schuss nicht mehr zu hören? Gab es überhaupt irgendeinen Platz in den Höhlen, der dafür weit genug entfernt war?

Ich blickte in ihr wütendes, angsterfülltes Gesicht und merkte, wie sehr ich sie hasste. Wie sehr ich mir wünschte, dieses Gesicht für den Rest meiner Leben nie wieder sehen zu müssen.

Ein Hass, der es mir unmöglich machte, sie sterben zu lassen.

»Ich weiß nicht, wie ich Sie retten kann«, flüsterte ich so leise, dass die Menschen es nicht hören konnten. Warum klang das in meinen Ohren wie eine Lüge? »Ich weiß nicht, wie ...«

»Warum solltest du das auch wollen? Du bist eine von ihnen!«

Aber ein kleiner Funken Hoffnung blitzte in ihren Augen auf. Jeb hatte Recht. All das Geschrei, die ganzen Drohungen ... sie wollte furchtbar gern am Leben bleiben.

Ich nickte auf ihre Anschuldigung, leicht geistesabwesend, weil ich angestrengt und schnell nachdachte. »Aber ich bin immer noch ich selbst«, murmelte ich. »Ich will nicht ... Ich will nicht ...«