Wie konnte ich den Satz beenden? Ich wollte nicht ... dass die Sucherin starb? Nein. Das stimmte nicht.
Ich wollte nicht ... dass ich die Sucherin hasste? Dass ich sie so sehr hasste, dass ich ihren Tod wollte? Dass sie starb, während ich sie hasste? Fast so, als stürbe sie, weil ich sie hasste.
Wenn ich ihren Tod wirklich nicht wollte, würde mir dann nicht einfallen, wie ich sie retten konnte? War es mein Hass, der die Antwort vor mir verbarg? War ich verantwortlich dafür, wenn sie starb?
Bist du wahnsinnig?, protestierte Melanie.
Sie hatte meinen Freund umgebracht, hatte ihn in der Wüste erschossen und Lilys Herz gebrochen. Sie hatte meine Familie in Gefahr gebracht. Solange sie lebte, stellte sie eine Gefahr für sie dar. Für Ian, für Jamie, für Jared. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, um sie alle zu töten.
Das hört sich schon besser an. Dem konnte Melanie zustimmen.
Aber wenn sie stirbt, obwohl ich sie hätte retten können, wenn ich gewollt hätte ... wer bin ich dann? Du musst praktisch denken, Wanda. Dies ist ein Krieg. Auf welcher Seite stehst du? Du kennst die Antwort. Genau. Und das ist es, was du bist, Wanda.
Aber ... Aber was, wenn ich beides könnte? Was, wenn ich ihr das Leben retten könnte, ohne dass irgendjemand hier in Gefahr geriete.
Eine Welle heftiger Übelkeit ergriff mich, als ich die Antwort erkannte, von der ich versucht hatte zu glauben, dass es sie nicht gab.
Die Wand zwischen Melanie und mir löste sich in nichts auf.
Nein!, keuchte Mel. Und dann schrie sie. NEIN!
Die Antwort, von der ich gewusst haben musste, dass ich sie finden würde. Die Antwort, die meine seltsame Ahnung erklärte.
Denn ich konnte die Sucherin retten. Natürlich konnte ich das. Aber es würde mich das Leben kosten. Ein Handel. Was hatte Kyle gesagt? Leben gegen Leben.
Die Sucherin starrte mich an, ihre dunklen Augen voller Hass.
Geopfert
Die Sucherin musterte mein Gesicht, während Mel und ich miteinander kämpften.
Nein, Wanda, nein!
Sei nicht albern, Mel. Gerade du müsstest doch das Potenzial
dieser Entscheidung erkennen. Ist es nicht das, was du wolltest?
Aber sogar, wenn ich versuchte, das Positive im Blick zu behalten, konnte ich mich dem Schrecken dieser Entscheidung nicht entziehen. Dies war das Geheimnis, für dessen Schutz ich eigentlich sterben sollte. Die Information, die ich unter allen Umständen für mich behalten hätte, egal welch grauenhafter Folter ich unterzogen worden wäre.
Das hier war nicht die Art Folter, die ich erwartet hatte: eine persönliche Gewissenskrise, verstärkt und verkompliziert durch die Liebe für meine menschliche Familie. Und trotzdem sehr schmerzhaft.
Ich konnte mich nicht mehr darauf berufen, eine Emigrantin zu sein, wenn ich das tat. Nein, ich wäre schlicht und ergreifend eine Verräterin.
Nicht für sie, Wanda! Nicht für sie!, heulte Mel.
Soll ich warten? Darauf warten, dass sie eine andere Seele schnappen. Eine unschuldige Seele, für die ich keinen Hass empfinde? Irgendwann muss ich die Entscheidung treffen.Nicht jetzt! Warte noch! Denk darüber nach!
Mir drehte sich erneut der Magen um und ich musste mich vorbeugen und tief Luft holen. Es gelang mir, nicht zu würgen.
»Wanda?«, rief Jeb besorgt.
Ich wäre dazu in der Lage, Mel. Ich könnte es vor meinem Gewissen verantworten, sie sterben zu lassen, wenn sie eine dieser unschuldigen Seelen wäre. Dann könnte ich es zulassen, dass sie sie töten. Ich könnte darauf vertrauen, eine objektive Entscheidung zu treffen.
Aber sie ist fürchterlich, Wanda! Wir hassen sie! Ganz genau. Und deshalb kann ich mich eben nicht auf mich selbst verlassen. Ich hätte die Lösung auch beinahe übersehen ...