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Wir kletterten den engen, schwarzen Schacht hinauf, der auf der Südseite des felsigen Hügels an die Oberfläche kam, etwa auf halber Höhe des kleinen Berges. Im Osten wurde der Horizont grau und eine Spur von Rosa schob sich zwischen Himmel und Felsen.

Ich hatte die Augen fest auf meine Füße gerichtet, als ich hinabkletterte. Das war auch notwendig; es gab keinen Weg und die losen Felsen boten nur trügerischen Halt. Aber selbst wenn der Pfad gepflastert und gerade gewesen wäre, bezweifelte ich, dass ich in der Lage gewesen wäre, die Augen zu heben. Meine Schultern schienen ebenfalls in ihrer gekrümmten Haltung eingerastet zu sein.

Eine Verräterin. Kein Außenseiter, kein Wanderer. Einfach nur eine Verräterin. Ich legte die Leben meiner lieben Brüder und Schwestern in die wütenden und eigennützigen Hände meiner adoptierten Menschenfamilie.

Meine Menschen hatten allen Grund, die Seelen zu hassen. Dies war ein Krieg und ich gab ihnen eine Waffe. Eine Möglichkeit, ungestraft zu töten.

Darüber dachte ich nach, als wir in der anbrechenden Morgendämmerung durch die Wüste rannten - rannten, weil wir jetzt, wo die Sucher nach uns Ausschau hielten, nicht bei Tageslicht draußen sein sollten.

Wenn ich es von diesem Blickwinkel aus betrachtete - meinen Entschluss nicht als Opfer interpretierte, sondern als Bewaffnung der Menschen im Tausch für das Leben der Sucherin -, wusste ich, dass er falsch war. Und wenn es mir nur darum ginge, die Sucherin zu retten, wäre das der Augenblick gewesen, in dem ich meine Meinung geändert hätte und umgekehrt wäre. Sie war es nicht wert, alle anderen preiszugeben. Selbst sie würde das bestätigen.

Würde sie das wirklich?, fragte ich mich plötzlich. Die Sucherin schien nicht so ... welches Wort hatte Jared benutzt? Altruistisch. So altruistisch wie wir anderen. Vielleicht würde sie ihr Leben höher schätzen als das Leben vieler anderer.

Aber es war zu spät, um meine Meinung zu ändern. Es ging mir bereits um viel mehr als nur darum, die Sucherin zu retten. Zum einen würde es wieder passieren. Die Menschen würden alle Seelen, denen sie begegneten, umbringen, wenn ich ihnen nicht eine andere Möglichkeit bot. Darüber hinaus würde ich Melanie retten und das war das Opfer wert. Ich würde auch Jared und Jamie retten. Da konnte ich auch gleich noch die widerwärtige Sucherin retten, wenn ich schon dabei war.

Es war falsch von den Seelen, hier zu sein. Meine Menschen hatten ein Anrecht auf ihre Welt. Ich konnte sie ihnen nicht zurückgeben, aber ich konnte ihnen wenigstens das hier geben. Wenn ich mir nur sicher sein könnte, dass sie nicht grausam sein würden.

Es blieb mir nichts anderes übrig, als Doc zu vertrauen und zu hoffen.

Und vielleicht vorsichtshalber noch ein paar anderen meiner Freunde dasselbe Versprechen abzunehmen.

Ich fragte mich, wie viele Menschenleben ich wohl retten würde. Wieviele Seelen ich vielleicht retten würde. Die Einzige, die ich nicht retten konnte, war ich selbst.

Ich seufzte tief. Sogar über das Geräusch unseres schweren Atems hinweg konnte Jared es hören. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er sich zu mir umdrehte, wie mich sein Blick durchbohrte, aber ich schaute ihn nicht an. Stattdessen starrte ich zu Boden.

Wir erreichten das Versteck des Jeeps, noch bevor die Sonne über die Gipfel im Osten geklettert kam, obwohl der Himmel bereits hellblau war. Gerade als die ersten Strahlen den Wüstensand golden färbten, duckten wir uns in die schmale Höhle.

Jared nahm zwei Wasserflaschen vom Rücksitz, warf mir eine davon zu und lehnte sich dann an die Wand. Er stürzte die Hälfte seiner Flasche hinunter und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, bevor er zu sprechen begann.

»Ich habe gemerkt, dass du es eilig hattest, da rauszukommen, aber wir müssen warten, bis es dunkel ist, wenn du einen Raubzug planst.«

Ich schluckte das Wasser, das ich im Mund hatte, hinunter. »Das ist schon okay. Ich bin sicher, sie werden jetzt auf uns warten.«

Seine Augen musterten mein Gesicht.

»Ich habe deine Sucherin gesehen«, sagte er und beobachtete meine Reaktion. »Sie ist sehr ... energisch.«

Ich nickte. »Und laut.«

Er lächelte und verdrehte die Augen. »Die Unterkunft, die wir ihr zur Verfügung gestellt haben, scheint ihr nicht zu gefallen.«

Mein Blick ging wieder zu Boden. »Könnte schlimmer sein«, murmelte ich. Die seltsame Eifersucht, die ich verspürt hatte, färbte ungewollt meine Stimme.

»Das stimmt«, räumte er mit gedämpfter Stimme ein. »Warum sind sie so nett zu ihr?«, flüsterte ich. »Sie hat Wes umgebracht.«

»Ich würde sagen, das ist deine Schuld.«

Ich sah zu ihm auf und war überrascht, seine leicht nach oben gebogenen Mundwinkel zu sehen; er zog mich auf.

»Meine Schuld?«

Sein kleines Lächeln verschwand. »Sie wollten sich nicht wie Monster vorkommen. Nicht noch mal. Sie versuchen, es wiedergutzumachen, nur ein bisschen zu spät - und an der falschen Seele. Mir war nicht bewusst, dass das deine Gefühle ... verletzen würde. Ich hatte angenommen, dass es dir so lieber ist.«

»Ist es auch.« Ich wollte nicht, dass sie irgendjemandem wehtaten. »Es ist immer besser, freundlich zu sein. Ich habe nur ...« Ich holte tief Luft. »Ich bin froh, dass ich jetzt weiß, warum.«

Ihre neue Freundlichkeit war für mich, nicht für sie. Ein Gewicht war von meinen Schultern genommen.

»Das ist kein schönes Gefühl - zu wissen, dass man die Bezeichnung Monster mit vollem Recht verdient.« Er lächelte wieder und gähnte. Damit steckte er mich an.

»Es war eine lange Nacht«, bemerkte er. »Und wir haben noch eine vor uns. Wir sollten ein wenig schlafen.«

Ich war froh über seinen Vorschlag. Ich wusste, dass er viele Fragen dazu hatte, was genau diese Tour bezweckte. Ich wusste auch, dass er bereits seine eigenen Schlüsse gezogen hatte. Und ich wollte nichts davon mit ihm diskutieren.

Ich streckte mich auf dem glatten Sandstück neben dem Jeep aus. Zu meinem Schrecken legte sich Jared neben mich, direkt neben mich. Er schmiegte sich an meinen gekrümmten Rücken.

»Hier«, sagte er und schob seine Finger unter mein Gesicht. Er hob meinen Kopf an und schob dann seinen anderen Arm darunter, so dass er mir als Kissen diente. Den zweiten Arm legte er um meine Taille.

Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich in der Lage war, zu antworten. »Danke.«

Er gähnte. Ich spürte seinen warmen Atem in meinem Nacken. »Ruh dich aus, Wanda.«

In dieser Stellung, die man nur als Umarmung bezeichnen konnte, schlief Jared sofort ein, was ihm noch nie schwergefallen war. Ich versuchte mich trotz des warmen Arms, den er um mich gelegt hatte, zu entspannen, aber es dauerte lange.

Angesichts dieser Umarmung fragte ich mich, wie viel er sich bereits zusammengereimt hatte.

Meine erschöpften Gedanken drehten sich um sich selbst. Jared hatte Recht - es war eine sehr lange Nacht gewesen. Wenn auch nicht annähernd lang genug. Meine letzten Tage und Nächte wurden vorbeifliegen, als wären es nur Minuten ...

Das Nächste, was ich merkte, war, wie Jared mich wach rüttelte. Das Licht in der kleinen Höhle war gedämpft und orangefarben. Sonnenuntergang.

Jared zog mich hoch und reichte mir einen Müsliriegel - das war die Art Verpflegung, die hier beim Jeep aufbewahrt wurde. Wir aßen und tranken schweigend den Rest unseres Wassers. Jareds Gesicht war ernst und konzentriert.

»Immer noch in Eile?«, fragte er, als wir in den Jeep stiegen. Nein. Ich wollte, dass die Zeit sich unendlich ausdehnte.

»Ja.« Was für einen Sinn hatte es, es aufzuschieben? Die Sucherin und ihr Körper würden sterben, wenn wir zu lange warteten, und trotzdem würde ich dieselbe Entscheidung treffen müssen.

»Dann fahren wir nach Phoenix. Es klingt plausibel, dass sie diese Art Raub nicht bemerken werden. Es ergibt keinen Sinn, dass Menschen eure Kühlbehälter klauen. Was sollten wir damit anfangen?«

Die Frage klang nicht so, als wäre sie rein rhetorisch gemeint, und ich spürte, wie er mich erneut ansah. Aber ich starrte geradeaus auf die Felsen und sagte nichts.