Die Klauenbestie brüllte und ich spürte, wie die Erde erzitterte, als ihre riesigen Tatzen niederdonnerten. Ich wusste nicht, wo unser Führer war oder ob er noch lebte. Ich wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis die Klauenbestie uns fand, hier halb im Schnee vergraben. Ich lag direkt neben dem zweigeteilten Bär. Das helle Blut würde den Blick des Ungeheuers auf sich ziehen.
Und dann hatte ich diese verrückte Idee.«
Ich machte eine Pause und lachte leise vor mich hin.
»Ich hatte keinen Bären als Wirt für Harness Light. Meinen eigenen Körper konnte ich nicht verwenden. Der Führer war tot oder geflohen. Aber es gab noch einen weiteren Körper auf dem Eisfeld.
Es war Wahnsinn, aber ich konnte an nichts anderes denken als an Harness Light. Wir waren gar nicht mal besonders eng befreundet, aber ich wusste, dass er da zwischen meinen Herzen langsam starb. Das konnte ich nicht ertragen.
Ich hörte das Brüllen der wütenden Klauenbestie und lief auf das Geräusch zu. Bald konnte ich ihr dickes, weißes Fell erkennen. Ich rannte direkt auf ihr drittes Bein von links zu und hechtete, so hoch ich konnte, daran hinauf. Ich war ein guter Springer und benutzte die Messerseiten all meiner sechs Hände, um mich an der Flanke der Bestie hochzuhangeln. Sie brüllte und drehte sich immer im Kreis, aber es nützte ihr nichts. Du musst sie dir vorstellen wie einen Hund, der seinen Schwanz jagt. Klauenbestien haben sehr kleine Gehirne - und eine beschränkte Intelligenz.
Ich erreichte den Rücken der Bestie und rannte ihre doppelte Wirbelsäule hinauf, wobei ich meine Messer in sie schlug, damit sie mich nicht abschütteln konnte.
Es dauerte nur Sekunden, bis ich am Kopf der Bestie angelangt war. Aber dort wartete die größte Schwierigkeit auf mich. Meine Eisschneider waren nur ... etwa so lang wie dein Unterarm vielleicht. Das Fell der Klauenbestie war doppelt so dick. So fest ich konnte, ließ ich meinen Arm niedersausen und durchschnitt die erste Lage aus Fell und Haut. Die Klauenbestie schrie auf und stellte sich auf die Hinterbeine. Ich fiel beinahe herunter.
Ich rammte vier meiner Hände in ihr Fell - sie schrie und schlug um sich. Mit den anderen zwei vergrößerte ich immer abwechselnd den Schnitt, den ich gemacht hatte. Die Haut war so dick und fest; ich wusste nicht, ob es mir gelingen würde, hindurchzukommen.
Die Klauenbestie geriet inzwischen außer sich. Sie schüttelte sich so heftig, dass ich einen Moment lang nichts weiter tun konnte, als mich festzuhalten. Aber Harness Light blieb nicht mehr viel Zeit. Ach schob meine Hände in das Loch und versuchte es aufzureißen.
Dann warf sich die Klauenbestie mit dem Rücken aufs Eis. Wenn wir nicht genau über ihrem Unterschlupf gewesen wären, der Grube, die sie gegraben hatte, um sich darin zu verstecken, wäre ich zerquetscht worden. So half mir der Sturz sogar, obwohl ich davon ganz benommen wurde. Meine Messer steckten bereits im Nacken der Bestie. Als ich auf dem Boden aufschlug, wurden die Schneidwerkzeuge durch das Gewicht der Bestie tief in ihre Haut getrieben. Tiefer als nötig.
Wir waren beide geschockt; ich war halb erstickt. Ich wusste, dass ich ganz schnell irgendetwas tun musste, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, was es war. Die Bestie begann sich benommen zur Seite zu drehen. Die frische Luft machte meinen Kopf klar und Harness Light fiel mir wieder ein. Ich beförderte ihn aus meiner Eitasche in den Nacken der Bestie.
Die Bestie kam auf die Beine und schüttelte sich wieder. Diesmal fiel ich hinunter; ich hatte ja losgelassen, um Harness Light einzusetzen. Die Klauenbestie war fuchsteufelswild. Die Wunde an ihrem Kopf war noch nicht einmal annähernd tief genug, sie umzubringen - sie ärgerte sie nur.
Der Schnee hatte sich wieder so weit gelegt, dass ich gut zu sehen war - besonders durch das Blut der Bestie, mit dem ich befleckt war. Es war von einer sehr hellen Farbe - einer Farbe, die es hier gar nicht gibt. Die Bestie hob ihre Zangen und schwang sie auf mich zu. Ich dachte, dass das mein Ende war, und es tröstete mich ein bisschen, dass ich es zumindest versucht hatte.
Und dann schlugen die Zangen neben mir im Schnee ein. Ich konnte nicht glauben, dass sie mich verfehlt hatte! Ich starrte zu dem riesigen, entsetzlichen Gesicht hinauf und musste beinahe ... na ja, nicht lachen. Bären lachen nicht. Aber so fühlte es sich an. Denn das hässliche Gesicht war von Verwirrung und Überraschung und Kummer verzerrt. Keine Klauenbestie hatte jemals zuvor ein solches Gesicht gemacht.
Harness Light hatte ein paar Minuten gebraucht, bis er sich mit der Klauenbestie verbunden hatte ... es war ein so riesiges Gebiet, dass er sich sehr weit strecken musste. Aber schließlich hatte er die Kontrolle übernommen. Er war verwirrt und langsam - er hatte nicht besonders viel Gehirn zur Verfügung, aber es war genug, um zu wissen, dass ich sein Freund war.
Ich musste auf ihm in die Stadt aus Kristall reiten - um die Wunde in seinem Nacken zuzuhalten, bis wir einen Heiler erreichten. Das sorgte für ziemlichen Aufruhr; eine Weile lang wurde ich Rides the Beast genannt. Aber das gefiel mir nicht. Ich brachte die anderen dazu, wieder meinen alten Namen zu benutzen.«
Während ich die Geschichte erzählte, hatte ich geradeaus geblickt, auf die Lichter des Krankenhauses und die Silhouetten der Seelen, die vor diesen Lichtern hin und her gingen. Jetzt sah ich zum ersten Mal zu Jared hinüber. Er starrte mich mit aufgerissenen Augen und offenem Mund an.
Es war wirklich eine meiner besten Geschichten. Ich musste Mel das Versprechen abnehmen, dass sie sie Jamie erzählen würde, wenn ich ...
»Sie sind jetzt wahrscheinlich mit dem Entladen fertig, meinst du nicht?«, sagte ich schnell. »Lass uns das hier erledigen und zurück nach Hause fahren.«
Er starrte mich noch einen Moment lang an und schüttelte dann langsam den Kopf.
»Ja, lass uns das hier erledigen, Wanderer, Lives in the Stars, Rides the Beast. Ein paar unbewachte Kartons zu stehlen, ist für dich ein Klacks, stimmt's?«
Getrennt
Wir brachten unsere Beute durch den Südflügel hinein, obwohl das hieß, dass der Jeep noch vor dem Morgengrauen zurückgebracht werden musste. Der Hauptgrund, weshalb ich den größeren Eingang nicht benutzen wollte, war, dass die Sucherin dann den Wirbel, den unsere Ankunft hervorrufen würde, gehört hätte. Ich war mir nicht sicher, ob sie eine Ahnung hatte, was ich plante, und ich wollte ihr keinen Grund liefern, ihren Wirt und sich umzubringen. Was mir Jeb von einem der Gefangenen erzählt hatte - dem Mann, der einfach zusammengebrochen war, ohne dass man von außen erkennen konnte, welche Verwüstung die Seele in seinem Schädel angerichtet hatte -, verfolgte mich.
Der Krankenflügel war nicht mehr verlassen. Als ich mich durch das letzte enge Stück des Gangs in den Hauptraum zwängte, traf ich auf Doc, der die Operation vorbereitete. Alle Utensilien lagen auf seinem Schreibtisch bereit; daneben wartete eine Propangaslaterne - die hellste Beleuchtung, die wir zur Verfügung hatten - darauf, angezündet zu werden. Die Skalpelle glänzten im schwachen blauen Licht der Solarlampe.
Ich hatte gewusst, dass er meine Bedingungen akzeptieren würde, aber ihn so beschäftigt zu sehen, verursachte mir ein nervöses Kribbeln im Magen. Vielleicht war es auch nur die Erinnerung an den Tag neulich, die mir Übelkeit verursachte - die Erinnerung an den Tag, an dem ich ihn mit blutbefleckten Händen erwischt hatte.
»Da seid ihr ja wieder«, sagte er erleichtert. Ich merkte, dass er sich Sorgen um uns gemacht hatte, so wie sich alle Sorgen machten, wenn jemand die Sicherheit der Höhlen verließ.
»Wir haben dir etwas mitgebracht«, sagte Jared, als er hinter mir zum Vorschein kam. Er streckte sich, griff nach einem Karton und hob ihn schwungvoll hoch, so dass das Etikett auf seiner Seite sichtbar wurde.
»Heilung!«, rief Doc. »Wie viel habt ihr davon?«
»Zwei Kartons. Und wir haben eine Methode entdeckt, unsere Vorräte aufzufüllen, ohne dass Wanda sich selbst aufschlitzen muss.«