Ich schluckte und hoffte, ich würde meine Stimme ruhighalten können. »Doc, ich brauche Heilung, Reinigung, Versiegelung und Glättung.«
»Steht alles hier.«
Ich schob die struppigen schwarzen Haare der Sucherin zur Seite, wodurch die kleine rosa Linie am unteren Ende ihres Schädels sichtbar wurde. Ich starrte auf ihre olivfarbene Haut und zögerte.
»Würdest du schneiden, Doc? Ich ... ich will nicht.« »Kein Problem, Wanda.«
Ich sah nur seine Hände, als er sich mir gegenüberstellte. Er baute eine kleine Reihe weißer Behälter neben der Schulter der Sucherin auf dem Feldbett auf. Das Skalpell blinkte in dem hellen Licht und sandte eine Reflexion über mein Gesicht.
»Halt ihre Haare zur Seite.«
Mit beiden Händen hielt ich ihren Nacken frei.
»Ich wünschte, ich könnte mich erst desinfizieren«, murmelte Doc vor sich hin. Offenbar fühlte er sich nicht genügend vorbereitet.
»Das ist wirklich nicht nötig. Wir haben doch Reinigung.« »Ich weiß«, sagte er und seufzte. Was er eigentlich vermisste, war die Routine, die Reinigung seines Geistes, für die die alten Gewohnheiten gesorgt hatten.
»Wie lang muss der Schnitt werden?«, fragte er und zögerte, als die Spitze des Skalpells nur noch ein paar Zentimeter über ihrer Haut schwebte.
Ich spürte die Hitze der anderen Körper hinter mir, die näher rückten, um besser sehen zu können. Sie achteten sorgfältig darauf, keinen von uns beiden zu berühren.
»Nur so lang wie die Narbe. Das reicht.«
Das kam ihm offenbar nicht lang genug vor. »Sicher?«
»Ja. Oh, warte!«
Doc zog die Hand zurück.
Ich machte alles verkehrt. Ich war keine Heilerin. Ich war nicht dafür geschaffen. Meine Hände zitterten. Irgendwie konnte ich den Blick nicht vom Körper der Sucherin abwenden.
»Jared, könntest du einen der Behälter herholen, bitte?« »Natürlich.«
Ich hörte ihn die paar Schritte weggehen, hörte, wie der Behälter, den er ausgewählt hatte, mit einem dumpfen metallischen Klirren an die anderen stieß.
»Was jetzt?«
»Da ist ein Knopf oben auf dem Deckel. Drück ihn rein.«
Ich hörte das leise Summen des Tiefkühlbehälters, als er ansprang. Von den Männern war Gemurmel und Geschlurfe zu hören, als sie vor dem Gerät zurückwichen.
»Okay, da an der Seite müsste es einen Schalter geben ... eigentlich eher ein Rad. Siehst du es?«
»Ja.«
»Dreh es ganz nach links.« »Okay.«
»Welche Farbe hat die Lampe oben auf dem Behälter?«
»Sie wird gerade von Lila zu ... leuchtend Blau. Jetzt Hellblau.« Ich holte tief Luft. Wenigstens funktionierten die Behälter. »Prima. Mach den Deckel auf und warte auf mich.«
»Wie?«
»Unter dem Rand ist ein Riegel.«
»Ich hab ihn.« Ich hörte das Klicken und das Summen des Mechanismus. »Ist das kalt!«.
»Das ist irgendwie der Sinn der Sache.«
»Wie funktioniert das? Woher bezieht das Ding seine Energie?«
Ich seufzte. »Ich kannte die Antworten, als ich eine Spinne war. Jetzt verstehe ich es nicht mehr. Doc, du kannst loslegen, ich bin soweit.«
»Also dann«, flüsterte Doc, als er mit der Klinge des Skalpells geschickt, beinahe anmutig, durch die Haut der Sucherin fuhr. Blut lief an ihrem Hals herunter und tropfte auf das Handtuch, das Doc daruntergelegt hatte.
»Ein kleines bisschen tiefer. Direkt unter der Kante ...« »Ja, ich sehe es.« Doc atmete schnell und aufgeregt. Zwischen dem Rot hindurch glänzte es silbern.
»So ist es gut. Jetzt halt du die Haare.«
Doc übernahm mit einer sanften, schnellen Bewegung. Er war gut in seiner Berufung. Er wäre ein guter Heiler.
Ich versuchte nicht vor ihm zu verbergen, was ich tat. Die Bewegungen waren zu minimal, als dass er nur die geringste Chance gehabt hätte, sie zu erkennen. Er wäre nicht in der Lage, diese Operation durchzuführen, bevor ich sie ihm erklärte.
Ich glitt mit einer Fingerspitze vorsichtig das Rückgrat des winzigen silbernen Wesens entlang, bis mein Finger fast vollständig in der heißen Öffnung im Nacken des Wirts verschwunden war. Langsam tastete ich mich zu den vorderen Fühlern vor und spürte, wie sich die straffen Fortsätze wie Harfensaiten spannten und sich bis in die tiefer liegenden Winkel des Kopfes ausdehnten.
Dann schob ich meinen Finger unter den Körper der Seele und strich vom ersten Abschnitt aus an der nächsten Reihe von Fortsätzen entlang, die steif hervorragten wie die Haare einer Bürste.
Ich befühlte vorsichtig die Verknüpfungspunkte der straffen Saiten, die winzigen Gelenke, nicht größer als Stecknadelköpfe. Ich strich ungefähr an einem Drittel von ihnen entlang. Ich hätte sie zählen können, aber das hätte sehr lange gedauert. Es wäre die zweihundertsiebzehnte Verknüpfung, aber es gab eine andere Möglichkeit, sie zu finden. Da war er, der kleine Hubbel, der dieses Gelenk nur ein kleines bisschen größer machte - eher wie eine Saatperle als wie ein Stecknadelkopf. Es fühlte sich weich unter meiner Fingerspitze an.
Ich drückte ganz sanft darauf, massierte es zart. Das war die Art der Seelen: Keine Gewalt.
»Entspann dich«, hauchte ich.
Und obwohl mich die Seele nicht hören konnte, gehorchte sie. Die Harfensaiten lösten sich, erschlafften. Ich konnte das Gleiten spüren, als sie sich zurückzogen, das leichte Anschwellen des Körpers, als er sie in sich aufnahm. Der Vorgang dauerte nicht länger als ein paar meiner Herzschläge. Ich hielt den Atem an, bis ich spürte, wie sich die Seele unter meiner Berührung wand. Sich freistrampelte.
Ich wartete, bis sie sich selbst noch ein bisschen weiter herausgewunden hatte, dann schlang ich meinen Finger sanft um den winzigen, zerbrechlichen Körper. Ich hob sie heraus, silbern und glänzend, nass vom Blut, das schnell von der glatten Hülle abperlte, und bettete sie in meine Hand.
Sie war schön. Die Seele, deren Namen ich nie erfahren hatte, wogte wie eine silberne Welle in meiner Hand ... ein bezauberndes, fedriges Band.
In dieser Form konnte ich die Sucherin nicht hassen. Eine beinahe mütterliche Liebe durchströmte mich.
»Schlaf gut, Kleine«, flüsterte ich ihr zu.
Ich drehte mich zu dem schwachen Summen des Tiefkühlbehälters gleich links von mir. Jared hielt ihn niedrig und gekippt, so dass es ein Leichtes für mich war, die Seele in die eiskalte Luft zu befördern, die aus der Öffnung strömte. Ich ließ sie in den kleinen Innenraum gleiten und verschloss sorgfältig den Deckel über ihr.
Dann nahm ich Jared den Tiefkühlbehälter vorsichtig ab, brachte ihn behutsam wieder in die Waagrechte und drückte ihn an meine Brust. Die Außenwand des Behälters hatte dieselbe Temperatur wie der warme Raum. Schützend wie eine Mutter hielt ich ihn im Arm.
Ich drehte mich zu der Fremden auf dem Tisch um. Doc streute bereits Glättung über die versiegelte Wunde. Wir waren ein gutes Team; einer kümmerte sich um die Seele, der andere um den Körper. Für alle war gesorgt.
Dann sah Doc zu mir auf, seine Augen strahlten vor Freude und Staunen. »Beeindruckend«, murmelte er. »Das war
unglaublich.«
»Gute Arbeit«, flüsterte ich zurück.
»Was glaubst du, wann sie aufwacht?«, fragte Doc.
»Das hängt davon ab, wie viel Chloroform sie eingeatmet hat.«
»Nicht viel.«
»Und ob sie überhaupt noch da ist. Wir müssen abwarten und sehen, was passiert.«
Ohne dass ich ihn darum bitten musste, hob Jared die namenlose Frau behutsam von dem Feldbett, drehte sie um und legte sie auf ein anderes, sauberes Bett. Diese Behutsamkeit rührte mich nicht. Diese Behutsamkeit galt den Menschen, galt Melanie ...
Doc folgte ihm, maß ihren Puls, blickte ihr unter die Augenlider. Er leuchtete mit einer Taschenlampe in ihre bewusstlosen Augen und beobachtete, wie sich die Pupillen zusammenzogen. Kein Lichtreflex blendete ihn. Er und Jared warfen sich einen langen Blick zu.