Vielen Dank, dachte Mel; die Wörter brachen geradezu aus ihr heraus und ihr Sarkasmus war von Angst eingefärbt.
Tut mir leid. Es macht dir doch nicht allzu viel aus?
Sie seufzte. Wie könnte es mir etwas ausmachen? Ich würde alles tun, worum du mich bittest, Wanda.
Pass für mich auf sie auf Das würde ich sowieso tun. Auf Ian auch.
Wenn er mich lässt. Ich habe das Gefühl, dass er mich nicht besonders mögen wird.
Auch wenn er dich nicht lässt.
Ich tu für ihn, was ich kann, Wanda. Versprochen.
Vor der roten und der grauen Tür, die den Eingang zu seinem Zimmer verdeckten, blieb Ian im Gang stehen. Er hob fragend die Augenbrauen und ich nickte. Sollte er glauben, dass ich mich immer noch vor Jamie verstecken wollte. Das stimmte schließlich auch.
Ian schob die rote Tür zur Seite und ich ging geradewegs zu der rechten Matratze hinüber. Ich rollte mich darauf zusammen, verkrallte meine zitternden Hände vor meinem klopfenden Herzen ineinander und versuchte sie hinter meinen Knien zu verstecken.
Ian legte sich hinter mich und zog mich an sich. Sollte er ruhig - ich wusste, dass er sich in alle Richtungen ausstrecken würde, wenn er schlief-, außer dass er so spürte, wie sehr ich zitterte.
»Es wird alles gut, Wanda. Ich weiß, dass wir einen Ausweg finden werden.«
»Ich liebe dich über alles, Ian.« Es war die einzig mögliche Art, mich von ihm zu verabschieden. Die einzige Art, die er akzeptieren würde. Ich weiß, er würde sich daran erinnern und es später verstehen. »Ich liebe dich mit meiner ganzen Seele.«
»Ich liebe dich auch über alles, Wanderer.«
Er schmiegte sein Gesicht an meins, bis er meine Lippen fand, dann küsste er mich, langsam und zärtlich, wie der träge Strom des geschmolzenen Gesteins, der in der Dunkelheit inmitten der Erde anschwoll, bis mein Zittern nachließ.
»Schlaf jetzt, Wanda. Das kann alles bis morgen warten. Für heute Nacht reicht es.«
Ich nickte, wobei mein Gesicht an seinem entlangstrich, und seufzte.
Ian war ebenfalls müde, und ich musste nicht lange warten. Ich starrte an die Decke. Die Sterne über den Rissen hatten sich weiterbewegt - wo vorher nur zwei gewesen waren, konnte ich jetzt drei sehen. Ich beobachtete, wie sie vor der Schwärze des Universums blinkten und pulsierten. Sie übten keine Anziehungskraft auf mich aus. Ich verspürte keinerlei Wunsch, mich dazuzugesellen. Ians Arme fielen nacheinander von mir ab. Er rollte auf den Rücken und murmelte im Schlaf. Ich wagte es nicht, noch länger zu warten; ich wäre zu gerne geblieben - um neben ihm einzuschlafen und noch einen weiteren Tag zu stehlen.
Ich bewegte mich vorsichtig, aber es bestand keine Gefahr, dass er aufwachte. Er atmete tief und regelmäßig und würde erst morgen früh wieder die Augen aufschlagen.
Ich drückte ihm einen sanften Kuss auf seine glatte Stirn, dann stand ich auf und schlüpfte durch die Tür.
Es war nicht sehr spät und die Höhlen waren noch nicht leer. Ich konnte den Widerhall von Stimmen hören, ein seltsames Echo, das von wer weiß wo stammen konnte. Ich begegnete niemandem, bis ich die große Höhle erreichte. Geoffrey, Heath und Lily kamen gerade aus der Küche. Ich hielt die Augen gesenkt, obwohl ich sehr froh war, Lily zu sehen. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass sie zumindest aufrecht ging, mit gestrafften Schultern. Lily war stark. Wie Mel. Sie würde es auch schaffen.
Ich eilte auf den südlichen Gang zu und war erleichtert, als ich in den Schutz der dortigen Schwärze eintauchte. Erleichtert und verschreckt. Jetzt war es wirklich vorbei.
Ich habe solche Angst, wimmerte ich.
Bevor Mel antworten konnte, legte sich mir in der Dunkelheit eine schwere Hand auf die Schulter.
»Wohin des Wegs?«
Beendet
Der Griff war so fest, dass ich vor Entsetzen aufschrie; ich war so erschrocken, dass mein Schrei bloß ein atemloses Quieken war.
»Entschuldige!« Jared legte mir beruhigend den Arm um die Schultern. »Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.« »Was machst du hier?«, fragte ich, immer noch atemlos. »Dir folgen. Ich bin dir schon die ganze Nacht gefolgt.« »Okay, dann hör jetzt auf damit.«
In der Dunkelheit war ein Zögern zu spüren und sein Arm rührte sich nicht von der Stelle. Ich duckte mich darunter weg, aber er packte mich am Handgelenk. Sein Griff war fest; ich würde seine Hand nicht einfach abschütteln können.
»Bist du auf dem Weg zu Doc?«, fragte er und es war keinerlei Unsicherheit in seiner Frage. Es war offensichtlich, dass er nicht von einem Höflichkeitsbesuch sprach.
»Natürlich«, zischte ich, damit er die Panik in meiner Stimme nicht bemerkte. »Was sollte ich nach dem heutigen Tag wohl sonst tun? Es wird ja nicht besser. Und das hier ist nicht Jebs Entscheidung.«
»Ich weiß. Ich bin ganz deiner Meinung.«
Es machte mich wütend, dass diese Worte mich immer noch verletzen konnten, mir die Tränen in die Augen trieben. Ich versuchte, an Ian zu denken - er war mein Anker, wie Kyle es irgendwie für Sunny gewesen war -, aber es fiel mir schwer angesichts von Jareds Hand an meinem Handgelenk und seinem Geruch in meiner Nase. Als wenn man versuchte, den Klang einer Geige herauszuhören, während sämtliche Schlaginstrumente drauflostrommelten ...
»Dann lass mich gehen, Jared. Geh weg. Ich möchte allein sein.« Die Worte kamen heftig und schnell und hart heraus. Es war leicht zu hören, dass ich nicht log.
»Ich sollte dich begleiten.«
»Du kriegst Melanie schon früh genug wieder«, fuhr ich ihn an. »Ich bitte dich nur um ein paar Minuten. Die kannst du mir ja wohl zugestehen.«
Wieder eine Pause; seine Hand blieb, wo sie war.
»Wanda, ich würde deinetwegen mitkommen.«
Meine Tränen begannen zu laufen. Ich war dankbar für die Dunkelheit.
»So würde es sich aber nicht anfühlen«, flüsterte ich. »Also hat es keinen Zweck.«
Jared durfte nicht dabei sein. Ich konnte nur Doc vertrauen. Nur er hatte mir sein Versprechen gegeben. Und ich würde diesen Planeten nicht verlassen. Ich würde nicht als Delfin oder Blume leben und ewig um die Lieben trauern, die ich zurückgelassen hatte, die bereits alle tot sein würden, sobald ich meine Augen wieder öffnete - vorausgesetzt, ich hatte überhaupt welche. Das hier war mein Planet und keiner würde mich zwingen, ihn zu verlassen. Ich würde im Staub zurückbleiben, in der dunklen Grotte neben meinen Freunden. Ein menschliches Grab für den Menschen, der ich geworden war.