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Es roch eigenartig - muffig und ein bisschen schimmelig. Ich erinnerte mich an den Geruch ... aber ich hatte ihn ganz sicher noch nie im Leben gerochen.

Ich sah nichts als gedämpftes Rot - das Innere meiner Augenlider. Ich wollte sie öffnen und suchte nach den passenden Muskeln.

»Wanderer? Wir warten alle auf dich, Süße. Mach die Augen auf.«

Diese Stimme, dieser warme Atem an meinem Ohr, war mir sogar noch vertrauter. Bei dem Klang fühlte ich ein seltsames Prickeln in meinen Adern. Ein Gefühl, das ich nie zuvor gehabt hatte. Es ließ mich den Atem anhalten und meine Finger erzittern.

Ich wollte das Gesicht sehen, das zu dieser Stimme gehörte. Eine Farbe tauchte vor meinem inneren Auge auf- eine Farbe,

die mich aus einem weit entfernten Leben zu rufen schien - ein leuchtendes, strahlendes Blau. Das gesamte Universum war tiefblau ...

Und schließlich wusste ich meinen Namen wieder. Ja, es stimmte. Wanderer. Ich war Wanderer. Oder auch Wanda. Daran erinnerte ich mich jetzt.

Eine leichte Berührung auf meinem Gesicht - ein warmer Druck auf meinen Lippen, meinen Lidern. Ah, da waren sie. Jetzt, wo ich sie entdeckt hatte, konnte ich mit ihnen blinzeln.

»Sie wacht auf!«, krächzte jemand aufgeregt.

Jamie. Jamie war hier. Mein Herz machte wieder einen flatterigen kleinen Satz.

Es dauerte einen Moment, bis ich meine Augen scharf gestellt hatte. Das Blau, das mir in die Augen stach, war ganz falsch - zu blass, zu ausgewaschen. Es war nicht das Blau, nach dem ich mich gesehnt hatte.

Eine Hand berührte mein Gesicht. »Wanderer?«

Ich blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Die Bewegung meines Kopfes auf meinem Hals fühlte sich so komisch an. Es fühlte sich nicht so an wie früher, aber gleichzeitig fühlte es sich so an wie immer ...

Mein suchender Blick fand das Blau, nach dem ich mich sehnte. Saphir, Schnee und Mitternacht.

»Ian? Ian, wo bin ich?« Der Klang der Stimme, die aus meiner Kehle kam, erschreckte mich. Sie war so hoch und zwitschernd. Vertraut, aber nicht meine. »Wer bin ich?«

»Du bist du«, erklärte mir Ian. »Und du bist da, wo du hingehörst.«

Ich zog eine meiner Hände aus der Riesenhand, die sie festhielt. Ich wollte mein Gesicht berühren, aber jemand streckte die Hand nach mir aus und ich erstarrte.

Die sich nähernde Hand erstarrte ebenfalls über mir.

Ich versuchte meine Hand weiterzubewegen, um mich damit zu schützen, aber dadurch bewegte sich die Hand über mir ebenfalls weiter. Ich begann zu zittern und die Hand bebte.

Oh.

Ich öffnete und schloss die Hand und betrachtete sie genau. War das meine Hand, dieses winzige Ding? Es war eine

Kinderhand, abgesehen von den langen rosa-weißen, perfekt gefeilten Nägeln. Die Haut war hell mit einem eigenartigen silbernen Schimmer und - was irgendwie nicht so richtig dazu passte - vereinzelten goldenen Sommersprossen.

Es war die ungewöhnliche Kombination aus Silber und Gold, die mir wieder das Bild vor Augen rief: Ich konnte ein Gesicht in meinem Kopf sehen, das mir aus einem Spiegel entgegenblickte.

Die Szenerie dieser Erinnerung brachte mich einen Moment lang aus dem Konzept, weil ich nicht an so viel Zivilisation gewöhnt war - gleichzeitig kannte ich nichts anderes außer Zivilisation. Eine hübsche Frisierkommode mit allem möglichen Nippes darauf. Eine Ansammlung feiner Glasflakons, die die Düfte enthielten, die ich so sehr mochte - ich? Oder sie? Ein Blumentopf mit einer Orchidee. Eine Garnitur Silberkämme.

Der große, runde Spiegel war von einem Kranz aus Metallrosen eingefasst. Das Gesicht im Spiegel war ebenfalls eher rundlich als oval. Klein. Es hatte die gleiche silberne Tönung wie die Hand - silbern wie Mondlicht - und ebenfalls ein paar goldene Sommersprossen auf dem Nasenrücken. Große, graue Augen, hinter deren Farbe der leichte Silberglanz der Seele hervorschien, von goldenen Wimpern eingerahmt. Blassrosa Lippen, voll und beinahe rund wie die eines Babys. Kleine, regelmäßige weiße Zähne dahinter. Ein Grübchen am Kinn. Und überall, überall wallendes goldenes Haar, das mein Gesicht wie ein heller Lichterkranz umgab und über das Spiegelbild hinausreichte.

Mein Gesicht oder ihr Gesicht?

Es war das perfekte Gesicht für eine Nachtblume. Wie eine genaue Übertragung von Blume zu Mensch.

»Wo ist sie?«, wollte meine hohe, dünne Stimme wissen. »Wo ist Pet?« Ihre Abwesenheit machte mir Angst. Ich hatte noch nie ein hilfloseres Wesen gesehen als dieses halbe Kind mit seinem Gesicht aus Mondlicht und dem Sonnenhaar.

»Sie ist hier«, versicherte mir Doc. »Eingefroren und reisefertig. Wir dachten, du könntest uns sagen, wo wir sie am besten hinschicken.«

Ich blickte in die Richtung, aus der seine Stimme kam. Als ich ihn dort im Sonnenlicht stehen sah, einen eingeschalteten Tiefkühlbehälter in den Händen, stürzte eine Welle von Erinnerungen an mein früheres Leben auf mich ein.

»Doc!«, keuchte ich mit der kleinen, brüchigen Stimme. »Doc, du hast es mir versprochen! Du hast es mir geschworen, Eustace! Warum? Warum hast du dein Wort gebrochen?«

Eine schwache Erinnerung an Trauer und Schmerz überkam mich. Dieser Körper hatte noch nie solche Qualen empfunden. Ich schreckte vor dem stechenden Schmerz zurück.

»Auch ein Ehrenmann knickt unter Zwang manchmal ein, Wanda.«

»Zwang«, sagte eine andere furchtbar vertraute Stimme spöttisch.

»Ich würde ein Messer am Hals durchaus als Zwang bezeichnen, Jared.«

»Du wusstest genau, dass ich es nicht benutzen würde.« »Wusste ich nicht. Du warst ziemlich überzeugend.« »Ein Messer?« Mein Körper zitterte.

»Schsch, es ist alles in Ordnung«, murmelte Ian. Sein Atem blies mir ein paar goldene Haarsträhnen ins Gesicht und ich schob sie mit einer routinierten Geste zur Seile. »Hast du wirklich geglaubt, du könntest uns einfach so verlassen? Wanda!« Er seufzte, aber es war ein frohes Seufzen.

Ian war glücklich. Diese Einsicht ließ meine Sorgen plötzlich kleiner werden, machte sie leichter zu ertragen.

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich kein Parasit mehr sein will«, flüsterte ich.

»Lasst mich durch«, befahl meine alte Stimme. Und dann konnte ich mein Gesicht sehen, mit den ausgeprägten Zügen, der sonnengebräunten Haut, den geraden schwarzen Augenbrauen über den mandelförmigen grünbraunen Augen, den hohen Wangenknochen ... Ich konnte es von vorne sehen, nicht im Spiegel wie bisher immer.

»Hör zu, Wanda. Ich weiß genau, was du nicht sein willst. Aber wir sind Menschen und wir sind egoistisch und wir tun nicht immer das Richtige! Wir lassen dich nicht gehen. Gewöhn dich an den Gedanken.«

Ihre Art zu sprechen, die Sprachmelodie und der Tonfall, nicht die Stimme, riefen mir all unsere stummen Gespräche wieder in Erinnerung, die Stimme in meinem Kopf, meine Schwester.

»Mel? Mel, dir geht es gut!«

Da lächelte sie und beugte sich vor, um mich zu umarmen. Sie war größer, als ich mich in Erinnerung gehabt hatte.

»Natürlich geht es mir gut. War das nicht der Sinn dieser ganzen Aktion? Und dir wird es auch gutgehen. Wir sind ja nicht blöd. Wir haben uns nicht einfach den erstbesten Körper geschnappt.«

»Lass mich erzählen, lass mich!« Jamie zwängte sich neben Mel. Langsam wurde es eng um das Feldbett. Es wackelte gefährlich.

Ich nahm seine Hand und drückte sie. Meine Hände fühlten sich so schwach an. Spürte er den Druck überhaupt?

»Jamie!«

»Hey, Wanda! Ist das nicht cool? Jetzt bist du kleiner als ich!«

Er grinste triumphierend.

»Aber immer noch älter. Ich bin fast ...«, und dann stockte ich und beendete den Satz nicht wie geplant. »In zwei Wochen habe ich Geburtstag.«

Ich mochte orientierungslos und verwirrt sein, aber ich war nicht dumm. Melanies Erfahrungen waren nicht nutzlos gewesen; ich hatte daraus gelernt. Ian war mindestens genauso ehrenhaft wie Jared und ich hatte nicht vor, dieselbe