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Ich konnte spüren, wie ich rot anlief. Mein Herz war nie zuvor gebrochen worden, aber es war auch noch nie übergeflossen. Das machte mich schüchtern; es fiel mir schwer, ein Wort herauszubringen.

»Ich glaube, das könnte ich«, flüsterte ich. »Wenn es dich glücklich macht.«

»Das reicht aber nicht«, widersprach Ian mir. »Es muss auch dich glücklich machen.«

Ich konnte ihn immer nur ein paar Sekunden lang ansehen; die Schüchternheit, die so neu und verwirrend für mich war, ließ mich den Blick immer wieder senken.

»Ich ... glaube, das würde es«, stimmte ich ihm zu. »Ich glaube, es würde mich sehr, sehr glücklich machen.«

Glücklich und traurig, begeistert und elend, sicher und ängstlich, geliebt und abgewiesen, geduldig und wütend, friedlich und wild, erfüllt und leer ... alles. Ich würde das alles fühlen. All das würde zu mir gehören.

Ian hob mein Gesicht an, bis ich ihm in die Augen sah, wovon ich noch röter anlief.

»Dann bleibst du also.«

Er küsste mich, vor allen Leuten, aber ich vergaß die Zuschauer schnell. Das hier war leicht und richtig, keine Zweiteilung, keine Verwirrung, keine Ablehnung, nur Ian und ich. Der geschmolzene Stein durchströmte diesen neuen Körper und nahm ihn in den Pakt mit auf.

»Ich bleibe«, stimmte ich ihm zu. Und mein zehntes Leben begann.

Fortgesetzt - Epilog

Das Leben und die Liebe gingen weiter im letzten menschlichen Stützpunkt auf dem Planeten Erde, aber es blieb nicht alles beim Alten.

Ich war nicht die Alte.

Dies war meine erste Wiedergeburt in einem Körper derselben Spezies. Ich fand den Wechsel viel schwieriger, als auf einem anderen Planeten neu anzufangen, weil ich bereits so viele konkrete Erwartungen an das Menschsein hatte. Außerdem hatte mir Petals Open to the Moon vieles vererbt, und nicht alles davon war angenehm.

Ich hatte eine Menge Trauer um Cloud Spinner geerbt. Ich vermisste die Mutter, die ich nie kennengelernt hatte, und trauerte, weil sie jetzt leiden musste. Vielleicht gab es auf diesem Planeten keine Freude, ohne dass einem zum Ausgleich anhand irgendeiner unbekannten Skala die entsprechende Menge an Schmerz zugewiesen wurde.

Ich hatte unerwartete Beschränkungen geerbt. Ich war einen starken, schnellen und großen Körper gewohnt - einen Körper, der meilenweit rennen, ohne Essen und Wasser auskommen, schwere Lasten heben und hohe Regalbretter erreichen konnte. Dieser Körper war schwach - und nicht nur in physischer Hinsicht; dieser Körper hatte aufgrund lähmender Schüchternheit Aussetzer, sobald ich mich unsicher fühlte, was dieser Tage häufig vorzukommen schien.

Ich hatte eine neue Rolle in der menschlichen Gemeinschaft. Die Leute trugen jetzt Sachen für mich und ließen mich vorangehen. Sie gaben mir die leichtesten Aufgaben und nahmen mir dann trotzdem meistens die Arbeit ab. Das Schlimmste war, dass ich die Hilfe brauchte. Meine Muskeln waren schwach und nicht ans Arbeiten gewöhnt. Ich ermüdete schnell und von meinen Versuchen, das zu verbergen, ließ sich niemand täuschen. Wahrscheinlich wäre ich noch nicht einmal in der Lage, einen Kilometer am Stück zu rennen.

Der Grund für diese Vorzugsbehandlung war allerdings nicht nur meine körperliche Schwäche. Ich hatte auch vorher schon ein hübsches Gesicht gehabt, aber eins, dem die Leute auch ängstliche, misstrauische oder sogar hasserfüllte Blicke

zuwarfen. Mein neues Gesicht machte solche Gefühle unmöglich.

Die Leute streichelten oft meine Wange oder legten ihre Finger unter mein Kinn und hoben es an, um mich besser sehen zu können. Sie tätschelten mir häufig den Kopf (der leicht erreichbar war, da ich kleiner war als alle anderen außer den Kindern) und strichen mir so häufig übers Haar, dass ich es schon gar nicht mehr wahrnahm. Diejenigen, die mich früher nie akzeptiert hatten, taten das jetzt genauso oft wie meine Freunde. Sogar Lucina leistete nur symbolischen Widerstand, als ihre Kinder mir wie zwei treue Welpen zu folgen begannen. Besonders Freedom kletterte bei jeder Gelegenheit auf meinen Schoß und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Isaiah war zu groß für solche Liebesbeweise, aber er hielt gern meine Hand - die genauso groß war wie seine -, während er sich aufgeregt mit mir über Spinnen und Drachen, Fußball und Beutetouren unterhielt. In Melanies Nähe wagten sich die Kinder dagegen immer noch nicht; ihre Mutter hatte sie früher zu gründlich verängstigt, als dass ihre gegenteiligen Beteuerungen daran jetzt noch etwas ändern konnten.

Sogar Maggie und Sharon konnten ihre frühere Unbeugsamkeit in meiner Gegenwart nicht aufrechterhalten, obwohl sie sich weiterhin Mühe gaben, mich nicht anzusehen.

Mein Körper war nicht die einzige Veränderung. Die späte Regenzeit brach an und darüber war ich froh.

Zum einen hatte ich noch nie den Regen auf den Kreosotbüschen gerochen - ich konnte mich nur undeutlich an meine Erinnerungen an Melanies Erinnerungen erinnern, was allerdings eine sehr schwache Verbindung war - und jetzt durchströmte der Geruch die muffigen Höhlen und ließ sie frisch und beinahe würzig duftend zurück. Der Geruch hing in meinen Haaren und folgte mir überallhin. Ich nahm ihn sogar mit in meine Träume.

Außerdem hatte Petals Open to the Moon ihr ganzes Leben in Seattle verbracht und die ununterbrochene Folge von blauem Himmel und brütender Hitze war genauso befremdlich - fast schon lähmend - für meinen Organismus, wie der niedrige Wolkenhimmel es für jeden dieser Wüstenbewohner gewesen wäre. Die Wolken waren aufregend, eine Abwechslung vom faden, immer gleichen Blassblau. Sie waren plastisch und bewegten sich. Sie malten Bilder an den Himmel.

Es war einiges neu zu organisieren in Jebs Höhlen, und der Umzug in die große Sporthalle - jetzt der Gemeinschaftsschlafsaal - war eine gute Vorbereitung für die neue Platzverteilung.

Jeder Platz wurde gebraucht, also durften keine Zimmer leer stehen. Allerdings konnte es auch jetzt noch niemand außer den beiden Neuankömmlingen ertragen, Wes' altes Zimmer zu übernehmen: Candy - die sich endlich an ihren richtigen Namen erinnert hatte - und Lacey. Ich bemitleidete Candy wegen ihrer künftigen Zimmergenossin, aber die Heilerin ließ keine Unzufriedenheit über diese Aussichten erkennen.

Nach dem Ende der Regenzeit würde Jamie in eine Ecke von Brandts und Aarons Höhle ziehen. Melanie und Jared hatten Jamie hinausgeworfen und zu Ian geschickt, noch bevor ich in Pets Körper wiedergeboren worden war; Jamie war nicht mehr so klein, dass sie sich dafür irgendeine Entschuldigung ausdenken mussten.

Kyle war dabei, die schmale Spalte zu vergrößern, in der Walter geschlafen hatte, um fertig zu werden, bis die Wüste wieder trocken war. Mehr als einer hatte dort wirklich nicht hineingepasst und Kyle würde dort nicht allein wohnen.

Nachts in der Sporthalle schlief Sunny zusammengerollt an Kyles Brust, wie ein Kätzchen, das sich mit einem großen Hund angefreundet hatte - einem Rottweiler, dem es bedingungslos vertraute. Sunny war ununterbrochen mit Kyle zusammen. Ich konnte mich nicht erinnern, sie einmal getrennt gesehen zu haben, seit ich diese silbergrauen Augen zum ersten Mal geöffnet hatte.

Kyle wirkte ständig gedankenverloren, zu abgelenkt von dieser unmöglichen Beziehung, als dass er sich um irgendwas anderes kümmern konnte. Er gab Jodi nicht auf, aber wenn Sunny sich an ihn klammerte, hielt er sie sanft im Arm.

Vor dem Regen waren alle Plätze belegt, deshalb blieb ich bei Doc im Krankenflügel, der mir keine Angst mehr einjagte. Die Feldbetten waren nicht besonders bequem, aber es war ein interessanter Aufenthaltsort. Candy erinnerte sich an die Einzelheiten aus dem Leben von Summer Song besser als an ihr eigenes; im Krankenflügel wurden jetzt Wunder vollbracht.

Nach dem Regen würde Doc nicht mehr im Krankenflügel schlafen. In der ersten Nacht in der Sporthalle hatte Sharon ohne ein Wort der Erklärung ihre Matratze direkt neben Docs gezogen. Vielleicht war es Docs Interesse an der Heilerin, das Sharon dazu gebracht hatte, obwohl ich bezweifelte, dass Doc überhaupt aufgefallen war, wie hübsch die ältere Frau war; sein Interesse galt ihrem phänomenalen Wissen. Oder vielleicht war Sharon auch einfach bereit zu vergessen und zu vergeben. Ich hoffte, dass das der Fall war. Es wäre schön zu glauben, dass sogar Sharon und Maggie mit der Zeit besänftigt werden könnten.